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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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einverleibt, aber nicht außer Landes verwendet werden. Die Volnutsers, Frei¬
willige, die ohne Sold dienen, kommen für einen auswärtigen Krieg nicht in
Betracht. Ihre Gesammtstärke betrug im vorigen Jahre 194191 Mann mit
5195 Offizieren. Sie stehen auf einem so niedrigen Niveau militärischer Aus¬
bildung, daß sie -- man erinnere sich des Pamphlets "Die Schlacht bei Dor-
king" -- auch im Innern, d. h. bei einer Invasion Englands durch fremde
reguläre Truppen, keinen erheblichen Widerstand zu leisten im Stande sein
würden.

Wie es mit der Mobilmachung der für einen auswärtigen Krieg dispo¬
niblen englischen Truppen steht, mag ein Rückblick auf die Rüstungen des Jahres
1878 erkennen lassen. Die Wendung, welche der russisch-türkische Krieg damals
genommen, veranlaßte die Regierung im Februar, sich beim Parlament einen
Kriegskredit von sechs Millionen Pfd. Se. zu erbitten, von denen drei für die
Armee verwendet werden sollten. Als Mobilmachungsbefehl ist die königliche
Ordre vom 2. April anzusehen, durch welche die Armeereserve erster Klasse und
die Milizreserve für den 19. April zum aktiven Dienste einberufen wurden.
Die Zahl der eingezogenen Mannschaften belief sich auf 34786, von denen
13 094 auf die Armee- und 21692 auf die Milizreserve kamen. Die Beschaf¬
fung der nöthigen Pferde wurde mit gutem Erfolge einer Kommission über¬
tragen, nach deren Erfahrungen die Regierung annehmen kann, daß der Be¬
darf der mobilen englischen Armee nach dieser Richtung hin im Inlande ge¬
deckt werden kann, und zwar in Raten zu etwa 1000 Pferden in der Woche.
Sonst ging es mit der Mobilmachung recht langsam. Obgleich bereits in den
ersten Tagen des Jahres die orckrss als batailliz für drei Armeekorps entworfen
waren, konnte bis Ende April nur das erste, welches sich aus den andern
regulären Truppen auf den Kriegsetat ergänzte, zur Einschiffung bereit gestellt
werden. Die Reserven waren zur Kompletirung des zweiten Armeekorps be¬
stimmt. Was die Aufstellung eines dritten betrifft, so ergibt sich zwar aus
den Erfahrungen des April 1878, daß eine solche im Mutterlande nach voll¬
ständig durchgeführter Mobilmachung numerisch möglich ist. Immerhin aber
würde sich dieselbe in Folge gänzlichen Mangels an Offizieren und Beamten,
an zweckmäßigem und ausreichendem Trainmaterial und an den nöthigen Be¬
kleidungsstücken unverhältnißmäßig lange verzögern. Mit Rücksicht endlich auf
den inzwischen sicher nothwendig gewordenen Ersatz für die bereits im Felde
stehenden beiden Korps wäre die Aufstellung eines dritten für den auswärtigen
Dienst überhaupt nur dann durchführbar, wenn man die Miliz dazu in An¬
spruch nehmen dürfte, was nach der englischen Wehrverfassung nicht der Fall
ist. England könnte also zu einem auswärtigen Kriege -- sagen wir, zu einem
Kriege, den eine oder mehrere Kontinentalmächte mit Rußland führten -- an


einverleibt, aber nicht außer Landes verwendet werden. Die Volnutsers, Frei¬
willige, die ohne Sold dienen, kommen für einen auswärtigen Krieg nicht in
Betracht. Ihre Gesammtstärke betrug im vorigen Jahre 194191 Mann mit
5195 Offizieren. Sie stehen auf einem so niedrigen Niveau militärischer Aus¬
bildung, daß sie — man erinnere sich des Pamphlets „Die Schlacht bei Dor-
king" — auch im Innern, d. h. bei einer Invasion Englands durch fremde
reguläre Truppen, keinen erheblichen Widerstand zu leisten im Stande sein
würden.

Wie es mit der Mobilmachung der für einen auswärtigen Krieg dispo¬
niblen englischen Truppen steht, mag ein Rückblick auf die Rüstungen des Jahres
1878 erkennen lassen. Die Wendung, welche der russisch-türkische Krieg damals
genommen, veranlaßte die Regierung im Februar, sich beim Parlament einen
Kriegskredit von sechs Millionen Pfd. Se. zu erbitten, von denen drei für die
Armee verwendet werden sollten. Als Mobilmachungsbefehl ist die königliche
Ordre vom 2. April anzusehen, durch welche die Armeereserve erster Klasse und
die Milizreserve für den 19. April zum aktiven Dienste einberufen wurden.
Die Zahl der eingezogenen Mannschaften belief sich auf 34786, von denen
13 094 auf die Armee- und 21692 auf die Milizreserve kamen. Die Beschaf¬
fung der nöthigen Pferde wurde mit gutem Erfolge einer Kommission über¬
tragen, nach deren Erfahrungen die Regierung annehmen kann, daß der Be¬
darf der mobilen englischen Armee nach dieser Richtung hin im Inlande ge¬
deckt werden kann, und zwar in Raten zu etwa 1000 Pferden in der Woche.
Sonst ging es mit der Mobilmachung recht langsam. Obgleich bereits in den
ersten Tagen des Jahres die orckrss als batailliz für drei Armeekorps entworfen
waren, konnte bis Ende April nur das erste, welches sich aus den andern
regulären Truppen auf den Kriegsetat ergänzte, zur Einschiffung bereit gestellt
werden. Die Reserven waren zur Kompletirung des zweiten Armeekorps be¬
stimmt. Was die Aufstellung eines dritten betrifft, so ergibt sich zwar aus
den Erfahrungen des April 1878, daß eine solche im Mutterlande nach voll¬
ständig durchgeführter Mobilmachung numerisch möglich ist. Immerhin aber
würde sich dieselbe in Folge gänzlichen Mangels an Offizieren und Beamten,
an zweckmäßigem und ausreichendem Trainmaterial und an den nöthigen Be¬
kleidungsstücken unverhältnißmäßig lange verzögern. Mit Rücksicht endlich auf
den inzwischen sicher nothwendig gewordenen Ersatz für die bereits im Felde
stehenden beiden Korps wäre die Aufstellung eines dritten für den auswärtigen
Dienst überhaupt nur dann durchführbar, wenn man die Miliz dazu in An¬
spruch nehmen dürfte, was nach der englischen Wehrverfassung nicht der Fall
ist. England könnte also zu einem auswärtigen Kriege — sagen wir, zu einem
Kriege, den eine oder mehrere Kontinentalmächte mit Rußland führten — an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/486>, abgerufen am 23.07.2024.