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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Capital jahraus jahrein aus den wohlhabenderen Ländern Europas zur Anlage
ins Ausland wandert. Doch wäre es keineswegs undenkbar, daß die Summen,
welche zu diesem Zwecke namentlich aus England, wo ja die ganze Welt zum
Borgen zusammenströmt, hinausfließen, dem, was an Zahlung von Zinsen und
Rückerstattung von Darlehen hereingeht oder hereingehen sollte, nahe oder gleich
käme oder es am Ende gar mitunter überträfe. Indessen ein näheres Eingehen
auf diese Dinge ist für unseren Zweck auch nicht nothwendig; es genügt auf
die bedeutsame Rolle hingewiesen zu haben, welche die Ausfuhr, bez. Einfuhr
von Waaren als Zahlungsmittel für internationale Capitalübertragungen spielt.
Es kommt also hier zu den vielen Unbekannten, die in den Ziffern der Auf-
und Einfuhrlisten enthalten sind, noch ein dickes x hinzu. Und es ist einleuch¬
tend, daß, so lange wir nicht wissen, wie viel Capital ein Volk aus Gründen,
die mit der regulären Handelsbewegung nichts zu thun haben, ins Ausland
geschickt hat, und in welcher Form dies geschehen ist, ob in Werthpapieren,
Metall oder Waaren, schon allein aus diesem Grunde, ganz abgesehen von allen
anderen, jede auf Grund der Handelsbilanzen angestellte Berechnung bezüglich
des Exports und Imports von Gold und Silber völlig in der Luft steht.

Fassen wir die Ergebnisse unserer Erörterungen noch einmal kurz zusammen,
so ist zunächst festzustellen, daß die Schlüsse, die man aus den Handelsbilanzen
in früheren Zeiten allgemein zu ziehe" pflegte und auch jetzt noch in weiten
Kreisen sehr häufig zieht, und deren wesentlicher Inhalt schon mit der Benen¬
nung "günstig" und "ungünstig" ausgedrückt werden soll, nicht den Schatten einer
Berechtigung haben. Es ist ebensowenig Ursache vorhanden, wegen "günstiger"
Handelsbilanzen patriotisches Vergnügen zu empfinden, als sich wegen "ungün¬
stiger" zu grämen. Die Handelsbilanzen geben überhaupt in der Art und Weise,
wie sie dem Publikum geboten werden, sehr wenig Anhaltepunkte, um irgend
welche Schlüsse zu ziehen. Will man aber durchaus etwas daraus schließen,
so wird man selten fehlgehen, wenn man sagt: Günstige Handelsbilan¬
zen sind ein Zeichen, daß ein Volk große Zahlungen an das Aus¬
land geleistet hat; ungünstige Handelsbilanzen dagegen be¬
weisen, daß die Kaufleute des betreffenden Landes und über¬
haupt alle einheimischen Personen, die sich am auswärtigen
Handel activ betheiligt, mit Glück und Geschick gearbeitet haben.


Adolf Buff.


Capital jahraus jahrein aus den wohlhabenderen Ländern Europas zur Anlage
ins Ausland wandert. Doch wäre es keineswegs undenkbar, daß die Summen,
welche zu diesem Zwecke namentlich aus England, wo ja die ganze Welt zum
Borgen zusammenströmt, hinausfließen, dem, was an Zahlung von Zinsen und
Rückerstattung von Darlehen hereingeht oder hereingehen sollte, nahe oder gleich
käme oder es am Ende gar mitunter überträfe. Indessen ein näheres Eingehen
auf diese Dinge ist für unseren Zweck auch nicht nothwendig; es genügt auf
die bedeutsame Rolle hingewiesen zu haben, welche die Ausfuhr, bez. Einfuhr
von Waaren als Zahlungsmittel für internationale Capitalübertragungen spielt.
Es kommt also hier zu den vielen Unbekannten, die in den Ziffern der Auf-
und Einfuhrlisten enthalten sind, noch ein dickes x hinzu. Und es ist einleuch¬
tend, daß, so lange wir nicht wissen, wie viel Capital ein Volk aus Gründen,
die mit der regulären Handelsbewegung nichts zu thun haben, ins Ausland
geschickt hat, und in welcher Form dies geschehen ist, ob in Werthpapieren,
Metall oder Waaren, schon allein aus diesem Grunde, ganz abgesehen von allen
anderen, jede auf Grund der Handelsbilanzen angestellte Berechnung bezüglich
des Exports und Imports von Gold und Silber völlig in der Luft steht.

