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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Innung von Soldatenschneidern, wenn man oollsZinm ogrckonariorura vetsra-
noruiu so übersetzen darf; sie hat einmal auf ihre Kosten ein Denkmal für ein
verstorbenes Mitglied errichtet. So zeigt sich hier nicht jene arbeitsscheue, ver¬
gnügungssüchtige Bevölkerung wie im kaiserlichen Rom, die unersättlich "Brot
und Spiele" forderte, sondern ein reges gewerbliches Leben, das zum Theil an
die alte einheimische Metallindustrie anknüpfte und, wie es durch die Nähe des
großen Standlagers mit seinen Tausenden von Kriegern hervorgerufen war,°'so
auch durch sie beständig seine Nahrung erhielt.

Einer so bedeutenden Gemeinde konnte es an stattlichen öffentlichen An¬
lagen nicht fehlen. Einigermaßen erhalten ist von ihnen heute nur noch das
sogen. "Heidenthor", ein mächtiger Bau von etwa 40' Höhe, auf quadratischer
Grundlage aus Bruchsteinen und Legionsziegeln aufgeführt, mit Quadern ver¬
kleidet. Da der Bau zwei einander im rechten Winkel schneidende Durchgänge
enthält, so war er weder ein Stadtthor noch ein Triumphbogen, sondern höchst
wahrscheinlich ein ^anus ynaäritronL nach dem Muster des allbekannten Janus-
bogens zu Rom, und bezeichnete, an einer Wegscheide aufgestellt, die Grenze des
Stadtgebiets. Von anderen Bauwerken läßt sich höchstens die Stelle muth¬
maßen. An der Stätte des heutigen Schlosses zu Petronell standen hervor¬
ragende, mit allem Luxus ausgestattete, vielleicht öffentlichen Zwecken gewidmete
Gebäude, ohne daß sich freilich ein Grundplan bis jetzt hätte nachweisen lassen.
Aus Ziegeln oder Gestein der Umgegend aufgeführt, waren sie mit Säulen
geschmückt, zu denen man gewöhnlich den grobkörnigen Marmor vom steirischen
Pachergebirge verwandte; die Wände bekleideten feine Platten von violett-
geädertem ^Manischem oder grüngeadertem nordafrikanischen Marmor, die
Fußböden waren zum Theil mit trefflichen Mosaiken belegt, auf denen etwa
Ganymedes den Adler kränkend oder Orpheus durch fein Spiel die wilden
Thiere bezaubernd dargestellt ist. Sculpturen, manche von guter Arbeit, vollen¬
deten die künstlerische Ausschmückung, Luftheizungsanlagen machten anch dein
Südländer das rauhe Klima der Donaulande erträglich. Eine Leitung führte
aus der Hügelkette, auf deren nördlichem AbHange Carnuntum lag, Wasser zu
allen Zwecken herbei. Ja die Stadt rühmte sich, wie schon erwähnt, einer starken
schwefelhaltigen Heilquelle, welche neuerdings auch wieder aufgefunden worden ist.
Ihr verdankte einmal ein Procurator der Provinz Sicilien, C. Julius superis,
seine Herstellung, und eigene Kuratoren (eurs-torss tUMwaruw) aus dem Stande
der Augustalen, waren mit der Verwaltung des Heilbades betraut.

Unzweifelhaft haben zu Carnuntum wie anderswo in diesen Landschaften
auch Tempel und andere Heiligthümer bestanden. Aber nur wenig ist davon
bekannt. Fortuna hatte z. B. eine Statue; dem Wald- und Feldgott Silvanus,
welcher in den Ostalpenlanden lebhafter Verehrung sich erfreute, widmete ein


Innung von Soldatenschneidern, wenn man oollsZinm ogrckonariorura vetsra-
noruiu so übersetzen darf; sie hat einmal auf ihre Kosten ein Denkmal für ein
verstorbenes Mitglied errichtet. So zeigt sich hier nicht jene arbeitsscheue, ver¬
gnügungssüchtige Bevölkerung wie im kaiserlichen Rom, die unersättlich „Brot
und Spiele" forderte, sondern ein reges gewerbliches Leben, das zum Theil an
die alte einheimische Metallindustrie anknüpfte und, wie es durch die Nähe des
großen Standlagers mit seinen Tausenden von Kriegern hervorgerufen war,°'so
auch durch sie beständig seine Nahrung erhielt.

Einer so bedeutenden Gemeinde konnte es an stattlichen öffentlichen An¬
lagen nicht fehlen. Einigermaßen erhalten ist von ihnen heute nur noch das
sogen. „Heidenthor", ein mächtiger Bau von etwa 40' Höhe, auf quadratischer
Grundlage aus Bruchsteinen und Legionsziegeln aufgeführt, mit Quadern ver¬
kleidet. Da der Bau zwei einander im rechten Winkel schneidende Durchgänge
enthält, so war er weder ein Stadtthor noch ein Triumphbogen, sondern höchst
wahrscheinlich ein ^anus ynaäritronL nach dem Muster des allbekannten Janus-
bogens zu Rom, und bezeichnete, an einer Wegscheide aufgestellt, die Grenze des
Stadtgebiets. Von anderen Bauwerken läßt sich höchstens die Stelle muth¬
maßen. An der Stätte des heutigen Schlosses zu Petronell standen hervor¬
ragende, mit allem Luxus ausgestattete, vielleicht öffentlichen Zwecken gewidmete
Gebäude, ohne daß sich freilich ein Grundplan bis jetzt hätte nachweisen lassen.
Aus Ziegeln oder Gestein der Umgegend aufgeführt, waren sie mit Säulen
geschmückt, zu denen man gewöhnlich den grobkörnigen Marmor vom steirischen
Pachergebirge verwandte; die Wände bekleideten feine Platten von violett-
geädertem ^Manischem oder grüngeadertem nordafrikanischen Marmor, die
Fußböden waren zum Theil mit trefflichen Mosaiken belegt, auf denen etwa
Ganymedes den Adler kränkend oder Orpheus durch fein Spiel die wilden
Thiere bezaubernd dargestellt ist. Sculpturen, manche von guter Arbeit, vollen¬
deten die künstlerische Ausschmückung, Luftheizungsanlagen machten anch dein
Südländer das rauhe Klima der Donaulande erträglich. Eine Leitung führte
aus der Hügelkette, auf deren nördlichem AbHange Carnuntum lag, Wasser zu
allen Zwecken herbei. Ja die Stadt rühmte sich, wie schon erwähnt, einer starken
schwefelhaltigen Heilquelle, welche neuerdings auch wieder aufgefunden worden ist.
Ihr verdankte einmal ein Procurator der Provinz Sicilien, C. Julius superis,
seine Herstellung, und eigene Kuratoren (eurs-torss tUMwaruw) aus dem Stande
der Augustalen, waren mit der Verwaltung des Heilbades betraut.

Unzweifelhaft haben zu Carnuntum wie anderswo in diesen Landschaften
auch Tempel und andere Heiligthümer bestanden. Aber nur wenig ist davon
bekannt. Fortuna hatte z. B. eine Statue; dem Wald- und Feldgott Silvanus,
welcher in den Ostalpenlanden lebhafter Verehrung sich erfreute, widmete ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/23>, abgerufen am 22.07.2024.