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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Albinis dringender Bitte nachzugeben, ihn ins Hauptquartier der Verbündeten
zu entsenden. Statt dessen überraschte er seine Räthe am 30. September mit
seiner Abreise nach Constanz und der Uebertragung der Regierung an das
Ministerkonseil. Was er eigentlich dabei beabsichtigt, ist schwer zu sagen, wie
man denn überhaupt logische Folgerichtigkeit in seinen letzten Entschlüssen kaum
noch wahrnehmen kann.

Gegenüber der wachsenden Aufregung -- in Heman drohte offene Re¬
volte -- hatten die Minister schweren Stand. Inzwischen war jedoch bei
Leipzig die blutige Entscheidung gefallen, die Trümmer des französischen Heeres
näherten sich dem Rheine. Am 30. und 31. Oktober warfen sie bei Heman in
blutiger Schlacht die wegsperrenden Oesterreicher und Baiern zurück, am 1.
und 2. November gingen sie durch Frankfurt, an demselben 2. November
zog bereits die Vorhut der Verbündeten ein, zwei Tage später schlug Fürst
Schwarzenberg sein Hauptquartier in der Mainstadt auf.

An demselben Tage erhielten die in Frankfurt zurückgebliebenen Minister
ein Schreiben Dalbergs vom 28. Oktober, seine letzte offizielle Aeußerung als
Großherzog von Frankfurt, die freilich auf feine hochgestiegene Unfähigkeit,
politisch zu denken, das schärfste Licht wirft. Der Fürst erklärte darin, er habe
auf seine weltliche Macht verzichtet und zwar zu Gunsten seines Nachfolgers,
des Vicekönigs Eugen, habe auch bereits den König von Baiern aufgefordert,
im Namen seines Schwiegersohnes Besitz von dem Großherzogthume zu er¬
greifen. Die Minister legten dies wunderbare Schriftstück aä ^oth, und Albini
schrieb trocken seinem Herrn: "Ew. königl. Hoheit ganz sonderbare Resignation
ist, wie zu vermuthen war, von dem König von Baiern an die alliirten Höfe
abgeschickt worden; sie ist von denselben angenommen, aber nicht zu Gunsten
eines feindlichen Generals (was überall sehr aufgefallen ist, u. E. K. H.,
welche ohnehin schon vordem übel angeschrieben waren, sehr verarge wird),
sondern es wird das Land bis zum Frieden administrirt, wo alsdann über
dasselbe disponirt werden soll; wahrscheinlich wird es zerrissen werden." Dal-
berg fragte freilich in seiner Antwort an den Minister sehr naiv: "Kann eine
bedingte Verzichtleistung rechtsgiltig angenommen werden, wenn der Anneh¬
mende die Bedingung verwirft? Kann das Vaterherz des Königs von Baiern
eingestehen, daß sein kleiner Enkel seines fideikommissarischen Anspruchs verlustig
wird, weil dessen Vater ein feindlicher General ist?" Daß das Großherzog-
thum Frankfurt in diesem Momente ein erobertes Land und der Rheinbund
vernichtet war, das war dem alten Herrn bei seiner Betrachtung ganz entfallen.

In der That hatte bereits am 6. November Prinz Philipp von Hesfeu-
Homburg, österreichischer Feldmarschalllieutenant, formell Besitz von dem Lande
ergriffen, vorläufig jedoch die Behörden bestehen lassen. Am 23. Dezember


Albinis dringender Bitte nachzugeben, ihn ins Hauptquartier der Verbündeten
zu entsenden. Statt dessen überraschte er seine Räthe am 30. September mit
seiner Abreise nach Constanz und der Uebertragung der Regierung an das
Ministerkonseil. Was er eigentlich dabei beabsichtigt, ist schwer zu sagen, wie
man denn überhaupt logische Folgerichtigkeit in seinen letzten Entschlüssen kaum
noch wahrnehmen kann.

Gegenüber der wachsenden Aufregung — in Heman drohte offene Re¬
volte — hatten die Minister schweren Stand. Inzwischen war jedoch bei
Leipzig die blutige Entscheidung gefallen, die Trümmer des französischen Heeres
näherten sich dem Rheine. Am 30. und 31. Oktober warfen sie bei Heman in
blutiger Schlacht die wegsperrenden Oesterreicher und Baiern zurück, am 1.
und 2. November gingen sie durch Frankfurt, an demselben 2. November
zog bereits die Vorhut der Verbündeten ein, zwei Tage später schlug Fürst
Schwarzenberg sein Hauptquartier in der Mainstadt auf.

