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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Köpfe offenbart sich aber noch das reine Formengefühl, der Adel echt hellenischer
Kunst, die hier, anf einsamem Posten inmitten barbarischer Völkerschaften, eine
so herrliche Nachblüthe erlebt hat. Zeigt sich auch an der bewunderungswürdigen
Mormorarbeit, die vor dem kühnsten Wagniß nicht zurückschreckt, die Thätigkeit
mehrerer Hände von verschiedener Kunstfertigkeit, so wurden doch alle diese
Hände von demselben Geiste geleitet, der selbst da eine liebevolle, bis ins Kleinste
vollendete Ausführung verlangte, wo bei dem hohen Aufstellungsort keines Menschen
Auge hingelangen konnte. So bilden die pergamenischen Skulpturen, deren
Gleichen die Welt noch nicht gesehen hat, auch in rein technischer Hinsicht einen
wohlthuenden Gegensatz zu den Giebelgruppen des olympischen Zeustempels,
die von lieb- und verständnißlosen Steinmetzen mit ungeübter Hand kaum aus
dem Rohen herausgehauen worden sind.

Heute, wo das gewaltige Ereigniß noch mit voller Macht auf unsere Phan¬
tasie einstürmt, ist eine ruhige und unbefangene Würdigung der pergamenischen
Funde noch nicht möglich. Wenn erst das ganze Material beisammen und übersicht¬
lich geordnet sein wird, dann wird auch die ruhige kritische Erwägung an die
Stelle des Enthusiasmus treten und die wissenschaftlichen Resultate zu Tage
fördern. Tausend Fragmente müssen gesichtet, die gefundenen Inschriften, unter
denen sich auch die Weih-Inschrift des Attalvs befindet, müssen entziffert und die
besser erhaltenen Relieftafeln müssen von dem Mörtel gereinigt werden, welcher
die Figuren noch zum Theil den Blicken verhüllt. Dann wird es an der Zeit
sein, die Bedeutung dieses außerordentlichen Fundes für die griechische Kunst¬
geschichte ausführlicher zu erörtern, als es hier nach den ersten überwältigenden
Eindrücken geschehen konnte.


Adolf Rosenberg.


Me letzten Leröstwahten in den gereinigten Staaten.

Die hochgespannter Hoffnungen der demokratischen Partei in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika haben eine arge Täuschung erfahren,
insofern die Wahlen, welche in verschiedenen Einzelstaaten der Union im Sep¬
tember, Oktober und November d. I. stattfanden, der großen Mehrzahl nach
günstig für die Partei der Republikaner ausgefallen sind.

Es ist bekannt, daß unter der achtjährigen Administration des von den
Republikanern zweimal zum Präsidenten gewühlten Generals Great die Demo-


Köpfe offenbart sich aber noch das reine Formengefühl, der Adel echt hellenischer
Kunst, die hier, anf einsamem Posten inmitten barbarischer Völkerschaften, eine
so herrliche Nachblüthe erlebt hat. Zeigt sich auch an der bewunderungswürdigen
Mormorarbeit, die vor dem kühnsten Wagniß nicht zurückschreckt, die Thätigkeit
mehrerer Hände von verschiedener Kunstfertigkeit, so wurden doch alle diese
Hände von demselben Geiste geleitet, der selbst da eine liebevolle, bis ins Kleinste
vollendete Ausführung verlangte, wo bei dem hohen Aufstellungsort keines Menschen
Auge hingelangen konnte. So bilden die pergamenischen Skulpturen, deren
Gleichen die Welt noch nicht gesehen hat, auch in rein technischer Hinsicht einen
wohlthuenden Gegensatz zu den Giebelgruppen des olympischen Zeustempels,
die von lieb- und verständnißlosen Steinmetzen mit ungeübter Hand kaum aus
dem Rohen herausgehauen worden sind.

