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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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für die Prachtausgabe überarbeiten zu müssen, und dabei hat er sie verdorben.
Die frische, einfache und natürliche Darstellung, durch die sie in ihrer ersten
Form ansprachen, hat er -- in der wunderlichen Einbildung, sie dem pracht¬
vollen äußern Gewände anpassen zu müssen -- beseitigt und eine gespreizte, affectirte
Diction an ihre Stelle gesetzt, die die unverkennbare Vorstufe zu dem ganz in
Manierirtheit aufgehenden Texte des vorliegenden Werkes ist.

Zu dieser künstlerischen Decadence aber gesellt sich leider noch eine schlimmere.
Der Verfasser hat sich entblödet, in dem von der Verlagsbuchhandlung aus¬
gegebenen Prospecte höchst eigenhändig sich selbst und dem ihm befreundeten
Künstler, der die Illustrationen geliefert, Weihrauch zu streuen. Er schreibt wörtlich:

"Zwei gleichbegabte, für Poesie und Kunst hoch empfängliche Freunde haben
es mit Glück verstanden, in einem mit Wort und Bild reich geschmückten Werke
dem Leser einen weitausgedehnter Blick in dieses Land jenseits der Pyrenäen thun
zu lassen! Es hat sich der Erzähler mit dem Künstler auf eine glückliche Art im
heutigen Spanien zusammengefunden. Mit lebensvoller Frische und Auffassungs¬
gabe, mit feinstem Gefühl*) für Kunst, Cultur, Menschheit und Sitte haben es der
Verfasser und feurige Erzähler und sein treuer Begleiter, der geniale Maler, ver¬
standen, den Zauber Spaniens und seine alten, wie modernen Schönheiten aufzu¬
decken und dem Leser in Bildern voll des Lebens, voll der Wahrheit, aus denen
eigenes Entzücken und ein erwärmender poetischer Hauch uns auf jedem Blatte
entgegenweht, vorzuführen."

Aber dieser Prospect' ist doch von der Verlagshandlung unterzeichnet. Wie
können wir so dreist sein, zu behaupten, daß sie ihn nicht verfaßt habe? Nun,
wem die eben mitgetheilten Zeilen noch nicht genügen, der lese den Prospect
ganz und vergleiche ihn mit dem Texte der ersten Lieferung, und dann sage er
uns, wer auf der Welt sonst dieses Elaborat geschrieben haben soll, als Theodor
Simons! --

Wir würden das neue "Prachtwerk" über Spanien nicht einer so genauen
Analyse unterzogen haben, wenn es uns nicht darauf angekommen wäre, an
einem Specimen der ganzen Gattung einmal ein Exempel zu statuiren. In
der Prachtwerkliteratur, die seit der Gründerzeit bei uns grassirt, wird eine
wahrhaft frivole Verschwendung getrieben. Während die besten wissenschaftlichen
und populärwissenschaftlichen Werke, während die Texte unsrer Classiker sich
noch heutigen Tages oft mit dem armseligsten Kleide begnügen müssen, erscheinen
in diesen "Prachtwerken" oft die werth- und geschmacklosesten schriftstellerischen
Leistungen in der arrogantesten typographischen Ausstattung. Und wer ist es,
der schließlich auf diese Literatur, wie man zu sagen Pflegt, "hereinfällt"? Nur



") Ja, wenn's mit dem "Gefühl" gethan Ware! -- Kenntnisse, Kenntmsscl

für die Prachtausgabe überarbeiten zu müssen, und dabei hat er sie verdorben.
Die frische, einfache und natürliche Darstellung, durch die sie in ihrer ersten
Form ansprachen, hat er — in der wunderlichen Einbildung, sie dem pracht¬
vollen äußern Gewände anpassen zu müssen — beseitigt und eine gespreizte, affectirte
Diction an ihre Stelle gesetzt, die die unverkennbare Vorstufe zu dem ganz in
Manierirtheit aufgehenden Texte des vorliegenden Werkes ist.

Zu dieser künstlerischen Decadence aber gesellt sich leider noch eine schlimmere.
Der Verfasser hat sich entblödet, in dem von der Verlagsbuchhandlung aus¬
gegebenen Prospecte höchst eigenhändig sich selbst und dem ihm befreundeten
Künstler, der die Illustrationen geliefert, Weihrauch zu streuen. Er schreibt wörtlich:

„Zwei gleichbegabte, für Poesie und Kunst hoch empfängliche Freunde haben
es mit Glück verstanden, in einem mit Wort und Bild reich geschmückten Werke
dem Leser einen weitausgedehnter Blick in dieses Land jenseits der Pyrenäen thun
zu lassen! Es hat sich der Erzähler mit dem Künstler auf eine glückliche Art im
heutigen Spanien zusammengefunden. Mit lebensvoller Frische und Auffassungs¬
gabe, mit feinstem Gefühl*) für Kunst, Cultur, Menschheit und Sitte haben es der
Verfasser und feurige Erzähler und sein treuer Begleiter, der geniale Maler, ver¬
standen, den Zauber Spaniens und seine alten, wie modernen Schönheiten aufzu¬
decken und dem Leser in Bildern voll des Lebens, voll der Wahrheit, aus denen
eigenes Entzücken und ein erwärmender poetischer Hauch uns auf jedem Blatte
entgegenweht, vorzuführen."