An demselben Tage erhielten die in Frankfurt zurückgebliebenen Minister
ein Schreiben Dalbergs vom 28. Oktober, seine letzte offizielle Aeußerung als
Großherzog von Frankfurt, die freilich auf feine hochgestiegene Unfähigkeit,
politisch zu denken, das schärfste Licht wirft. Der Fürst erklärte darin, er habe
auf seine weltliche Macht verzichtet und zwar zu Gunsten seines Nachfolgers,
des Vicekönigs Eugen, habe auch bereits den König von Baiern aufgefordert,
im Namen seines Schwiegersohnes Besitz von dem Großherzogthume zu er¬
greifen. Die Minister legten dies wunderbare Schriftstück aä ^oth, und Albini
schrieb trocken seinem Herrn: „Ew. königl. Hoheit ganz sonderbare Resignation
ist, wie zu vermuthen war, von dem König von Baiern an die alliirten Höfe
abgeschickt worden; sie ist von denselben angenommen, aber nicht zu Gunsten
eines feindlichen Generals (was überall sehr aufgefallen ist, u. E. K. H.,
welche ohnehin schon vordem übel angeschrieben waren, sehr verarge wird),
sondern es wird das Land bis zum Frieden administrirt, wo alsdann über
dasselbe disponirt werden soll; wahrscheinlich wird es zerrissen werden." Dal-
berg fragte freilich in seiner Antwort an den Minister sehr naiv: „Kann eine
bedingte Verzichtleistung rechtsgiltig angenommen werden, wenn der Anneh¬
mende die Bedingung verwirft? Kann das Vaterherz des Königs von Baiern
eingestehen, daß sein kleiner Enkel seines fideikommissarischen Anspruchs verlustig
wird, weil dessen Vater ein feindlicher General ist?" Daß das Großherzog-
thum Frankfurt in diesem Momente ein erobertes Land und der Rheinbund
vernichtet war, das war dem alten Herrn bei seiner Betrachtung ganz entfallen.

In der That hatte bereits am 6. November Prinz Philipp von Hesfeu-
Homburg, österreichischer Feldmarschalllieutenant, formell Besitz von dem Lande
ergriffen, vorläufig jedoch die Behörden bestehen lassen. Am 23. Dezember


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[0498] Albinis dringender Bitte nachzugeben, ihn ins Hauptquartier der Verbündeten zu entsenden. Statt dessen überraschte er seine Räthe am 30. September mit seiner Abreise nach Constanz und der Uebertragung der Regierung an das Ministerkonseil. Was er eigentlich dabei beabsichtigt, ist schwer zu sagen, wie man denn überhaupt logische Folgerichtigkeit in seinen letzten Entschlüssen kaum noch wahrnehmen kann. Gegenüber der wachsenden Aufregung — in Heman drohte offene Re¬ volte — hatten die Minister schweren Stand. Inzwischen war jedoch bei Leipzig die blutige Entscheidung gefallen, die Trümmer des französischen Heeres näherten sich dem Rheine. Am 30. und 31. Oktober warfen sie bei Heman in blutiger Schlacht die wegsperrenden Oesterreicher und Baiern zurück, am 1. und 2. November gingen sie durch Frankfurt, an demselben 2. November zog bereits die Vorhut der Verbündeten ein, zwei Tage später schlug Fürst Schwarzenberg sein Hauptquartier in der Mainstadt auf. An demselben Tage erhielten die in Frankfurt zurückgebliebenen Minister ein Schreiben Dalbergs vom 28. Oktober, seine letzte offizielle Aeußerung als Großherzog von Frankfurt, die freilich auf feine hochgestiegene Unfähigkeit, politisch zu denken, das schärfste Licht wirft. Der Fürst erklärte darin, er habe auf seine weltliche Macht verzichtet und zwar zu Gunsten seines Nachfolgers, des Vicekönigs Eugen, habe auch bereits den König von Baiern aufgefordert, im Namen seines Schwiegersohnes Besitz von dem Großherzogthume zu er¬ greifen. Die Minister legten dies wunderbare Schriftstück aä ^oth, und Albini schrieb trocken seinem Herrn: „Ew. königl. Hoheit ganz sonderbare Resignation ist, wie zu vermuthen war, von dem König von Baiern an die alliirten Höfe abgeschickt worden; sie ist von denselben angenommen, aber nicht zu Gunsten eines feindlichen Generals (was überall sehr aufgefallen ist, u. E. K. H., welche ohnehin schon vordem übel angeschrieben waren, sehr verarge wird), sondern es wird das Land bis zum Frieden administrirt, wo alsdann über dasselbe disponirt werden soll; wahrscheinlich wird es zerrissen werden." Dal- berg fragte freilich in seiner Antwort an den Minister sehr naiv: „Kann eine bedingte Verzichtleistung rechtsgiltig angenommen werden, wenn der Anneh¬ mende die Bedingung verwirft? Kann das Vaterherz des Königs von Baiern eingestehen, daß sein kleiner Enkel seines fideikommissarischen Anspruchs verlustig wird, weil dessen Vater ein feindlicher General ist?" Daß das Großherzog- thum Frankfurt in diesem Momente ein erobertes Land und der Rheinbund vernichtet war, das war dem alten Herrn bei seiner Betrachtung ganz entfallen. In der That hatte bereits am 6. November Prinz Philipp von Hesfeu- Homburg, österreichischer Feldmarschalllieutenant, formell Besitz von dem Lande ergriffen, vorläufig jedoch die Behörden bestehen lassen. Am 23. Dezember

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/498>, abgerufen am 27.08.2024.