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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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von Productionskraft, damit die erzeugte Kraft nicht brach liege, das ist Auf¬
gabe des Einzelnen, wievielmehr Aufgabe des Staates. Wo die Grenze liegt,
werden wir später noch sagen.

Die deutschen nationalen Freihändler sagen: du Manchesterthum hast unsre
Produktion geschmälert, indem du ihr den heimischen Boden verkümmertest ohne
den ausländischen erringen zu können. Das Manchesterthum erwiedert darauf:
Ich habe durch die internationale Arbeitstheilung nach der Theorie der Werthe
dem Consum durch allseitig freie Einfuhr die billigsten Preise verschafft; die
billigeren Preise heben den Consum, und der erhöhte Consum wirkt, wie ihr
selbst zugestehen müßt, auf die Production anregend ein. Demgegenüber sagen
die Thatsachen: Der Consum hat sich keineswegs gehoben, sondern er hat sich
erheblich vermindert, die Preise sind weder billiger geworden, noch die Waaren
besser; auch da sind die Preise nicht billiger geworden, wo man es am meisten
Hütte erwarten sollen: bei der Schlacht- und Mahlsteuer.

Dies ist aber ganz erklärlich, besonders was das Nichtbilligerwerden
der Preise angeht, was sich selbstverständlich nur auf deu kleinen Consumenten
bezieht. Den ganzen Vortheil des Wegfalls der Zölle nimmt der Zwischen¬
händler, der Großhandel, der Speculaut in Anspruch. Für die einzelnen Consum-
Artikel beträgt der Wegfall der Zolle so verschwindend wenig, daß für den
eigentlichen Consumenten von Vortheil oder Nachtheil kaum die Rede sein kann.
Für ein Frauenkleid von 40 Mark beträgt der Zoll 20 Pfennige, für ein ge¬
drucktes Kleid 12 Pfennige, für eine Pflugschar einige Pfennige u. f. w.

Trotzdem bleibt auch für den kleinen Consumenten immer ein gewisser Vor¬
theil, aber wäre er auch noch größer, er würde keinenfalls bedeutend genug
sein, um den Consum derartig zu steigern, daß derselbe auf die Production in
bestimmender Weise reagirte. Welch' sonderbares wirthschaftliches Verkennen
überhaupt, die Production durch den heimischen Consum bestimmen zu wollen!
Nicht der Consum soll die Production anregen, sondern die Production den
Consum. Die Consumbefähigung ist die Grenze für die Production, aber bis
dahin darf und muß sie herrschen.

Wie vor Jahresfrist die Dinge wirthschaftlich in und um Deutschland lagen,
hatte die "internationale Arbeitstheilung", die wir idealiter ohne Gegenseitigkeit
acceptirt hatten, unsere legitime Production und damit unsere gestimmte Wirth¬
schaft geschädigt; jedenfalls haben wir dadurch dasjenige Productions-
guautnm verloren, welches vom Auslande, wie wir oben sagten, "unver-
lMtnißmäßig" d. h. mehr eingeführt wurde, als bei factisch bestehender inter¬
nationaler Arbeitstheilung oder Gegenseitigkeit hätte vom Auslande eingeführt
werden können. Hie Rlivöiiki!


Grenzboten II. 1880,1-.!

von Productionskraft, damit die erzeugte Kraft nicht brach liege, das ist Auf¬
gabe des Einzelnen, wievielmehr Aufgabe des Staates. Wo die Grenze liegt,
werden wir später noch sagen.

Die deutschen nationalen Freihändler sagen: du Manchesterthum hast unsre
Produktion geschmälert, indem du ihr den heimischen Boden verkümmertest ohne
den ausländischen erringen zu können. Das Manchesterthum erwiedert darauf:
Ich habe durch die internationale Arbeitstheilung nach der Theorie der Werthe
dem Consum durch allseitig freie Einfuhr die billigsten Preise verschafft; die
billigeren Preise heben den Consum, und der erhöhte Consum wirkt, wie ihr
selbst zugestehen müßt, auf die Production anregend ein. Demgegenüber sagen
die Thatsachen: Der Consum hat sich keineswegs gehoben, sondern er hat sich
erheblich vermindert, die Preise sind weder billiger geworden, noch die Waaren
besser; auch da sind die Preise nicht billiger geworden, wo man es am meisten
Hütte erwarten sollen: bei der Schlacht- und Mahlsteuer.

Dies ist aber ganz erklärlich, besonders was das Nichtbilligerwerden
der Preise angeht, was sich selbstverständlich nur auf deu kleinen Consumenten
bezieht. Den ganzen Vortheil des Wegfalls der Zölle nimmt der Zwischen¬
händler, der Großhandel, der Speculaut in Anspruch. Für die einzelnen Consum-
Artikel beträgt der Wegfall der Zolle so verschwindend wenig, daß für den
eigentlichen Consumenten von Vortheil oder Nachtheil kaum die Rede sein kann.
Für ein Frauenkleid von 40 Mark beträgt der Zoll 20 Pfennige, für ein ge¬
drucktes Kleid 12 Pfennige, für eine Pflugschar einige Pfennige u. f. w.