Aber dieser Prospect' ist doch von der Verlagshandlung unterzeichnet. Wie
können wir so dreist sein, zu behaupten, daß sie ihn nicht verfaßt habe? Nun,
wem die eben mitgetheilten Zeilen noch nicht genügen, der lese den Prospect
ganz und vergleiche ihn mit dem Texte der ersten Lieferung, und dann sage er
uns, wer auf der Welt sonst dieses Elaborat geschrieben haben soll, als Theodor
Simons! —

Wir würden das neue „Prachtwerk" über Spanien nicht einer so genauen
Analyse unterzogen haben, wenn es uns nicht darauf angekommen wäre, an
einem Specimen der ganzen Gattung einmal ein Exempel zu statuiren. In
der Prachtwerkliteratur, die seit der Gründerzeit bei uns grassirt, wird eine
wahrhaft frivole Verschwendung getrieben. Während die besten wissenschaftlichen
und populärwissenschaftlichen Werke, während die Texte unsrer Classiker sich
noch heutigen Tages oft mit dem armseligsten Kleide begnügen müssen, erscheinen
in diesen „Prachtwerken" oft die werth- und geschmacklosesten schriftstellerischen
Leistungen in der arrogantesten typographischen Ausstattung. Und wer ist es,
der schließlich auf diese Literatur, wie man zu sagen Pflegt, „hereinfällt"? Nur



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[0127] für die Prachtausgabe überarbeiten zu müssen, und dabei hat er sie verdorben. Die frische, einfache und natürliche Darstellung, durch die sie in ihrer ersten Form ansprachen, hat er — in der wunderlichen Einbildung, sie dem pracht¬ vollen äußern Gewände anpassen zu müssen — beseitigt und eine gespreizte, affectirte Diction an ihre Stelle gesetzt, die die unverkennbare Vorstufe zu dem ganz in Manierirtheit aufgehenden Texte des vorliegenden Werkes ist. Zu dieser künstlerischen Decadence aber gesellt sich leider noch eine schlimmere. Der Verfasser hat sich entblödet, in dem von der Verlagsbuchhandlung aus¬ gegebenen Prospecte höchst eigenhändig sich selbst und dem ihm befreundeten Künstler, der die Illustrationen geliefert, Weihrauch zu streuen. Er schreibt wörtlich: „Zwei gleichbegabte, für Poesie und Kunst hoch empfängliche Freunde haben es mit Glück verstanden, in einem mit Wort und Bild reich geschmückten Werke dem Leser einen weitausgedehnter Blick in dieses Land jenseits der Pyrenäen thun zu lassen! Es hat sich der Erzähler mit dem Künstler auf eine glückliche Art im heutigen Spanien zusammengefunden. Mit lebensvoller Frische und Auffassungs¬ gabe, mit feinstem Gefühl*) für Kunst, Cultur, Menschheit und Sitte haben es der Verfasser und feurige Erzähler und sein treuer Begleiter, der geniale Maler, ver¬ standen, den Zauber Spaniens und seine alten, wie modernen Schönheiten aufzu¬ decken und dem Leser in Bildern voll des Lebens, voll der Wahrheit, aus denen eigenes Entzücken und ein erwärmender poetischer Hauch uns auf jedem Blatte entgegenweht, vorzuführen." Aber dieser Prospect' ist doch von der Verlagshandlung unterzeichnet. Wie können wir so dreist sein, zu behaupten, daß sie ihn nicht verfaßt habe? Nun, wem die eben mitgetheilten Zeilen noch nicht genügen, der lese den Prospect ganz und vergleiche ihn mit dem Texte der ersten Lieferung, und dann sage er uns, wer auf der Welt sonst dieses Elaborat geschrieben haben soll, als Theodor Simons! — Wir würden das neue „Prachtwerk" über Spanien nicht einer so genauen Analyse unterzogen haben, wenn es uns nicht darauf angekommen wäre, an einem Specimen der ganzen Gattung einmal ein Exempel zu statuiren. In der Prachtwerkliteratur, die seit der Gründerzeit bei uns grassirt, wird eine wahrhaft frivole Verschwendung getrieben. Während die besten wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Werke, während die Texte unsrer Classiker sich noch heutigen Tages oft mit dem armseligsten Kleide begnügen müssen, erscheinen in diesen „Prachtwerken" oft die werth- und geschmacklosesten schriftstellerischen Leistungen in der arrogantesten typographischen Ausstattung. Und wer ist es, der schließlich auf diese Literatur, wie man zu sagen Pflegt, „hereinfällt"? Nur ») Ja, wenn's mit dem „Gefühl" gethan Ware! — Kenntnisse, Kenntmsscl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/127>, abgerufen am 22.07.2024.