Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.Zur Beachtung. Englands Imperium. Die englische Presse, namentlich die der Regierung nahestehende, redete in Das war aber bisher weder in Berlin noch in Wien die Meinung, und Grenzboten IV. 1879. 63
Zur Beachtung. Englands Imperium. Die englische Presse, namentlich die der Regierung nahestehende, redete in Das war aber bisher weder in Berlin noch in Wien die Meinung, und Grenzboten IV. 1879. 63
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143536"/> </div> <div> <floatingText> <body> <div type="advertisement"> <p> Zur Beachtung.<lb/> Mit dem I. Januar 1.88« beginnt diese Zeitschrift das 1. Quartal ihres<lb/> 39. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-<lb/> stalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal<lb/> 9 Mark.<lb/> Leipzig, im Dezember 1879. Die Verlagshandlung.</p> </div> </body> </floatingText> </div> <div n="1"> <head> Englands Imperium.</head><lb/> <p xml:id="ID_1390"> Die englische Presse, namentlich die der Regierung nahestehende, redete in<lb/> den letzten Wochen wiederholt dem Beitritte Großbritanniens zu dem von Fürst<lb/> Bismarck in Wien erzielten Einverständnisse zwischen Deutschland und Oester¬<lb/> reich-Ungarn das Wort. Unter anderen sagte der aus den Kreisen Salisburys<lb/> inspirirte Llama^ra kürzlich: „So lange die Absichten Deutschlands und<lb/> Oesterreichs bleiben, was sie sind, so lange wird die Erhaltung des Einflusses<lb/> derselben ein der englischen Politik werther Zweck sein. Ein gutes Einver¬<lb/> nehmen zwischen England, Deutschland und Oesterreich ist das natürlichste aller<lb/> Bündnisse und würde die stärkste Bürgschaft für die Wahrung des europäischen<lb/> Friedens bieten." Das klingt ganz unverfänglich. Wir lesen aber hier wie<lb/> bei ähnlichen Auslassungen allerlei zwischen den Zeilen; z. B. ein gewisses<lb/> Unbehagen darüber, daß England sich mit seinen Bestrebungen im Osten isolirt<lb/> findet; auch den Wunsch, auf die Hilfe der beiden in Wien zur Vertheidigung<lb/> des Friedens einander nahegetretenen mitteleuropäischen Großmächte gestützt, in<lb/> der Türkei und in Centralasien Rußland gegenüber entschiedener das einseitige<lb/> Interesse Englands fördern zu können. Mit andern Worten: Wir und Oester¬<lb/> reich-Ungarn sollen uns bestimmen lassen, die britische Macht zu ergänzender<lb/> spezifisch englischen Politik unsere diplomatischen und militärischen Kräfte zur<lb/> Verfügung zu stellen und uns mit schönem Dank und Lob für gute Auffüh¬<lb/> rung zu begnügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> Das war aber bisher weder in Berlin noch in Wien die Meinung, und<lb/> es wird auch künftig nicht zu haben sein. Dort wie hier hat man seine eignen<lb/> Interessen und Zwecke, deren oberster die Erhaltung des Friedens nicht blos<lb/> dem russischen Egoismus gegenüber, sondern nach allen Richtungen hin ist,<lb/> von wo derselbe bedroht und gefährdet werden kann. Die Vergangenheit lehrt,<lb/> daß die Rücksichtslosigkeit der englischen Selbstsucht genau so groß wie die der<lb/> russischen ist, und wenn wir vor dem letzten Kriege, während desselben und<lb/> nach ihm weder der einen noch der andern dieser beiden Mächte die Kastanien</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1879. 63</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0481]
Zur Beachtung.
Mit dem I. Januar 1.88« beginnt diese Zeitschrift das 1. Quartal ihres
39. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal
9 Mark.
Leipzig, im Dezember 1879. Die Verlagshandlung.
Englands Imperium.
Die englische Presse, namentlich die der Regierung nahestehende, redete in
den letzten Wochen wiederholt dem Beitritte Großbritanniens zu dem von Fürst
Bismarck in Wien erzielten Einverständnisse zwischen Deutschland und Oester¬
reich-Ungarn das Wort. Unter anderen sagte der aus den Kreisen Salisburys
inspirirte Llama^ra kürzlich: „So lange die Absichten Deutschlands und
Oesterreichs bleiben, was sie sind, so lange wird die Erhaltung des Einflusses
derselben ein der englischen Politik werther Zweck sein. Ein gutes Einver¬
nehmen zwischen England, Deutschland und Oesterreich ist das natürlichste aller
Bündnisse und würde die stärkste Bürgschaft für die Wahrung des europäischen
Friedens bieten." Das klingt ganz unverfänglich. Wir lesen aber hier wie
bei ähnlichen Auslassungen allerlei zwischen den Zeilen; z. B. ein gewisses
Unbehagen darüber, daß England sich mit seinen Bestrebungen im Osten isolirt
findet; auch den Wunsch, auf die Hilfe der beiden in Wien zur Vertheidigung
des Friedens einander nahegetretenen mitteleuropäischen Großmächte gestützt, in
der Türkei und in Centralasien Rußland gegenüber entschiedener das einseitige
Interesse Englands fördern zu können. Mit andern Worten: Wir und Oester¬
reich-Ungarn sollen uns bestimmen lassen, die britische Macht zu ergänzender
spezifisch englischen Politik unsere diplomatischen und militärischen Kräfte zur
Verfügung zu stellen und uns mit schönem Dank und Lob für gute Auffüh¬
rung zu begnügen.
Das war aber bisher weder in Berlin noch in Wien die Meinung, und
es wird auch künftig nicht zu haben sein. Dort wie hier hat man seine eignen
Interessen und Zwecke, deren oberster die Erhaltung des Friedens nicht blos
dem russischen Egoismus gegenüber, sondern nach allen Richtungen hin ist,
von wo derselbe bedroht und gefährdet werden kann. Die Vergangenheit lehrt,
daß die Rücksichtslosigkeit der englischen Selbstsucht genau so groß wie die der
russischen ist, und wenn wir vor dem letzten Kriege, während desselben und
nach ihm weder der einen noch der andern dieser beiden Mächte die Kastanien
Grenzboten IV. 1879. 63
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