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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Arbeiter- und Meisterwesen, zum Theil in Anlehnung an die in der Praxis
hervortretenden, durch den Mangel der Arbeitsleistung, also durch die Noth¬
wendigkeit erzeugten, aber nicht mit der gehörigen nachhaltigen Kraft ausgestat¬
teten schüchternen Versuche, durch Prämiirung, Ausstellung und öffentliche Con-
currenz eine größere Leistungsfähigkeit im Arbeiterstande zu erzielen. Genug,
es gehört uoch eine Menge hierher, dessen wirthschaftlich richtige Verwerthung
unserm Vaterlande die segensreichsten Früchte tragen würde. Man vergleiche
darüber Adam Smith, der gerade in diesem Capitel der wirthschaftlichen prac-
tischen Volkserziehung unübertrefflich ist, weil er hier analytisch untersucht und
den Boden der Wirklichkeit, der nächsten lebenswahren Umgebung nicht verläßt.
Aber zu alledem gehört Geld, recht viel Geld, und somit ergiebt sich der zweite
Theil der Aufgabe: Vergrößerung der Staatseinnahmen.

Zu den halbverstandenen Schlagwörtern der modernen Volkswirthschafts¬
lehre gehört auch der Begriff der "Autonomie des Tarifs". Gewöhnlich ver¬
bindet man irrthümlich damit die Ansicht, daß dieser Begriff eine Erhöhung
der Zölle schlechterdings in sich schließe. Daß es aber ans der Bahn der Schutz¬
zölle keinen Stillstand gebe, steht in directem Widerspruch mit der historischen
Entwicklung Englands, Belgiens, Deutschlands :c. und endlich nicht am wenig¬
sten mit der Lehre von Adam Smith. Smith sagt: (V, 1,3) "Wenn eine Gesell¬
schaft oder wenn kaufmännische Unternehmer ans eigene Gefahr und Kosten einen
neuen Geschäftszweig etabliren, so wird es nicht gerade unvernünftig sein, ihnen
für eine gewisse Reihe von Jahren ein Monopol einzuräumen. Die
Billigkeit erfordert alsdann schon, daß später die Offenlegung des einheimischen
Marktes für die fremde Mitbewerbung nicht plötzlich eintrete, sondern all¬
mählich, stufenweise und nach sehr lang vorhergegangener warnender Anzeige."

Doch wie gesagt, nicht nur theoretisch, auch practisch als Thatsache ist das
allmähliche Fallen der Zölle als eine Entwicklungs-Nothwendigkeit ausgesprochen.
In allen Ländern Europas mit Ausnahme von Rußland ist der Fortschritt in
der Richtung des Freihandels unverkennbar. Dies läßt sich mit Leichtigkeit
nachweisen, besonders wenn man die Entwicklung im Großen und Ganzen über¬
blickt. Nur da, wo die naturgemäße Entwicklung überstürzt wurde und
an und für sich richtige Principien mit den concreten Verhältnissen
nicht in Einklang blieben, wo sie nicht ihre nothwendige Beschränkung auf
dem Boden der Thatsachen erhielten, nur da ist eine Reaction eingetreten, aber
diese Reaction ist eine gesunde und verdient keineswegs die beiden Gänsefüßchen,
womit sie gewöhnlich von deu Gegnern ausgeschmückt, oder das politische Kleid,
in welches sie gehüllt wird.

Die "wenigen schutzzöllnerischen Fabrikanten" sind nun erst recht für die
Polemik ein zerbrochener Knüppel. Die Nothwendigkeit, die nationale Handels-


Arbeiter- und Meisterwesen, zum Theil in Anlehnung an die in der Praxis
hervortretenden, durch den Mangel der Arbeitsleistung, also durch die Noth¬
wendigkeit erzeugten, aber nicht mit der gehörigen nachhaltigen Kraft ausgestat¬
teten schüchternen Versuche, durch Prämiirung, Ausstellung und öffentliche Con-
currenz eine größere Leistungsfähigkeit im Arbeiterstande zu erzielen. Genug,
es gehört uoch eine Menge hierher, dessen wirthschaftlich richtige Verwerthung
unserm Vaterlande die segensreichsten Früchte tragen würde. Man vergleiche
darüber Adam Smith, der gerade in diesem Capitel der wirthschaftlichen prac-
tischen Volkserziehung unübertrefflich ist, weil er hier analytisch untersucht und
den Boden der Wirklichkeit, der nächsten lebenswahren Umgebung nicht verläßt.
Aber zu alledem gehört Geld, recht viel Geld, und somit ergiebt sich der zweite
Theil der Aufgabe: Vergrößerung der Staatseinnahmen.

Zu den halbverstandenen Schlagwörtern der modernen Volkswirthschafts¬
lehre gehört auch der Begriff der „Autonomie des Tarifs". Gewöhnlich ver¬
bindet man irrthümlich damit die Ansicht, daß dieser Begriff eine Erhöhung
der Zölle schlechterdings in sich schließe. Daß es aber ans der Bahn der Schutz¬
zölle keinen Stillstand gebe, steht in directem Widerspruch mit der historischen
Entwicklung Englands, Belgiens, Deutschlands :c. und endlich nicht am wenig¬
sten mit der Lehre von Adam Smith. Smith sagt: (V, 1,3) „Wenn eine Gesell¬
schaft oder wenn kaufmännische Unternehmer ans eigene Gefahr und Kosten einen
neuen Geschäftszweig etabliren, so wird es nicht gerade unvernünftig sein, ihnen
für eine gewisse Reihe von Jahren ein Monopol einzuräumen. Die
Billigkeit erfordert alsdann schon, daß später die Offenlegung des einheimischen
Marktes für die fremde Mitbewerbung nicht plötzlich eintrete, sondern all¬
mählich, stufenweise und nach sehr lang vorhergegangener warnender Anzeige."

