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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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aus dem Feuer zu holen gewillt waren, sondern unsere Politik durch unser
eignes Interesse und nächstdem durch das Interesse Europas bestimmen ließen,
so wird es unzweifelhaft in Zukunft ebenso gehalten werden.

Englands Politik ist eine imperiale, ist als solche unter der Herrschaft
aller Parteien, nicht blos der jetzt regierende", bald mehr, bald minder erkenn¬
bar gewesen und wird eine solche in alle absehbare Zukunft hinein bleiben.
Ihr einer großer Leitstern ist, wie Lord Beaconsfield vor einigen Wochen ver¬
kündigte, die Freiheit im Innern, ihr anderer das Imperium uach außen, das
direkte und indirekte Gebieten über die Welt, die mittelbare und unmittelbare
Ausbeutung derselben für das britische Volk -- ein Gebieten und Ausbeuten,
die dadurch für uus Andere nicht erfreulicher werden, daß man gelegentlich
dabei die Miene annimmt, als diene man der Freiheit, der Menschlichkeit und
der Gesittung.

Der Geist, der die englische Politik leitet, ist im wesentlichen derselbe,
welcher sich von den Kämpfen mit Karthago an bis zum Sinken der Kaiser¬
macht in der Politik Ronis kundgab. In allen Welttheilen hat England weiter
und immer weiter hinausgegriffen; in Amerika, bis ihm in den Vereinigten
Staaten ein gleichstarker Nebenbuhler Halt gebot, in Australien, wo ihm alle
des Besitzes werthen Landstriche und Inseln gehören, in Asien, wo es Indien
eroberte, den Chinesen, das Schwert in der Hand, sein Opium aufzwang und
die Türkei und Persien nach Möglichkeit beeinflußte und für seine Zwecke aus¬
nutzte, in Südafrika, wo bis auf die neueste Zeit unter allerlei Vorwänden
Staat auf Staat aunektirt wurde, auch in Europa, wo es sich Gibraltars und
Maltas bemächtigte, Griechenland brutalistrte, Portugal wirthschaftlich zur
Domäne seiner Kaufleute und Großindustriellen machte und durch energische
Ausbreitung des Evangeliums von Manchester auch andere Länder auszubeuten
bestrebt war, wenn sie und so lauge sie, verblendet gegen die Gefahr, sich's
gefallen ließen.

Wie eine Naturnothwendigkeit folgte bei dieser Politik, ähnlich wie einst
bei der römischen, Intervention auf Intervention und Eroberung auf Eroberung,
und gleich dem Kreise, den der Steinwurf auf der Oberfläche eiues Gewässers
veranlaßt, wuchsen namentlich das asiatische und das südafrikanische Kolo¬
nialreich ohne Aufhören zu immer größeren Dimensionen an. Das Schicksal
der Besiegten war hier Willen- und Rechtlosigkeit, unbedingte Unterordnung
der Interessen des Landes unter das Gebot der britischen Handelsinteressen.
Von einer Betheiligung der Unterworfenen an der Ordnung und Verwaltung
des Staates war kaum noch die Rede. Während die Unterthanen der Königin
Victoria sich einer fast unbeschränkten Selbstregierung erfreuen, ist die Herr¬
schaft des Vicekönigs von Indien, des Stellvertreters der Kaiserin Victoria,


aus dem Feuer zu holen gewillt waren, sondern unsere Politik durch unser
eignes Interesse und nächstdem durch das Interesse Europas bestimmen ließen,
so wird es unzweifelhaft in Zukunft ebenso gehalten werden.

Englands Politik ist eine imperiale, ist als solche unter der Herrschaft
aller Parteien, nicht blos der jetzt regierende«, bald mehr, bald minder erkenn¬
bar gewesen und wird eine solche in alle absehbare Zukunft hinein bleiben.
Ihr einer großer Leitstern ist, wie Lord Beaconsfield vor einigen Wochen ver¬
kündigte, die Freiheit im Innern, ihr anderer das Imperium uach außen, das
direkte und indirekte Gebieten über die Welt, die mittelbare und unmittelbare
Ausbeutung derselben für das britische Volk — ein Gebieten und Ausbeuten,
die dadurch für uus Andere nicht erfreulicher werden, daß man gelegentlich
dabei die Miene annimmt, als diene man der Freiheit, der Menschlichkeit und
der Gesittung.

Der Geist, der die englische Politik leitet, ist im wesentlichen derselbe,
welcher sich von den Kämpfen mit Karthago an bis zum Sinken der Kaiser¬
macht in der Politik Ronis kundgab. In allen Welttheilen hat England weiter
und immer weiter hinausgegriffen; in Amerika, bis ihm in den Vereinigten
Staaten ein gleichstarker Nebenbuhler Halt gebot, in Australien, wo ihm alle
des Besitzes werthen Landstriche und Inseln gehören, in Asien, wo es Indien
eroberte, den Chinesen, das Schwert in der Hand, sein Opium aufzwang und
die Türkei und Persien nach Möglichkeit beeinflußte und für seine Zwecke aus¬
nutzte, in Südafrika, wo bis auf die neueste Zeit unter allerlei Vorwänden
Staat auf Staat aunektirt wurde, auch in Europa, wo es sich Gibraltars und
Maltas bemächtigte, Griechenland brutalistrte, Portugal wirthschaftlich zur
Domäne seiner Kaufleute und Großindustriellen machte und durch energische
Ausbreitung des Evangeliums von Manchester auch andere Länder auszubeuten
bestrebt war, wenn sie und so lauge sie, verblendet gegen die Gefahr, sich's
gefallen ließen.

Wie eine Naturnothwendigkeit folgte bei dieser Politik, ähnlich wie einst
bei der römischen, Intervention auf Intervention und Eroberung auf Eroberung,
und gleich dem Kreise, den der Steinwurf auf der Oberfläche eiues Gewässers
veranlaßt, wuchsen namentlich das asiatische und das südafrikanische Kolo¬
nialreich ohne Aufhören zu immer größeren Dimensionen an. Das Schicksal
der Besiegten war hier Willen- und Rechtlosigkeit, unbedingte Unterordnung
der Interessen des Landes unter das Gebot der britischen Handelsinteressen.
Von einer Betheiligung der Unterworfenen an der Ordnung und Verwaltung
des Staates war kaum noch die Rede. Während die Unterthanen der Königin
Victoria sich einer fast unbeschränkten Selbstregierung erfreuen, ist die Herr¬
schaft des Vicekönigs von Indien, des Stellvertreters der Kaiserin Victoria,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/482>, abgerufen am 23.07.2024.