Fassen wir die Ergebnisse unserer Erörterungen noch einmal kurz zusammen,
so ist zunächst festzustellen, daß die Schlüsse, die man aus den Handelsbilanzen
in früheren Zeiten allgemein zu ziehe» pflegte und auch jetzt noch in weiten
Kreisen sehr häufig zieht, und deren wesentlicher Inhalt schon mit der Benen¬
nung „günstig" und „ungünstig" ausgedrückt werden soll, nicht den Schatten einer
Berechtigung haben. Es ist ebensowenig Ursache vorhanden, wegen „günstiger"
Handelsbilanzen patriotisches Vergnügen zu empfinden, als sich wegen „ungün¬
stiger" zu grämen. Die Handelsbilanzen geben überhaupt in der Art und Weise,
wie sie dem Publikum geboten werden, sehr wenig Anhaltepunkte, um irgend
welche Schlüsse zu ziehen. Will man aber durchaus etwas daraus schließen,
so wird man selten fehlgehen, wenn man sagt: Günstige Handelsbilan¬
zen sind ein Zeichen, daß ein Volk große Zahlungen an das Aus¬
land geleistet hat; ungünstige Handelsbilanzen dagegen be¬
weisen, daß die Kaufleute des betreffenden Landes und über¬
haupt alle einheimischen Personen, die sich am auswärtigen
Handel activ betheiligt, mit Glück und Geschick gearbeitet haben.


Adolf Buff.


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[0145] Capital jahraus jahrein aus den wohlhabenderen Ländern Europas zur Anlage ins Ausland wandert. Doch wäre es keineswegs undenkbar, daß die Summen, welche zu diesem Zwecke namentlich aus England, wo ja die ganze Welt zum Borgen zusammenströmt, hinausfließen, dem, was an Zahlung von Zinsen und Rückerstattung von Darlehen hereingeht oder hereingehen sollte, nahe oder gleich käme oder es am Ende gar mitunter überträfe. Indessen ein näheres Eingehen auf diese Dinge ist für unseren Zweck auch nicht nothwendig; es genügt auf die bedeutsame Rolle hingewiesen zu haben, welche die Ausfuhr, bez. Einfuhr von Waaren als Zahlungsmittel für internationale Capitalübertragungen spielt. Es kommt also hier zu den vielen Unbekannten, die in den Ziffern der Auf- und Einfuhrlisten enthalten sind, noch ein dickes x hinzu. Und es ist einleuch¬ tend, daß, so lange wir nicht wissen, wie viel Capital ein Volk aus Gründen, die mit der regulären Handelsbewegung nichts zu thun haben, ins Ausland geschickt hat, und in welcher Form dies geschehen ist, ob in Werthpapieren, Metall oder Waaren, schon allein aus diesem Grunde, ganz abgesehen von allen anderen, jede auf Grund der Handelsbilanzen angestellte Berechnung bezüglich des Exports und Imports von Gold und Silber völlig in der Luft steht. Fassen wir die Ergebnisse unserer Erörterungen noch einmal kurz zusammen, so ist zunächst festzustellen, daß die Schlüsse, die man aus den Handelsbilanzen in früheren Zeiten allgemein zu ziehe» pflegte und auch jetzt noch in weiten Kreisen sehr häufig zieht, und deren wesentlicher Inhalt schon mit der Benen¬ nung „günstig" und „ungünstig" ausgedrückt werden soll, nicht den Schatten einer Berechtigung haben. Es ist ebensowenig Ursache vorhanden, wegen „günstiger" Handelsbilanzen patriotisches Vergnügen zu empfinden, als sich wegen „ungün¬ stiger" zu grämen. Die Handelsbilanzen geben überhaupt in der Art und Weise, wie sie dem Publikum geboten werden, sehr wenig Anhaltepunkte, um irgend welche Schlüsse zu ziehen. Will man aber durchaus etwas daraus schließen, so wird man selten fehlgehen, wenn man sagt: Günstige Handelsbilan¬ zen sind ein Zeichen, daß ein Volk große Zahlungen an das Aus¬ land geleistet hat; ungünstige Handelsbilanzen dagegen be¬ weisen, daß die Kaufleute des betreffenden Landes und über¬ haupt alle einheimischen Personen, die sich am auswärtigen Handel activ betheiligt, mit Glück und Geschick gearbeitet haben. Adolf Buff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/145>, abgerufen am 22.07.2024.