Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.Feind desselben eine lebhafte Theilnahme zu empfinden; eine Objectivität, in Bevor wir uns der Beurtheilung der Gedichte Annelees von Droste unter¬
Kr die Armen und wider die Bettelei. Es ist erfreulich, daß neuerdings immer allgemeiner die Verderblichkeit der Feind desselben eine lebhafte Theilnahme zu empfinden; eine Objectivität, in Bevor wir uns der Beurtheilung der Gedichte Annelees von Droste unter¬
Kr die Armen und wider die Bettelei. Es ist erfreulich, daß neuerdings immer allgemeiner die Verderblichkeit der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146765"/> <p xml:id="ID_774" prev="#ID_773"> Feind desselben eine lebhafte Theilnahme zu empfinden; eine Objectivität, in<lb/> der wir die Vielseitigkeit ihres Gemüthslebens erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_775"> Bevor wir uns der Beurtheilung der Gedichte Annelees von Droste unter¬<lb/> ziehen, berühren wir noch mit wenigen Worten ihre einzige in Prosa verfaßte<lb/> Erzählung: „Die Judenbuche". Sie ist ein Sittengemälde aus dem vorigen Jahr¬<lb/> hundert, ihr Schauplatz das Paderbornsche Gebiet. Wie in einer sittlich ver¬<lb/> kommenen Umgebung die Entwicklung des Einzelnen gefährdet ist, wie die Schuld<lb/> des Ganzen ihn verstrickt und niederzieht^ seine Widerstandskraft lahmt und<lb/> bricht, wie sie endlich ihn in den Abgrund stürzt, das ist uns hier in krimina¬<lb/> listischen Nahmen ergreifend geschildert. Wir charakterisiren die Absicht der<lb/> Dichtung mit dem Motto, das sie einleitet:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren<lb/> Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,<lb/> So fest, daß ohne Zittern sie den Stein<lb/> Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?<lb/> Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,<lb/> Zu wägen jedes Wort, das unvergessen<lb/> In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,<lb/> Des Borurtheils geheimen Seelendieb?<lb/> Du Glücklicher, geboren und gehegt<lb/> Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,<lb/> Leg' hin die Wagschal', — nimmer dir erlaubt!<lb/> Laß rud'n den Stein — er trifft dein eignes Haupt!<lb/> (Schluß folgt.)</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kr die Armen und wider die Bettelei.</head><lb/> <p xml:id="ID_776" next="#ID_777"> Es ist erfreulich, daß neuerdings immer allgemeiner die Verderblichkeit der<lb/> hergebrachten Armenbehandlung erkannt und, wenn auch nicht überall mit den<lb/> geeignetsten Mitteln, auf eine wirksame Unterstützungsthätigkeit hingearbeitet<lb/> wird. Die Vereine gegen Verarmung, gegen Hans-, Straßen-, Wanderbettelei<lb/> und Landstreicherei mehren sich täglich. Angesichts des zur Zeit noch immer<lb/> nicht ganz erstarkten Arbeitsmarktes haben wir in der That dringend Ursache,<lb/> nicht Polizisten und Gensdcirmen allein die Ermittlung zu überlassen, ob der<lb/> fechtende Handwerksbursch ein Strolch ist, oder ob er zu den beklagenswerthen<lb/> Ueberschußhänden gehört, denen es weder an Lust noch an Fähigkeit zur Arbeit<lb/> mangelt und deren sich die Gesellschaft bis auf bessere Zeiten durchaus annehmen<lb/> muß, damit sie nicht zu Grunde gehen. Eben weil die der Hilfe wahrhaft be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
Feind desselben eine lebhafte Theilnahme zu empfinden; eine Objectivität, in
der wir die Vielseitigkeit ihres Gemüthslebens erkennen.
Bevor wir uns der Beurtheilung der Gedichte Annelees von Droste unter¬
ziehen, berühren wir noch mit wenigen Worten ihre einzige in Prosa verfaßte
Erzählung: „Die Judenbuche". Sie ist ein Sittengemälde aus dem vorigen Jahr¬
hundert, ihr Schauplatz das Paderbornsche Gebiet. Wie in einer sittlich ver¬
kommenen Umgebung die Entwicklung des Einzelnen gefährdet ist, wie die Schuld
des Ganzen ihn verstrickt und niederzieht^ seine Widerstandskraft lahmt und
bricht, wie sie endlich ihn in den Abgrund stürzt, das ist uns hier in krimina¬
listischen Nahmen ergreifend geschildert. Wir charakterisiren die Absicht der
Dichtung mit dem Motto, das sie einleitet:
Wo ist die Hand so zart, daß ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, daß ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Borurtheils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg' hin die Wagschal', — nimmer dir erlaubt!
Laß rud'n den Stein — er trifft dein eignes Haupt!
(Schluß folgt.)
Kr die Armen und wider die Bettelei.
Es ist erfreulich, daß neuerdings immer allgemeiner die Verderblichkeit der
hergebrachten Armenbehandlung erkannt und, wenn auch nicht überall mit den
geeignetsten Mitteln, auf eine wirksame Unterstützungsthätigkeit hingearbeitet
wird. Die Vereine gegen Verarmung, gegen Hans-, Straßen-, Wanderbettelei
und Landstreicherei mehren sich täglich. Angesichts des zur Zeit noch immer
nicht ganz erstarkten Arbeitsmarktes haben wir in der That dringend Ursache,
nicht Polizisten und Gensdcirmen allein die Ermittlung zu überlassen, ob der
fechtende Handwerksbursch ein Strolch ist, oder ob er zu den beklagenswerthen
Ueberschußhänden gehört, denen es weder an Lust noch an Fähigkeit zur Arbeit
mangelt und deren sich die Gesellschaft bis auf bessere Zeiten durchaus annehmen
muß, damit sie nicht zu Grunde gehen. Eben weil die der Hilfe wahrhaft be-
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