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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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gerufen; sehr viele besitzen Hilfskassen -- z. Th. von den alten Zünften oder
seitdem gegründeten Vereinen übernommen --, und es liegt auf der Hand, daß
das Hilfskassenwesen seine natürlichsten und zweckmäßigsten Formen in ihnen
annehmen kann; manche haben eine vielgestaltige genossenschaftliche Thätigkeit
entfaltet, und auch hier dürfte es gelten, daß die genossenschaftliche Idee wohl
in Verbindung mit der Jnnungsidee eines neuen, mächtigen Aufschwunges
fähig sein mag; einige haben gemeinsame Unfall-Versicherungsverträge abge¬
schlossen u. tgi. Für die Neuregelung des Lehrlingswesens aber sind, unter¬
stützt durch die Gewerbeordnungs-Novelle des vorigen Jahres, wenigstens die
ersten erforderlichen Anfänge gemacht worden, so daß Gesetzgebung und Praxis
auf denselben nur weiterzubauen brauchen.

Auch das gehört zum Besten unserer Zeit, daß nationales Wesen wieder
mehr anerkannt und gepflegt wird. Nichts aber ist unserem deutsch-nationalen
Wesen mehr zuwider als Nivellirung und Atomisirung, und nichts entspricht
ihm mehr als die Korporation. Die Neubelebung korporativen Geistes im
gewerblichen Mittelstande ist daher für sich allein eine Erscheinung von her¬
vorragendem Kulturwerthe, selbst wenn nicht, wie es hier der Fall ist, der
korporative Gedanke zugleich die einzige Möglichkeit darbietet, diesen Mittelstand
selbst und damit die soziale Zukunft unseres Volkes zu retten.


Julius Schulze.


Das Klingerhaus in Frankfurt aW.

Lange Zeit hindurch schlummerten die Erinnerungen an Friedrich Maxi¬
milian Klinger in seiner Vaterstadt Frankfurt, nachdem man nach seinem Tode
in Folge eines Senatsbeschlusses die Rittergasse, in welcher er nach dem Stande
damaliger Forschung geboren sein sollte, zu Ehren des Heimgegangenen zur
"Klingergasse" umgewandelt hatte. Erst die 1840 veranstaltete Guttenbergfeier
veranlaßte das Frankfurter Festkomite, seine Aufmerksamkeit dem Leben und
den Wohnstätten derer zuzuwenden, welche der Stadt durch Geburt oder durch
vorübergehenden Aufenthalt angehörten. Auf diese Weise wurde auch Klinger
in das Gedächtniß der Lebenden zurückgerufen. Die von dem Hofrath or.
mizä. Hofmann gesammelten und weit verbreiteten Notizen aus dem frühesten
Leben Klingers, aus welchen sich ergibt, daß der Erzähler in einem unschein¬
baren Häuschen der Rittergasse, wo Klingers Mutter eine Reihe von Jahren
gewohnt, noch ein Zimmer gesehen habe, in dem der junge Dichter von "Sturm


gerufen; sehr viele besitzen Hilfskassen — z. Th. von den alten Zünften oder
seitdem gegründeten Vereinen übernommen —, und es liegt auf der Hand, daß
das Hilfskassenwesen seine natürlichsten und zweckmäßigsten Formen in ihnen
annehmen kann; manche haben eine vielgestaltige genossenschaftliche Thätigkeit
entfaltet, und auch hier dürfte es gelten, daß die genossenschaftliche Idee wohl
in Verbindung mit der Jnnungsidee eines neuen, mächtigen Aufschwunges
fähig sein mag; einige haben gemeinsame Unfall-Versicherungsverträge abge¬
schlossen u. tgi. Für die Neuregelung des Lehrlingswesens aber sind, unter¬
stützt durch die Gewerbeordnungs-Novelle des vorigen Jahres, wenigstens die
ersten erforderlichen Anfänge gemacht worden, so daß Gesetzgebung und Praxis
auf denselben nur weiterzubauen brauchen.

Auch das gehört zum Besten unserer Zeit, daß nationales Wesen wieder
mehr anerkannt und gepflegt wird. Nichts aber ist unserem deutsch-nationalen
Wesen mehr zuwider als Nivellirung und Atomisirung, und nichts entspricht
ihm mehr als die Korporation. Die Neubelebung korporativen Geistes im
gewerblichen Mittelstande ist daher für sich allein eine Erscheinung von her¬
vorragendem Kulturwerthe, selbst wenn nicht, wie es hier der Fall ist, der
korporative Gedanke zugleich die einzige Möglichkeit darbietet, diesen Mittelstand
selbst und damit die soziale Zukunft unseres Volkes zu retten.


Julius Schulze.


Das Klingerhaus in Frankfurt aW.

Lange Zeit hindurch schlummerten die Erinnerungen an Friedrich Maxi¬
milian Klinger in seiner Vaterstadt Frankfurt, nachdem man nach seinem Tode
in Folge eines Senatsbeschlusses die Rittergasse, in welcher er nach dem Stande
damaliger Forschung geboren sein sollte, zu Ehren des Heimgegangenen zur
„Klingergasse" umgewandelt hatte. Erst die 1840 veranstaltete Guttenbergfeier
veranlaßte das Frankfurter Festkomite, seine Aufmerksamkeit dem Leben und
den Wohnstätten derer zuzuwenden, welche der Stadt durch Geburt oder durch
vorübergehenden Aufenthalt angehörten. Auf diese Weise wurde auch Klinger
in das Gedächtniß der Lebenden zurückgerufen. Die von dem Hofrath or.
mizä. Hofmann gesammelten und weit verbreiteten Notizen aus dem frühesten
Leben Klingers, aus welchen sich ergibt, daß der Erzähler in einem unschein¬
baren Häuschen der Rittergasse, wo Klingers Mutter eine Reihe von Jahren
gewohnt, noch ein Zimmer gesehen habe, in dem der junge Dichter von „Sturm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/71>, abgerufen am 03.07.2024.