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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Leserkreis, beanspruchen nicht wissenschaftliche Bildung als Voraussetzung, Wenn
ein Geistlicher hier Anstoß erregt, so darf er sich nicht wundern, wenn er von
den Vertretern der Gemeinde dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Und wir
würden uns nur freuen, wenn unsre Geistlichen, darin den Fußtapfen Schleier¬
machers folgend, immer mehr lernten, theologische Fragen ausschließlich vor
das theologische Forum zu bringen, und nicht in die Gemeinden zu tragen,
wo zu einem großen Theile wenigstens die Bedingungen sowohl des Verständ¬
nisses wie kritischer Würdigung fehlen, wo sie bei den einen Verwirrung, bei
den andern Anstoß erregen müssen.

Es bleibt uns übrig, noch eines Antrages zu gedenken, nicht weil wir ihn
für sehr bedeutsam hielten, sondern weil ihm, wie uns dünkt ohne Grund,
eine große Bedeutung zuerkannt worden ist. Er betrifft die Abänderung des
14 der Synodalordnung. Der hier in Betracht kommende Passus lautet:
"Der Pfarrer bleibt in seinen geistlichen Amtsthätigkeiten der Lehre, Seelsorge,
Verwaltung der Sakramente und in seinen übrigen Ministermlhandlungen von
dem Gemeindekirchenrath unabhängig. Er ist jedoch verpflichtet, die Fälle, wo
er ein Gemeindeglied von der Theilnahme an einer von ihm zu vollziehenden
Amtshandlung, insbesondere vom heiligen Abendmahle, zurückzuweisen für noth¬
wendig hält, unter schonender einstweiliger Zurückhaltung des Betreffenden, dem
Gemeindekirchenrath vorzulegen. Stimmt dieser zu, so ist die Zurückweisung
auszusprechen, gegen welche dem Betroffenen der Rekurs an die Kreissynode
offen bleibt. Erklärt sich der Gemeiudekirchenrath gegen die Zurückweisung, so
wird dieser Beschluß zwar sofort wirksam, aber der Geistliche ist befugt, wenn
er sich bei demselben nicht beruhigen will, die Sache zur Entscheidung an die
Kreissynode zu bringen." Hier wurde beantragt, den letzten Satz so zu fassen:
"Erklärt sich der Gemeindekirchenrath gegen die Zurückmeisuug, so hat der
Geistliche, wenn er sich bei dem Beschlusse des Gemeindekirchenraths nicht be¬
ruhigen will, binnen einer Frist von 14 Tagen die Sache zur Entscheidung
an die Kreissynode, beziehungsweise den Kreissynodalvorstand zu bringen. Bis
zum Erlasse derselben bleibt die Ausführung des Beschlusses des Gemeinde¬
kirchenraths ausgesetzt."

Die ursprüngliche Fassung dieses Paragraphen war bis jetzt in der That
eine höchst fehlerhafte. Der Geistliche mußte, verlangte es der Gemeinde¬
kirchenrath, eine Trauung vollziehen, wenn er dieselbe anch nach seinem an
das göttliche Wort gebundnen Gewissen zu verweigern sich gedrungen fühlte.
Hernach konnte er an die höhere Instanz appelliren. Dies war unerträglich.
Es ist daher auch von Anfang an eine Aenderung gefordert worden, z. B. von
der ersten preußischen Proviuzialsyuode 1875. Durch die jetzt von der General¬
synode ausgearbeitete und angenommene Trauorduuug wird diesem Mißstand


Leserkreis, beanspruchen nicht wissenschaftliche Bildung als Voraussetzung, Wenn
ein Geistlicher hier Anstoß erregt, so darf er sich nicht wundern, wenn er von
den Vertretern der Gemeinde dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Und wir
würden uns nur freuen, wenn unsre Geistlichen, darin den Fußtapfen Schleier¬
machers folgend, immer mehr lernten, theologische Fragen ausschließlich vor
das theologische Forum zu bringen, und nicht in die Gemeinden zu tragen,
wo zu einem großen Theile wenigstens die Bedingungen sowohl des Verständ¬
nisses wie kritischer Würdigung fehlen, wo sie bei den einen Verwirrung, bei
den andern Anstoß erregen müssen.