Trotzdem bleibt auch für den kleinen Consumenten immer ein gewisser Vor¬
theil, aber wäre er auch noch größer, er würde keinenfalls bedeutend genug
sein, um den Consum derartig zu steigern, daß derselbe auf die Production in
bestimmender Weise reagirte. Welch' sonderbares wirthschaftliches Verkennen
überhaupt, die Production durch den heimischen Consum bestimmen zu wollen!
Nicht der Consum soll die Production anregen, sondern die Production den
Consum. Die Consumbefähigung ist die Grenze für die Production, aber bis
dahin darf und muß sie herrschen.

Wie vor Jahresfrist die Dinge wirthschaftlich in und um Deutschland lagen,
hatte die „internationale Arbeitstheilung", die wir idealiter ohne Gegenseitigkeit
acceptirt hatten, unsere legitime Production und damit unsere gestimmte Wirth¬
schaft geschädigt; jedenfalls haben wir dadurch dasjenige Productions-
guautnm verloren, welches vom Auslande, wie wir oben sagten, „unver-
lMtnißmäßig" d. h. mehr eingeführt wurde, als bei factisch bestehender inter¬
nationaler Arbeitstheilung oder Gegenseitigkeit hätte vom Auslande eingeführt
werden können. Hie Rlivöiiki!


Grenzboten II. 1880,1-.!
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[0101] von Productionskraft, damit die erzeugte Kraft nicht brach liege, das ist Auf¬ gabe des Einzelnen, wievielmehr Aufgabe des Staates. Wo die Grenze liegt, werden wir später noch sagen. Die deutschen nationalen Freihändler sagen: du Manchesterthum hast unsre Produktion geschmälert, indem du ihr den heimischen Boden verkümmertest ohne den ausländischen erringen zu können. Das Manchesterthum erwiedert darauf: Ich habe durch die internationale Arbeitstheilung nach der Theorie der Werthe dem Consum durch allseitig freie Einfuhr die billigsten Preise verschafft; die billigeren Preise heben den Consum, und der erhöhte Consum wirkt, wie ihr selbst zugestehen müßt, auf die Production anregend ein. Demgegenüber sagen die Thatsachen: Der Consum hat sich keineswegs gehoben, sondern er hat sich erheblich vermindert, die Preise sind weder billiger geworden, noch die Waaren besser; auch da sind die Preise nicht billiger geworden, wo man es am meisten Hütte erwarten sollen: bei der Schlacht- und Mahlsteuer. Dies ist aber ganz erklärlich, besonders was das Nichtbilligerwerden der Preise angeht, was sich selbstverständlich nur auf deu kleinen Consumenten bezieht. Den ganzen Vortheil des Wegfalls der Zölle nimmt der Zwischen¬ händler, der Großhandel, der Speculaut in Anspruch. Für die einzelnen Consum- Artikel beträgt der Wegfall der Zolle so verschwindend wenig, daß für den eigentlichen Consumenten von Vortheil oder Nachtheil kaum die Rede sein kann. Für ein Frauenkleid von 40 Mark beträgt der Zoll 20 Pfennige, für ein ge¬ drucktes Kleid 12 Pfennige, für eine Pflugschar einige Pfennige u. f. w. Trotzdem bleibt auch für den kleinen Consumenten immer ein gewisser Vor¬ theil, aber wäre er auch noch größer, er würde keinenfalls bedeutend genug sein, um den Consum derartig zu steigern, daß derselbe auf die Production in bestimmender Weise reagirte. Welch' sonderbares wirthschaftliches Verkennen überhaupt, die Production durch den heimischen Consum bestimmen zu wollen! Nicht der Consum soll die Production anregen, sondern die Production den Consum. Die Consumbefähigung ist die Grenze für die Production, aber bis dahin darf und muß sie herrschen. Wie vor Jahresfrist die Dinge wirthschaftlich in und um Deutschland lagen, hatte die „internationale Arbeitstheilung", die wir idealiter ohne Gegenseitigkeit acceptirt hatten, unsere legitime Production und damit unsere gestimmte Wirth¬ schaft geschädigt; jedenfalls haben wir dadurch dasjenige Productions- guautnm verloren, welches vom Auslande, wie wir oben sagten, „unver- lMtnißmäßig" d. h. mehr eingeführt wurde, als bei factisch bestehender inter¬ nationaler Arbeitstheilung oder Gegenseitigkeit hätte vom Auslande eingeführt werden können. Hie Rlivöiiki! Grenzboten II. 1880,1-.!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/101>, abgerufen am 22.07.2024.