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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Die preußische Stellung zum Vatican.

Der Londoner van/ ^sis^raxll bringt in seiner gestrigen Nummer einen
wichtigen Aufsatz über das obige Thema, den wir durch Gefälligkeit des betref¬
fenden Correspondenten schon heute in deutscher Übertragung mitzutheilen im
Stande sind. Der offenbar vorzüglich unterrichtete Berichterstatter des Blattes
schreibt:

"Hochgestellte Personen in Preußen und anderen deutschen Staaten bemühen
sich um die Beilegung des Culturkampfes. Ich habe von einer zu diesem Zwecke
geführten Correspondenz Kenntniß erhalten und bin in der Lage, ein Bruchstück
eines Schreibens mittheilen zu können, in welchem ein Berliner Politiker den
Standpunkt der preußischen Regierung auseinandersetzt und die eine Schwierig¬
keit bespricht, welche der Realisirung ihrer friedlichen Intentionen entgegensteht.
Das Bruchstück lautet:

Daß in den Unterhandlungen mit Rom Rückschläge früher oder später ein¬
treten würden, darauf war ich durch die Haltung des Centrums vorbereitet. Wir
werden noch mehr Phasen wie die gegenwärtige durchzumachen haben, da die
römischen Prälaten durch ihre mangelhafte Einsicht in die preußischen Verhältnisse
stets verleitet werden, übertriebene Erwartungen zu hegen und ihre Ziele zu hoch
Zu stecken. Wenn man im Vatican geglaubt hat, daß wir nicht bloß abrüsten,
sondern unsere Waffen im Wege der Gesetzgebung vernichten wollten, so hat man
uns eine große Thorheit zugetraut. Der Staatsministerial-Beschluß nimmt aller¬
dings eine sehr wesentliche Modificcition der Mai-Gesetze in Aussicht, wenn er für
die Regierung die Befugniß erstrebt, die Ausführung derselben im Interesse des
Friedens zu unterlassen. Bis jetzt ist die Regierung verpflichtet, sie streng
durchzuführen; wird sie von dieser Verpflichtung entbunden, so kommt sie in die
Lage, die Gesammtheit der betreffenden Gesetze friedlich, freundlich und entgegen¬
kommend handhaben zu können, sobald und solange eine ähnliche Politik von der
Curie beobachtet wird. Die Befürchtung, was dann werden solle, wenn etwa die
Regierung wechselte, ist eine gegenseitige. Was kann uns nicht bedrohen, wenn die
Regierung im Vatican wechselt und wieder ein rümpfender Papst wie Pius IX.


Grenzboten II. 1S80. 29
Die preußische Stellung zum Vatican.

Der Londoner van/ ^sis^raxll bringt in seiner gestrigen Nummer einen
wichtigen Aufsatz über das obige Thema, den wir durch Gefälligkeit des betref¬
fenden Correspondenten schon heute in deutscher Übertragung mitzutheilen im
Stande sind. Der offenbar vorzüglich unterrichtete Berichterstatter des Blattes
schreibt:

„Hochgestellte Personen in Preußen und anderen deutschen Staaten bemühen
sich um die Beilegung des Culturkampfes. Ich habe von einer zu diesem Zwecke
geführten Correspondenz Kenntniß erhalten und bin in der Lage, ein Bruchstück
eines Schreibens mittheilen zu können, in welchem ein Berliner Politiker den
Standpunkt der preußischen Regierung auseinandersetzt und die eine Schwierig¬
keit bespricht, welche der Realisirung ihrer friedlichen Intentionen entgegensteht.
Das Bruchstück lautet:

