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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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wie jener, ist ein dem 3. Jahrhundert angehörendes gut gearbeitetes Hochrelief
aus Sandstein geweiht, welches den Gott in der üblichen Weise darstellt: das
lockige und bärtige Haupt mit der phrygischen Mütze bedeckt, der Körper bekleidet
mit Aermelchiton und umgeworfener Chlamys, in dem rechten Arme die Doppel¬
axt haltend, in der Linke,:, die anf das Knie sich stützt, den Blitz, während das
linke Bein anf einen liegenden Stier sich stemmt. Einen andern Altar, dessen
Widmungsinschrift verstümmelt ist, hat L. Vitalis, der Reitknecht (strator) des
Legaten der 14. Legion, im 3. Jahrhundert geweiht. Jahrhunderte laug sind
diese Anlagen im Gebrauch geblieben und mögen Tausenden von tapferen Kriegern
die Gesundheit gestärkt oder wiedergegeben haben. Denn die Münzen, welche
uicht selten in den Ruinen zu Tage kommen, gehen herab bis in die zweite
Hälfte des 4. Jahrhunderts, also bis in die Zeit, wo die Wogen der Völker¬
wanderung zerstörend über den Landen an der Donaugrenze zusammenschlugen.

Rief das leibliche Bedürfniß der Truppen diese Thermen ins Leben, so hat
der eigenthümliche militärische Geist, der sich dnrch einen gewissen sittlichen Ernst,
wie ihn die beständige Wacht vor dem Feinde entwickelte, gar sehr von der
Frivolität der größeren Städte unterschied, die Aufnahme und Pflege eines
Cultus begünstigt, der, obwohl fremden orientalischen Ursprungs, doch dem
spätrömischen Svldatenthume deu besten sittlichen Halt dargeboten zu haben
scheint. Dies ist die Verehrung des iranischen Lichtgottes Mithras, welche durch
den Eintritt von Orientalen in die Legionen und noch mehr vielleicht durch
den lebhaften Verkehr mit dem Orient besonders in die Donauprovinzen, diese
Durchgangs- und Verbindungsländer zwischen Abend- und Morgenland, verpflanzt
worden ist. Ein strenger düsterer Glaube mit furchtbarer Askese und geheimni߬
vollen Weihen, wurde dieser Cultus allmählich recht eigentlich zur Soldaten¬
religion des römischen Kaiserreichs und deshalb von den Imperatoren ganz
besonders begünstigt. So sind seine Heiligthümer denn auch vorwiegend in der
Nähe großer Standlager zu finden. Zu ihnen gehört auch das Mithräum von
Carnuntum. Nördlich von Deutsch - Altenburg an einem steilabfallenden Hügel
gegenüber von Stvpfeureut kam im Mai 1853 unter einer Schuttanhäufuug
von Dammerde und gelblichem Alluvium die Grotte zu Tage, oben offen, in
Wesentlichen gebildet von den aufragenden Felsen; nur da, wo diese Lücken
^sser, sind Ziegel oder Quadern eingesetzt. So bildet sie einen nach Westen
geöffneten Halbkreis, der vorn durch eine Mauer abgeschlossen ist, im Hinter¬
grunde aber das gewöhnliche Mithrasrelief enthält: der Gott in Jünglingsgestalt,
das Haupt mit der phrygischen Mütze bedeckt, kniet im fliegenden Mantel auf
einem niedergesunkenen Stier Zünd stößt ihm das Schwert in den Nacken.
Schon die 15. Legion hat dies Heiligthum hergerichtet, wie auch von einem
Centurio derselben die älteste Widmung herrührt; die 14. hat dann zu ver-


wie jener, ist ein dem 3. Jahrhundert angehörendes gut gearbeitetes Hochrelief
aus Sandstein geweiht, welches den Gott in der üblichen Weise darstellt: das
lockige und bärtige Haupt mit der phrygischen Mütze bedeckt, der Körper bekleidet
mit Aermelchiton und umgeworfener Chlamys, in dem rechten Arme die Doppel¬
axt haltend, in der Linke,:, die anf das Knie sich stützt, den Blitz, während das
linke Bein anf einen liegenden Stier sich stemmt. Einen andern Altar, dessen
Widmungsinschrift verstümmelt ist, hat L. Vitalis, der Reitknecht (strator) des
Legaten der 14. Legion, im 3. Jahrhundert geweiht. Jahrhunderte laug sind
diese Anlagen im Gebrauch geblieben und mögen Tausenden von tapferen Kriegern
die Gesundheit gestärkt oder wiedergegeben haben. Denn die Münzen, welche
uicht selten in den Ruinen zu Tage kommen, gehen herab bis in die zweite
Hälfte des 4. Jahrhunderts, also bis in die Zeit, wo die Wogen der Völker¬
wanderung zerstörend über den Landen an der Donaugrenze zusammenschlugen.

Rief das leibliche Bedürfniß der Truppen diese Thermen ins Leben, so hat
der eigenthümliche militärische Geist, der sich dnrch einen gewissen sittlichen Ernst,
wie ihn die beständige Wacht vor dem Feinde entwickelte, gar sehr von der
Frivolität der größeren Städte unterschied, die Aufnahme und Pflege eines
Cultus begünstigt, der, obwohl fremden orientalischen Ursprungs, doch dem
spätrömischen Svldatenthume deu besten sittlichen Halt dargeboten zu haben
scheint. Dies ist die Verehrung des iranischen Lichtgottes Mithras, welche durch
den Eintritt von Orientalen in die Legionen und noch mehr vielleicht durch
den lebhaften Verkehr mit dem Orient besonders in die Donauprovinzen, diese
Durchgangs- und Verbindungsländer zwischen Abend- und Morgenland, verpflanzt
worden ist. Ein strenger düsterer Glaube mit furchtbarer Askese und geheimni߬
vollen Weihen, wurde dieser Cultus allmählich recht eigentlich zur Soldaten¬
religion des römischen Kaiserreichs und deshalb von den Imperatoren ganz
besonders begünstigt. So sind seine Heiligthümer denn auch vorwiegend in der
Nähe großer Standlager zu finden. Zu ihnen gehört auch das Mithräum von
Carnuntum. Nördlich von Deutsch - Altenburg an einem steilabfallenden Hügel
gegenüber von Stvpfeureut kam im Mai 1853 unter einer Schuttanhäufuug
von Dammerde und gelblichem Alluvium die Grotte zu Tage, oben offen, in
Wesentlichen gebildet von den aufragenden Felsen; nur da, wo diese Lücken
^sser, sind Ziegel oder Quadern eingesetzt. So bildet sie einen nach Westen
geöffneten Halbkreis, der vorn durch eine Mauer abgeschlossen ist, im Hinter¬
grunde aber das gewöhnliche Mithrasrelief enthält: der Gott in Jünglingsgestalt,
das Haupt mit der phrygischen Mütze bedeckt, kniet im fliegenden Mantel auf
einem niedergesunkenen Stier Zünd stößt ihm das Schwert in den Nacken.
Schon die 15. Legion hat dies Heiligthum hergerichtet, wie auch von einem
Centurio derselben die älteste Widmung herrührt; die 14. hat dann zu ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/19>, abgerufen am 22.07.2024.