Doch wie gesagt, nicht nur theoretisch, auch practisch als Thatsache ist das
allmähliche Fallen der Zölle als eine Entwicklungs-Nothwendigkeit ausgesprochen.
In allen Ländern Europas mit Ausnahme von Rußland ist der Fortschritt in
der Richtung des Freihandels unverkennbar. Dies läßt sich mit Leichtigkeit
nachweisen, besonders wenn man die Entwicklung im Großen und Ganzen über¬
blickt. Nur da, wo die naturgemäße Entwicklung überstürzt wurde und
an und für sich richtige Principien mit den concreten Verhältnissen
nicht in Einklang blieben, wo sie nicht ihre nothwendige Beschränkung auf
dem Boden der Thatsachen erhielten, nur da ist eine Reaction eingetreten, aber
diese Reaction ist eine gesunde und verdient keineswegs die beiden Gänsefüßchen,
womit sie gewöhnlich von deu Gegnern ausgeschmückt, oder das politische Kleid,
in welches sie gehüllt wird.

Die „wenigen schutzzöllnerischen Fabrikanten" sind nun erst recht für die
Polemik ein zerbrochener Knüppel. Die Nothwendigkeit, die nationale Handels-


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[0106] Arbeiter- und Meisterwesen, zum Theil in Anlehnung an die in der Praxis hervortretenden, durch den Mangel der Arbeitsleistung, also durch die Noth¬ wendigkeit erzeugten, aber nicht mit der gehörigen nachhaltigen Kraft ausgestat¬ teten schüchternen Versuche, durch Prämiirung, Ausstellung und öffentliche Con- currenz eine größere Leistungsfähigkeit im Arbeiterstande zu erzielen. Genug, es gehört uoch eine Menge hierher, dessen wirthschaftlich richtige Verwerthung unserm Vaterlande die segensreichsten Früchte tragen würde. Man vergleiche darüber Adam Smith, der gerade in diesem Capitel der wirthschaftlichen prac- tischen Volkserziehung unübertrefflich ist, weil er hier analytisch untersucht und den Boden der Wirklichkeit, der nächsten lebenswahren Umgebung nicht verläßt. Aber zu alledem gehört Geld, recht viel Geld, und somit ergiebt sich der zweite Theil der Aufgabe: Vergrößerung der Staatseinnahmen. Zu den halbverstandenen Schlagwörtern der modernen Volkswirthschafts¬ lehre gehört auch der Begriff der „Autonomie des Tarifs". Gewöhnlich ver¬ bindet man irrthümlich damit die Ansicht, daß dieser Begriff eine Erhöhung der Zölle schlechterdings in sich schließe. Daß es aber ans der Bahn der Schutz¬ zölle keinen Stillstand gebe, steht in directem Widerspruch mit der historischen Entwicklung Englands, Belgiens, Deutschlands :c. und endlich nicht am wenig¬ sten mit der Lehre von Adam Smith. Smith sagt: (V, 1,3) „Wenn eine Gesell¬ schaft oder wenn kaufmännische Unternehmer ans eigene Gefahr und Kosten einen neuen Geschäftszweig etabliren, so wird es nicht gerade unvernünftig sein, ihnen für eine gewisse Reihe von Jahren ein Monopol einzuräumen. Die Billigkeit erfordert alsdann schon, daß später die Offenlegung des einheimischen Marktes für die fremde Mitbewerbung nicht plötzlich eintrete, sondern all¬ mählich, stufenweise und nach sehr lang vorhergegangener warnender Anzeige." Doch wie gesagt, nicht nur theoretisch, auch practisch als Thatsache ist das allmähliche Fallen der Zölle als eine Entwicklungs-Nothwendigkeit ausgesprochen. In allen Ländern Europas mit Ausnahme von Rußland ist der Fortschritt in der Richtung des Freihandels unverkennbar. Dies läßt sich mit Leichtigkeit nachweisen, besonders wenn man die Entwicklung im Großen und Ganzen über¬ blickt. Nur da, wo die naturgemäße Entwicklung überstürzt wurde und an und für sich richtige Principien mit den concreten Verhältnissen nicht in Einklang blieben, wo sie nicht ihre nothwendige Beschränkung auf dem Boden der Thatsachen erhielten, nur da ist eine Reaction eingetreten, aber diese Reaction ist eine gesunde und verdient keineswegs die beiden Gänsefüßchen, womit sie gewöhnlich von deu Gegnern ausgeschmückt, oder das politische Kleid, in welches sie gehüllt wird. Die „wenigen schutzzöllnerischen Fabrikanten" sind nun erst recht für die Polemik ein zerbrochener Knüppel. Die Nothwendigkeit, die nationale Handels-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/106>, abgerufen am 03.07.2024.