Es bleibt uns übrig, noch eines Antrages zu gedenken, nicht weil wir ihn
für sehr bedeutsam hielten, sondern weil ihm, wie uns dünkt ohne Grund,
eine große Bedeutung zuerkannt worden ist. Er betrifft die Abänderung des
14 der Synodalordnung. Der hier in Betracht kommende Passus lautet:
„Der Pfarrer bleibt in seinen geistlichen Amtsthätigkeiten der Lehre, Seelsorge,
Verwaltung der Sakramente und in seinen übrigen Ministermlhandlungen von
dem Gemeindekirchenrath unabhängig. Er ist jedoch verpflichtet, die Fälle, wo
er ein Gemeindeglied von der Theilnahme an einer von ihm zu vollziehenden
Amtshandlung, insbesondere vom heiligen Abendmahle, zurückzuweisen für noth¬
wendig hält, unter schonender einstweiliger Zurückhaltung des Betreffenden, dem
Gemeindekirchenrath vorzulegen. Stimmt dieser zu, so ist die Zurückweisung
auszusprechen, gegen welche dem Betroffenen der Rekurs an die Kreissynode
offen bleibt. Erklärt sich der Gemeiudekirchenrath gegen die Zurückweisung, so
wird dieser Beschluß zwar sofort wirksam, aber der Geistliche ist befugt, wenn
er sich bei demselben nicht beruhigen will, die Sache zur Entscheidung an die
Kreissynode zu bringen." Hier wurde beantragt, den letzten Satz so zu fassen:
„Erklärt sich der Gemeindekirchenrath gegen die Zurückmeisuug, so hat der
Geistliche, wenn er sich bei dem Beschlusse des Gemeindekirchenraths nicht be¬
ruhigen will, binnen einer Frist von 14 Tagen die Sache zur Entscheidung
an die Kreissynode, beziehungsweise den Kreissynodalvorstand zu bringen. Bis
zum Erlasse derselben bleibt die Ausführung des Beschlusses des Gemeinde¬
kirchenraths ausgesetzt."

Die ursprüngliche Fassung dieses Paragraphen war bis jetzt in der That
eine höchst fehlerhafte. Der Geistliche mußte, verlangte es der Gemeinde¬
kirchenrath, eine Trauung vollziehen, wenn er dieselbe anch nach seinem an
das göttliche Wort gebundnen Gewissen zu verweigern sich gedrungen fühlte.
Hernach konnte er an die höhere Instanz appelliren. Dies war unerträglich.
Es ist daher auch von Anfang an eine Aenderung gefordert worden, z. B. von
der ersten preußischen Proviuzialsyuode 1875. Durch die jetzt von der General¬
synode ausgearbeitete und angenommene Trauorduuug wird diesem Mißstand


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[0535] Leserkreis, beanspruchen nicht wissenschaftliche Bildung als Voraussetzung, Wenn ein Geistlicher hier Anstoß erregt, so darf er sich nicht wundern, wenn er von den Vertretern der Gemeinde dafür zur Rechenschaft gezogen wird. Und wir würden uns nur freuen, wenn unsre Geistlichen, darin den Fußtapfen Schleier¬ machers folgend, immer mehr lernten, theologische Fragen ausschließlich vor das theologische Forum zu bringen, und nicht in die Gemeinden zu tragen, wo zu einem großen Theile wenigstens die Bedingungen sowohl des Verständ¬ nisses wie kritischer Würdigung fehlen, wo sie bei den einen Verwirrung, bei den andern Anstoß erregen müssen. Es bleibt uns übrig, noch eines Antrages zu gedenken, nicht weil wir ihn für sehr bedeutsam hielten, sondern weil ihm, wie uns dünkt ohne Grund, eine große Bedeutung zuerkannt worden ist. Er betrifft die Abänderung des 14 der Synodalordnung. Der hier in Betracht kommende Passus lautet: „Der Pfarrer bleibt in seinen geistlichen Amtsthätigkeiten der Lehre, Seelsorge, Verwaltung der Sakramente und in seinen übrigen Ministermlhandlungen von dem Gemeindekirchenrath unabhängig. Er ist jedoch verpflichtet, die Fälle, wo er ein Gemeindeglied von der Theilnahme an einer von ihm zu vollziehenden Amtshandlung, insbesondere vom heiligen Abendmahle, zurückzuweisen für noth¬ wendig hält, unter schonender einstweiliger Zurückhaltung des Betreffenden, dem Gemeindekirchenrath vorzulegen. Stimmt dieser zu, so ist die Zurückweisung auszusprechen, gegen welche dem Betroffenen der Rekurs an die Kreissynode offen bleibt. Erklärt sich der Gemeiudekirchenrath gegen die Zurückweisung, so wird dieser Beschluß zwar sofort wirksam, aber der Geistliche ist befugt, wenn er sich bei demselben nicht beruhigen will, die Sache zur Entscheidung an die Kreissynode zu bringen." Hier wurde beantragt, den letzten Satz so zu fassen: „Erklärt sich der Gemeindekirchenrath gegen die Zurückmeisuug, so hat der Geistliche, wenn er sich bei dem Beschlusse des Gemeindekirchenraths nicht be¬ ruhigen will, binnen einer Frist von 14 Tagen die Sache zur Entscheidung an die Kreissynode, beziehungsweise den Kreissynodalvorstand zu bringen. Bis zum Erlasse derselben bleibt die Ausführung des Beschlusses des Gemeinde¬ kirchenraths ausgesetzt." Die ursprüngliche Fassung dieses Paragraphen war bis jetzt in der That eine höchst fehlerhafte. Der Geistliche mußte, verlangte es der Gemeinde¬ kirchenrath, eine Trauung vollziehen, wenn er dieselbe anch nach seinem an das göttliche Wort gebundnen Gewissen zu verweigern sich gedrungen fühlte. Hernach konnte er an die höhere Instanz appelliren. Dies war unerträglich. Es ist daher auch von Anfang an eine Aenderung gefordert worden, z. B. von der ersten preußischen Proviuzialsyuode 1875. Durch die jetzt von der General¬ synode ausgearbeitete und angenommene Trauorduuug wird diesem Mißstand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/535>, abgerufen am 23.07.2024.