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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Nehmen wir an, ein Engländer kauft von einem Hamburger Handelsherrn
Waaren im Werthe von 100000 Mark, die also mit dieser Summe in die
deutsche Exportliste kommen; er bezahlt jedoch seinen Hamburger College" nicht
baar, sondern giebt ihm, da derselbe eine weitere Speculation machen will, einen
Wechsel in gleichem Betrage auf ein Haus in Canton*). Damit kauft der
Hamburger in China Waaren, die er etwa nach San Francisco transportirt.
Dort verkauft er dieselben mit Vortheil und kauft von dem Erlöse neue
Waaren, um diese wieder anderswohin zu bringen. So kann das Capital
lange Zeit von Ort zu Ort laufen, stets anwachsend, solange nur der Besitzer
richtig calculirt, bis es endlich vielleicht verdoppelt oder verdreifacht in der Gestalt
von Waaren nach Hause zurückkehrt, und es ist nicht nur nichts Undenkbares,
sondern im Gegentheile etwas, was alle Tage geschieht, das im Austausche für
Waaren im Werthe von 100000 Mark am Ende solche im Werthe von 200000
Mark oder mehr zurückkommen, ohne daß dafür ein Pfennig aus dem Lande ginge.

Bei denjenigen, welche unsrer Auseinandersetzung bis hierher mit Aufmerksam¬
keit gefolgt sind, wird es jetzt wohl keinen Widerspruch erregen, wenn wir
folgenden Satz aufstellen: In jedem Lande, dessen Kaufleute sich activ
und mit Erfolg am auswärtgien Handel betheiligen, muß unter nor¬
malen Verhältnissen, d. h. falls nicht größere Zahlungen, die mit
dem gewöhnlichen Handel nichts zu thun haben, nach dem Auslande
geleistet werden, der Werth der eingeführten Waaren den der aus¬
führten übersteigen; und zwar wird der Unterschied um so größer
sein, je geschickter, glücklicher und unternehmender eben jene Kauf¬
leute operiren. Dabei ist es gleichgiltig, ob sich unter jenen aus- und ein¬
geführten Waaren größere oder kleinere Quantitäten von Edelmetall befinden;
die Einfuhr muß immer einen höheren Werth haben als die Ausfuhr. Nur
wird jede Aus- und Einfuhr von Gold und Silber, weil diese Metalle billiger
zu transportiren sind, uuter sonst gleichen Bedingungen den Export und Im¬
port im Werthe weniger auseinander rücken als fast alle andern Waaren.

Anhänger der Geldausfuhrtheorie werden uns freilich entgegnen, mit älte¬
ren sei immer noch keineswegs bewiesen, daß nicht trotzdem große Massen von
Gold und Silber als Bezahlung für eingeführte Waaren jährlich aus dem
Lande gehen. Aber wir haben auch gar nicht beweisen wollen, daß etwas der-



*) Wir lassen bei Seite, daß der Engländer, um den Wechsel einzulösen, um Waaren
"ach Canton schicken muß, die mit Unkosten und Gewinn dort einen Werth von 100000
Mark haben. Die englische Ein- und Ausfuhrlistc würde nun so aussehen: Einfuhr:
Waaren im Werthe von 100 000 Mark xlus Unkosten und Gewinn für den Transport von
Hamburg nach London; Ausfuhr: Waaren im Werthe von 100000 Mark minum Unkosten
und Gewinn für den Transport von London nach Canton,

Nehmen wir an, ein Engländer kauft von einem Hamburger Handelsherrn
Waaren im Werthe von 100000 Mark, die also mit dieser Summe in die
deutsche Exportliste kommen; er bezahlt jedoch seinen Hamburger College» nicht
baar, sondern giebt ihm, da derselbe eine weitere Speculation machen will, einen
Wechsel in gleichem Betrage auf ein Haus in Canton*). Damit kauft der
Hamburger in China Waaren, die er etwa nach San Francisco transportirt.
Dort verkauft er dieselben mit Vortheil und kauft von dem Erlöse neue
Waaren, um diese wieder anderswohin zu bringen. So kann das Capital
lange Zeit von Ort zu Ort laufen, stets anwachsend, solange nur der Besitzer
richtig calculirt, bis es endlich vielleicht verdoppelt oder verdreifacht in der Gestalt
von Waaren nach Hause zurückkehrt, und es ist nicht nur nichts Undenkbares,
sondern im Gegentheile etwas, was alle Tage geschieht, das im Austausche für
Waaren im Werthe von 100000 Mark am Ende solche im Werthe von 200000
Mark oder mehr zurückkommen, ohne daß dafür ein Pfennig aus dem Lande ginge.

Bei denjenigen, welche unsrer Auseinandersetzung bis hierher mit Aufmerksam¬
keit gefolgt sind, wird es jetzt wohl keinen Widerspruch erregen, wenn wir
folgenden Satz aufstellen: In jedem Lande, dessen Kaufleute sich activ
und mit Erfolg am auswärtgien Handel betheiligen, muß unter nor¬
malen Verhältnissen, d. h. falls nicht größere Zahlungen, die mit
dem gewöhnlichen Handel nichts zu thun haben, nach dem Auslande
geleistet werden, der Werth der eingeführten Waaren den der aus¬
führten übersteigen; und zwar wird der Unterschied um so größer
sein, je geschickter, glücklicher und unternehmender eben jene Kauf¬
leute operiren. Dabei ist es gleichgiltig, ob sich unter jenen aus- und ein¬
geführten Waaren größere oder kleinere Quantitäten von Edelmetall befinden;
die Einfuhr muß immer einen höheren Werth haben als die Ausfuhr. Nur
wird jede Aus- und Einfuhr von Gold und Silber, weil diese Metalle billiger
zu transportiren sind, uuter sonst gleichen Bedingungen den Export und Im¬
port im Werthe weniger auseinander rücken als fast alle andern Waaren.

Anhänger der Geldausfuhrtheorie werden uns freilich entgegnen, mit älte¬
ren sei immer noch keineswegs bewiesen, daß nicht trotzdem große Massen von
Gold und Silber als Bezahlung für eingeführte Waaren jährlich aus dem
Lande gehen. Aber wir haben auch gar nicht beweisen wollen, daß etwas der-



*) Wir lassen bei Seite, daß der Engländer, um den Wechsel einzulösen, um Waaren
"ach Canton schicken muß, die mit Unkosten und Gewinn dort einen Werth von 100000
Mark haben. Die englische Ein- und Ausfuhrlistc würde nun so aussehen: Einfuhr:
Waaren im Werthe von 100 000 Mark xlus Unkosten und Gewinn für den Transport von
Hamburg nach London; Ausfuhr: Waaren im Werthe von 100000 Mark minum Unkosten
und Gewinn für den Transport von London nach Canton,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/11>, abgerufen am 22.07.2024.