Daß in den Unterhandlungen mit Rom Rückschläge früher oder später ein¬
treten würden, darauf war ich durch die Haltung des Centrums vorbereitet. Wir
werden noch mehr Phasen wie die gegenwärtige durchzumachen haben, da die
römischen Prälaten durch ihre mangelhafte Einsicht in die preußischen Verhältnisse
stets verleitet werden, übertriebene Erwartungen zu hegen und ihre Ziele zu hoch
Zu stecken. Wenn man im Vatican geglaubt hat, daß wir nicht bloß abrüsten,
sondern unsere Waffen im Wege der Gesetzgebung vernichten wollten, so hat man
uns eine große Thorheit zugetraut. Der Staatsministerial-Beschluß nimmt aller¬
dings eine sehr wesentliche Modificcition der Mai-Gesetze in Aussicht, wenn er für
die Regierung die Befugniß erstrebt, die Ausführung derselben im Interesse des
Friedens zu unterlassen. Bis jetzt ist die Regierung verpflichtet, sie streng
durchzuführen; wird sie von dieser Verpflichtung entbunden, so kommt sie in die
Lage, die Gesammtheit der betreffenden Gesetze friedlich, freundlich und entgegen¬
kommend handhaben zu können, sobald und solange eine ähnliche Politik von der
Curie beobachtet wird. Die Befürchtung, was dann werden solle, wenn etwa die
Regierung wechselte, ist eine gegenseitige. Was kann uns nicht bedrohen, wenn die
Regierung im Vatican wechselt und wieder ein rümpfender Papst wie Pius IX.


Grenzboten II. 1S80. 29
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[0229] Die preußische Stellung zum Vatican. Der Londoner van/ ^sis^raxll bringt in seiner gestrigen Nummer einen wichtigen Aufsatz über das obige Thema, den wir durch Gefälligkeit des betref¬ fenden Correspondenten schon heute in deutscher Übertragung mitzutheilen im Stande sind. Der offenbar vorzüglich unterrichtete Berichterstatter des Blattes schreibt: „Hochgestellte Personen in Preußen und anderen deutschen Staaten bemühen sich um die Beilegung des Culturkampfes. Ich habe von einer zu diesem Zwecke geführten Correspondenz Kenntniß erhalten und bin in der Lage, ein Bruchstück eines Schreibens mittheilen zu können, in welchem ein Berliner Politiker den Standpunkt der preußischen Regierung auseinandersetzt und die eine Schwierig¬ keit bespricht, welche der Realisirung ihrer friedlichen Intentionen entgegensteht. Das Bruchstück lautet: Daß in den Unterhandlungen mit Rom Rückschläge früher oder später ein¬ treten würden, darauf war ich durch die Haltung des Centrums vorbereitet. Wir werden noch mehr Phasen wie die gegenwärtige durchzumachen haben, da die römischen Prälaten durch ihre mangelhafte Einsicht in die preußischen Verhältnisse stets verleitet werden, übertriebene Erwartungen zu hegen und ihre Ziele zu hoch Zu stecken. Wenn man im Vatican geglaubt hat, daß wir nicht bloß abrüsten, sondern unsere Waffen im Wege der Gesetzgebung vernichten wollten, so hat man uns eine große Thorheit zugetraut. Der Staatsministerial-Beschluß nimmt aller¬ dings eine sehr wesentliche Modificcition der Mai-Gesetze in Aussicht, wenn er für die Regierung die Befugniß erstrebt, die Ausführung derselben im Interesse des Friedens zu unterlassen. Bis jetzt ist die Regierung verpflichtet, sie streng durchzuführen; wird sie von dieser Verpflichtung entbunden, so kommt sie in die Lage, die Gesammtheit der betreffenden Gesetze friedlich, freundlich und entgegen¬ kommend handhaben zu können, sobald und solange eine ähnliche Politik von der Curie beobachtet wird. Die Befürchtung, was dann werden solle, wenn etwa die Regierung wechselte, ist eine gegenseitige. Was kann uns nicht bedrohen, wenn die Regierung im Vatican wechselt und wieder ein rümpfender Papst wie Pius IX. Grenzboten II. 1S80. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/229>, abgerufen am 03.07.2024.