Heute, wo das gewaltige Ereigniß noch mit voller Macht auf unsere Phan¬
tasie einstürmt, ist eine ruhige und unbefangene Würdigung der pergamenischen
Funde noch nicht möglich. Wenn erst das ganze Material beisammen und übersicht¬
lich geordnet sein wird, dann wird auch die ruhige kritische Erwägung an die
Stelle des Enthusiasmus treten und die wissenschaftlichen Resultate zu Tage
fördern. Tausend Fragmente müssen gesichtet, die gefundenen Inschriften, unter
denen sich auch die Weih-Inschrift des Attalvs befindet, müssen entziffert und die
besser erhaltenen Relieftafeln müssen von dem Mörtel gereinigt werden, welcher
die Figuren noch zum Theil den Blicken verhüllt. Dann wird es an der Zeit
sein, die Bedeutung dieses außerordentlichen Fundes für die griechische Kunst¬
geschichte ausführlicher zu erörtern, als es hier nach den ersten überwältigenden
Eindrücken geschehen konnte.


Adolf Rosenberg.


Me letzten Leröstwahten in den gereinigten Staaten.

Die hochgespannter Hoffnungen der demokratischen Partei in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika haben eine arge Täuschung erfahren,
insofern die Wahlen, welche in verschiedenen Einzelstaaten der Union im Sep¬
tember, Oktober und November d. I. stattfanden, der großen Mehrzahl nach
günstig für die Partei der Republikaner ausgefallen sind.

Es ist bekannt, daß unter der achtjährigen Administration des von den
Republikanern zweimal zum Präsidenten gewühlten Generals Great die Demo-


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[0466] Köpfe offenbart sich aber noch das reine Formengefühl, der Adel echt hellenischer Kunst, die hier, anf einsamem Posten inmitten barbarischer Völkerschaften, eine so herrliche Nachblüthe erlebt hat. Zeigt sich auch an der bewunderungswürdigen Mormorarbeit, die vor dem kühnsten Wagniß nicht zurückschreckt, die Thätigkeit mehrerer Hände von verschiedener Kunstfertigkeit, so wurden doch alle diese Hände von demselben Geiste geleitet, der selbst da eine liebevolle, bis ins Kleinste vollendete Ausführung verlangte, wo bei dem hohen Aufstellungsort keines Menschen Auge hingelangen konnte. So bilden die pergamenischen Skulpturen, deren Gleichen die Welt noch nicht gesehen hat, auch in rein technischer Hinsicht einen wohlthuenden Gegensatz zu den Giebelgruppen des olympischen Zeustempels, die von lieb- und verständnißlosen Steinmetzen mit ungeübter Hand kaum aus dem Rohen herausgehauen worden sind. Heute, wo das gewaltige Ereigniß noch mit voller Macht auf unsere Phan¬ tasie einstürmt, ist eine ruhige und unbefangene Würdigung der pergamenischen Funde noch nicht möglich. Wenn erst das ganze Material beisammen und übersicht¬ lich geordnet sein wird, dann wird auch die ruhige kritische Erwägung an die Stelle des Enthusiasmus treten und die wissenschaftlichen Resultate zu Tage fördern. Tausend Fragmente müssen gesichtet, die gefundenen Inschriften, unter denen sich auch die Weih-Inschrift des Attalvs befindet, müssen entziffert und die besser erhaltenen Relieftafeln müssen von dem Mörtel gereinigt werden, welcher die Figuren noch zum Theil den Blicken verhüllt. Dann wird es an der Zeit sein, die Bedeutung dieses außerordentlichen Fundes für die griechische Kunst¬ geschichte ausführlicher zu erörtern, als es hier nach den ersten überwältigenden Eindrücken geschehen konnte. Adolf Rosenberg. Me letzten Leröstwahten in den gereinigten Staaten. Die hochgespannter Hoffnungen der demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben eine arge Täuschung erfahren, insofern die Wahlen, welche in verschiedenen Einzelstaaten der Union im Sep¬ tember, Oktober und November d. I. stattfanden, der großen Mehrzahl nach günstig für die Partei der Republikaner ausgefallen sind. Es ist bekannt, daß unter der achtjährigen Administration des von den Republikanern zweimal zum Präsidenten gewühlten Generals Great die Demo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/466>, abgerufen am 23.07.2024.