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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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im Rücken der Donauarmee die Pannonier und Dalmatiner sich erhoben und erst
nach langwierigem, verlustvvllem Ringen bewältigt werden konnten (6--9 n. Ch.),
aber die Römer ließen Carnuntum nicht mehr aus den Augen. Zwar erhielt es
zunächst keine Besatzung, wie überhaupt das gestimmte "Königreich Noricum",
zu dem der Ort bis zur Zeit der Flavischen Dynastie gehörte, nicht als eigent¬
liche Provinz, sondern als Krongut des Kaisers verwaltet wurde und deshalb
auch keine Legionen im Lande standen. Als aber Vespasian, der erste tüchtige
Feldherr, der nach Tiberius den Thron des Weltreiches bestieg (69--79), die
Donaugrenze schärfer ins Auge faßte, vereinigte er den Strich zwischen Wiener
Wald und Leitha mit der Provinz Pannonien und schob zwei Legionen, die
13. und die 15. Apollinarische, an diesen Theil der Donau vor. Für sie und
durch sie entstanden auf dieser kurzen Strecke zwei mächtige Standlager, für
jene das von Vindobona (Wien), für diese das von Carnuntum. Eine große
Militärstraße, in ihrem südlichen Theile bereits unter Claudius gebaut, setzte
sie südwärts über Scarbantia (Oedenburg) und Steinamanger (Savaria) mit
Pontovio (Pettau an der Drave) in sichere Verbindung, und die beiden Forts
von ^ novÄ (Schwechat) und ^ränoetlun (Fischamend) verknüpfte,: sie
unter einander. In der That bedürfte es an dieser Strecke zwischen dem Wiener
Walde und der Marchmündung einer ganz besondern starken Grenze. Jenseits
bot das weite Marchfeld einem feindlichen Heere den bequemsten Sammelplatz,
und wiederum das Thal der March für eine römische Angriffsbewegung die
zugänglichste Straße ins Innere Mährens. Bildeten die beiden Lager zunächst
vorgeschobene Posten, so wurden sie seit Trajan (98--117) und Hadrian (117
bis 138), welche die ganze Donaulinie in Vertheidigungszustand setzten, zwei Glieder
einer ungeheueren Kette von Festungswerken, die vom Wiener Wald bis nach
Belgrad reichte, und in den vier festen Lagern von Vindobona, Carnuntum, Brigetio
V Szöny gegenüber Comorn) und Aquincum (Alt-Ofen) ihre stärksten Punkte
besaß. Zugleich ließ Trajan die große Donaustraße ausbauen, "auf welcher
mein vom Pontus leicht nach Gallien gelangte", ein riesiges Werk, das eine
Verkehrslinie darstellte, wie sie erst in der Gegenwart wieder ihrer Verwirklichung
mit moderneren Mitteln entgegengeht. Oberhalb Wiens bis zum Jnn lagen
damals nur ein paar schwache Abtheilungen von Auxiliartruppen in den kleinen
Standlagern von Trigisamum (Traismauer an der Traisenmündung) und
Lacus Felicis (Mauer bei Oehling an der Art). Erst M. Aurel (161-180),
durch die furchtbaren Erfahrungen des Markomannenkrieges belehrt, verwandelte
das "Königreich" Noricum in eine Provinz unter der Verwaltung eines kaiser¬
lichen Militärgouverneurs (Is^of xro xrastorö) und errichtete für die umge¬
bildete 2. italische Legion das neue große Standlager bei Lauriaenm (Enns),
das nun durch eine Kette von kleineren Forts mit Vindobona einerseits, Castra


im Rücken der Donauarmee die Pannonier und Dalmatiner sich erhoben und erst
nach langwierigem, verlustvvllem Ringen bewältigt werden konnten (6—9 n. Ch.),
aber die Römer ließen Carnuntum nicht mehr aus den Augen. Zwar erhielt es
zunächst keine Besatzung, wie überhaupt das gestimmte „Königreich Noricum",
zu dem der Ort bis zur Zeit der Flavischen Dynastie gehörte, nicht als eigent¬
liche Provinz, sondern als Krongut des Kaisers verwaltet wurde und deshalb
auch keine Legionen im Lande standen. Als aber Vespasian, der erste tüchtige
Feldherr, der nach Tiberius den Thron des Weltreiches bestieg (69—79), die
Donaugrenze schärfer ins Auge faßte, vereinigte er den Strich zwischen Wiener
Wald und Leitha mit der Provinz Pannonien und schob zwei Legionen, die
13. und die 15. Apollinarische, an diesen Theil der Donau vor. Für sie und
durch sie entstanden auf dieser kurzen Strecke zwei mächtige Standlager, für
jene das von Vindobona (Wien), für diese das von Carnuntum. Eine große
Militärstraße, in ihrem südlichen Theile bereits unter Claudius gebaut, setzte
sie südwärts über Scarbantia (Oedenburg) und Steinamanger (Savaria) mit
Pontovio (Pettau an der Drave) in sichere Verbindung, und die beiden Forts
von ^ novÄ (Schwechat) und ^ränoetlun (Fischamend) verknüpfte,: sie
unter einander. In der That bedürfte es an dieser Strecke zwischen dem Wiener
Walde und der Marchmündung einer ganz besondern starken Grenze. Jenseits
bot das weite Marchfeld einem feindlichen Heere den bequemsten Sammelplatz,
und wiederum das Thal der March für eine römische Angriffsbewegung die
zugänglichste Straße ins Innere Mährens. Bildeten die beiden Lager zunächst
vorgeschobene Posten, so wurden sie seit Trajan (98—117) und Hadrian (117
bis 138), welche die ganze Donaulinie in Vertheidigungszustand setzten, zwei Glieder
einer ungeheueren Kette von Festungswerken, die vom Wiener Wald bis nach
Belgrad reichte, und in den vier festen Lagern von Vindobona, Carnuntum, Brigetio
V Szöny gegenüber Comorn) und Aquincum (Alt-Ofen) ihre stärksten Punkte
besaß. Zugleich ließ Trajan die große Donaustraße ausbauen, „auf welcher
mein vom Pontus leicht nach Gallien gelangte", ein riesiges Werk, das eine
Verkehrslinie darstellte, wie sie erst in der Gegenwart wieder ihrer Verwirklichung
mit moderneren Mitteln entgegengeht. Oberhalb Wiens bis zum Jnn lagen
damals nur ein paar schwache Abtheilungen von Auxiliartruppen in den kleinen
Standlagern von Trigisamum (Traismauer an der Traisenmündung) und
Lacus Felicis (Mauer bei Oehling an der Art). Erst M. Aurel (161-180),
durch die furchtbaren Erfahrungen des Markomannenkrieges belehrt, verwandelte
das „Königreich" Noricum in eine Provinz unter der Verwaltung eines kaiser¬
lichen Militärgouverneurs (Is^of xro xrastorö) und errichtete für die umge¬
bildete 2. italische Legion das neue große Standlager bei Lauriaenm (Enns),
das nun durch eine Kette von kleineren Forts mit Vindobona einerseits, Castra


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/15>, abgerufen am 22.07.2024.