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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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dem beweglichen Feldlager der republikanischen Heere hatten sich wie natürlich
zahlreiche Marketender und Händler angeschlossen, die ihren Stand hinter der
Rückseite des Lagers an der xorw äeemnMa, hatten. Aus deu leichten Zelten
und Baracken, den (MaK-w, wurden nun zugleich mit der Anlage der festen
Standlager dauerhaftere Gebäude, aus ihnen erwuchsen allmählich neben den¬
selben oft ansehnliche Ortschaften. Rechtlich freilich bildeten ihre Bewohner
keineswegs eine Gemeinde. Der erste Ansatz zur Bildung einer solchen geschah
erst durch die Ertheilung von Corporationsrechten an die Einwohner der Lager¬
orte im Verlaufe des 1. Jahrhunderts. An der Spitze einer solchen Corpo¬
ration stand anfangs, da sie zum großen Theile ans Veteranen sich zusammen¬
setzte, ein Lur^lor vstManorum, später, seit dem Anfange des 2. Jahrhunderts,
Behörden, welche den städtischen nachgebildet wurden, ohne solche zu fein, nämlich
zwei in^isti-i und ein a-canis. Aber auch die Cvrporationsmitglieder hingen
staatsrechtlich betrachtet noch sozusagen in der Luft, da sie zu keinem Stadtgebiete
gehörten und doch von der Zugehörigkeit zu einer städtischen Gemeinde das
Heimatsrecht (orZZv) und damit das römische Bürgerrecht abhing. Für die¬
jenigen, welche aus einer solchen Gemeinde stammten, hatte dies allerdings keine
prinzipielle Bedeutung, da ihnen auch mit dem Wechsel des Wohnsitzes (äomi-
eUwm) ihr Heimatsrecht nicht verloren gehen konnte, wohl aber für die Nach¬
kommen derselben, sobald sie nicht aus Ehen zwischen Bürgern und Bürgerinnen
entsprossen waren, die doch in den Provinzen gegenüber den massenhaften illegi¬
timen Verbindungen römischer Legionare mit Provinzialismen naturgemäß eine
seltene Ausnahme bildeten. Kaiser Claudius I. legitimirte allerdings die Sprö߬
linge dieser Halbehen ein für allemal dadurch, daß er sie der triws ^villa
zuwies, aber damit wurden sie keineswegs Mitglieder einer bestimmten Gemeinde
und konnten demnach auch nicht zur factischen Ausübung ihres römischen Bürger¬
rechts gelangen. Umsomehr empfahl sich bei der wachsenden Bedeutung der
Lagerorte ihre Verwandlung in wirkliche Stadtgemeinden, die denn auch bei
den meisten im Zeitalter Hadrians und der Antonine erfolgt ist.

Nicht überall haben sich nun diese "Lagerstätte" auf völlig unbebauten
Boden gebildet. Vielmehr schlössen sie sich dort, wo die Festungen in der Nähe
schon bestehender römischer Ansiedlungen entstanden, naturgemäß an diese an.
Doch ändert dies nichts in ihrer rechtlichen Entwicklung. So war es auch in
Carnuntum. Der Grund und Boden, auf welchem das Lager sich erhob, ge¬
hörte ursprünglich nicht zu einem Stadtgebiete, sondern zu dem norischen Gau
der Azalier, der, wie gewöhnlich, unter einem römischen Offizier als xraÄsows
stand und dessen Angehörige noch um die Mitte des 2. Jahrhunderts als Volks¬
genossen kenntlich waren. Einer derselben, der in der 2. Alpencohorte (eoliors
U. L.lxwornm) diente, Vrsws Lrrswronis ülws, kommt 154 n. Chr. inschrist-


Grciizlwtm II, 1880.

dem beweglichen Feldlager der republikanischen Heere hatten sich wie natürlich
zahlreiche Marketender und Händler angeschlossen, die ihren Stand hinter der
Rückseite des Lagers an der xorw äeemnMa, hatten. Aus deu leichten Zelten
und Baracken, den (MaK-w, wurden nun zugleich mit der Anlage der festen
Standlager dauerhaftere Gebäude, aus ihnen erwuchsen allmählich neben den¬
selben oft ansehnliche Ortschaften. Rechtlich freilich bildeten ihre Bewohner
keineswegs eine Gemeinde. Der erste Ansatz zur Bildung einer solchen geschah
erst durch die Ertheilung von Corporationsrechten an die Einwohner der Lager¬
orte im Verlaufe des 1. Jahrhunderts. An der Spitze einer solchen Corpo¬
ration stand anfangs, da sie zum großen Theile ans Veteranen sich zusammen¬
setzte, ein Lur^lor vstManorum, später, seit dem Anfange des 2. Jahrhunderts,
Behörden, welche den städtischen nachgebildet wurden, ohne solche zu fein, nämlich
zwei in^isti-i und ein a-canis. Aber auch die Cvrporationsmitglieder hingen
staatsrechtlich betrachtet noch sozusagen in der Luft, da sie zu keinem Stadtgebiete
gehörten und doch von der Zugehörigkeit zu einer städtischen Gemeinde das
Heimatsrecht (orZZv) und damit das römische Bürgerrecht abhing. Für die¬
jenigen, welche aus einer solchen Gemeinde stammten, hatte dies allerdings keine
prinzipielle Bedeutung, da ihnen auch mit dem Wechsel des Wohnsitzes (äomi-
eUwm) ihr Heimatsrecht nicht verloren gehen konnte, wohl aber für die Nach¬
kommen derselben, sobald sie nicht aus Ehen zwischen Bürgern und Bürgerinnen
entsprossen waren, die doch in den Provinzen gegenüber den massenhaften illegi¬
timen Verbindungen römischer Legionare mit Provinzialismen naturgemäß eine
seltene Ausnahme bildeten. Kaiser Claudius I. legitimirte allerdings die Sprö߬
linge dieser Halbehen ein für allemal dadurch, daß er sie der triws ^villa
zuwies, aber damit wurden sie keineswegs Mitglieder einer bestimmten Gemeinde
und konnten demnach auch nicht zur factischen Ausübung ihres römischen Bürger¬
rechts gelangen. Umsomehr empfahl sich bei der wachsenden Bedeutung der
Lagerorte ihre Verwandlung in wirkliche Stadtgemeinden, die denn auch bei
den meisten im Zeitalter Hadrians und der Antonine erfolgt ist.

Nicht überall haben sich nun diese „Lagerstätte" auf völlig unbebauten
Boden gebildet. Vielmehr schlössen sie sich dort, wo die Festungen in der Nähe
schon bestehender römischer Ansiedlungen entstanden, naturgemäß an diese an.
Doch ändert dies nichts in ihrer rechtlichen Entwicklung. So war es auch in
Carnuntum. Der Grund und Boden, auf welchem das Lager sich erhob, ge¬
hörte ursprünglich nicht zu einem Stadtgebiete, sondern zu dem norischen Gau
der Azalier, der, wie gewöhnlich, unter einem römischen Offizier als xraÄsows
stand und dessen Angehörige noch um die Mitte des 2. Jahrhunderts als Volks¬
genossen kenntlich waren. Einer derselben, der in der 2. Alpencohorte (eoliors
U. L.lxwornm) diente, Vrsws Lrrswronis ülws, kommt 154 n. Chr. inschrist-


Grciizlwtm II, 1880.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/21>, abgerufen am 22.07.2024.