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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Deutschen gehalten hat; von Tegners "Frithjofssage" haben wir etwa 20 Ueber¬
setzungen, und einzelne Partieen daraus hat uns Max Bruchs Composition
besonders nahegerückt; einige von Björnsons Dramen sind auch bei uns gern
gesehene Bühnenstücke geworden; in seinen Bauernnovellen, namentlich der
reizendsten von allen "Synnöve Solbakken", die ganz von demselben eigenthüm¬
lichen nordischen Geiste durchweht ist, wie die "Erzählungen" (Sagas) aus dem
skandinavischen Alterthume, haben wir bewunderte Gegenstücke zu Auerbachs
Dorfgeschichten. Auch giebt es ja bei uns Schriften, die einzelne Abschnitte der
skandinavischen Literaturgeschichte behandeln. Aber was die oben genannten
Dichter und Schriftsteller außer den uns bekannt gewordenen Schriften geschrieben
haben, wie sie sich zu einander stellen, wer außer ihnen und mit ihnen literarisch
thätig gewesen ist, welch reges geistiges Leben im Norden geherrscht hat und
noch herrscht, welche große Anzahl von Männern, die an der geistigen und sittlichen
Hebung ihrer Landsleute gearbeitet haben, die Literaturgeschichte der an Menschen¬
zahl doch so schwachen skandinavischen Stämme aufzuweisen hat, von welcher
Art die geistige Verwandtschaft zwischen Dänen, Schweden, Norwegern und
Jsländern unter einander einerseits und mit den übrigen germanischen Stämmen
andrerseits ist, welche Einflüsse von außen her, von Deutschland insbesondere,
aber auch von Frankreich stattgefunden, welche geistige Strömungen zu ver¬
schiedenen Zeiten das Leben der Nordländer durchdrungen haben, kurz, wie das
geistige Leben sich im germanischen Norden allmählich entwickelt hat, das alles
im Zusammenhange war bisher wohl in skandinavischen Werken behandelt, aber
diese waren bei uns höchstens den Germanisten und wenigen Literarhistorikern
bekannt; ein Buch in deutscher Sprache und für weitere Kreise berechnet, das
den gleichen Zweck verfolgt, wie die skandinavisch geschriebenen Literaturgeschichten,
wird uns gegenwärtig zum ersten Male geboten.

Ein dänischer Schriftsteller ist es, Frederik Winkel Horn in Kopen¬
hagen, der sich dieser anerkennenswerther Arbeit unterzogen hat in seiner jüngst
erschienenen Geschichte der Literatur des skandinavischen Nordens
von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (Leipzig, B. Schlicke, 1880).
Und wenn sein Werk auch von Vollkommenheit entfernt ist, wenn es zunächst
auch nur den einfachsten Ansprüchen Genüge leistet, so ist es doch ein höchst
dankenswerthes, und wie der Verfasser dieser Zeilen, ein Freund der Skaudinaven
und ein Verehrer ihrer Literatur, das Buch bei seinem Erscheinen mit Freuden
begrüßt und mit Wohlgefallen gelesen hat, so empfiehlt er auch die Lectüre
des Werkes den Lesern d. Bl. aufs angelegentlichste.

Das Wort, mit welchem Horn sein Buch abschließt: "Schweden kann mit
Stolz zurückblicken auf das, was es in der Welt des Geistes ausgerichtet",
läßt sich mit vollem Rechte auf den ganzen skandinavischen Norden ausdehnen.


Deutschen gehalten hat; von Tegners „Frithjofssage" haben wir etwa 20 Ueber¬
setzungen, und einzelne Partieen daraus hat uns Max Bruchs Composition
besonders nahegerückt; einige von Björnsons Dramen sind auch bei uns gern
gesehene Bühnenstücke geworden; in seinen Bauernnovellen, namentlich der
reizendsten von allen „Synnöve Solbakken", die ganz von demselben eigenthüm¬
lichen nordischen Geiste durchweht ist, wie die „Erzählungen" (Sagas) aus dem
skandinavischen Alterthume, haben wir bewunderte Gegenstücke zu Auerbachs
Dorfgeschichten. Auch giebt es ja bei uns Schriften, die einzelne Abschnitte der
skandinavischen Literaturgeschichte behandeln. Aber was die oben genannten
Dichter und Schriftsteller außer den uns bekannt gewordenen Schriften geschrieben
haben, wie sie sich zu einander stellen, wer außer ihnen und mit ihnen literarisch
thätig gewesen ist, welch reges geistiges Leben im Norden geherrscht hat und
noch herrscht, welche große Anzahl von Männern, die an der geistigen und sittlichen
Hebung ihrer Landsleute gearbeitet haben, die Literaturgeschichte der an Menschen¬
zahl doch so schwachen skandinavischen Stämme aufzuweisen hat, von welcher
Art die geistige Verwandtschaft zwischen Dänen, Schweden, Norwegern und
Jsländern unter einander einerseits und mit den übrigen germanischen Stämmen
andrerseits ist, welche Einflüsse von außen her, von Deutschland insbesondere,
aber auch von Frankreich stattgefunden, welche geistige Strömungen zu ver¬
schiedenen Zeiten das Leben der Nordländer durchdrungen haben, kurz, wie das
geistige Leben sich im germanischen Norden allmählich entwickelt hat, das alles
im Zusammenhange war bisher wohl in skandinavischen Werken behandelt, aber
diese waren bei uns höchstens den Germanisten und wenigen Literarhistorikern
bekannt; ein Buch in deutscher Sprache und für weitere Kreise berechnet, das
den gleichen Zweck verfolgt, wie die skandinavisch geschriebenen Literaturgeschichten,
wird uns gegenwärtig zum ersten Male geboten.

Ein dänischer Schriftsteller ist es, Frederik Winkel Horn in Kopen¬
hagen, der sich dieser anerkennenswerther Arbeit unterzogen hat in seiner jüngst
erschienenen Geschichte der Literatur des skandinavischen Nordens
von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (Leipzig, B. Schlicke, 1880).
Und wenn sein Werk auch von Vollkommenheit entfernt ist, wenn es zunächst
auch nur den einfachsten Ansprüchen Genüge leistet, so ist es doch ein höchst
dankenswerthes, und wie der Verfasser dieser Zeilen, ein Freund der Skaudinaven
und ein Verehrer ihrer Literatur, das Buch bei seinem Erscheinen mit Freuden
begrüßt und mit Wohlgefallen gelesen hat, so empfiehlt er auch die Lectüre
des Werkes den Lesern d. Bl. aufs angelegentlichste.

Das Wort, mit welchem Horn sein Buch abschließt: „Schweden kann mit
Stolz zurückblicken auf das, was es in der Welt des Geistes ausgerichtet",
läßt sich mit vollem Rechte auf den ganzen skandinavischen Norden ausdehnen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/199>, abgerufen am 22.07.2024.