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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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that endlich Attalos ihren Beutezügen Einhalt. Er zog ihnen mit seinem Heere,
welches er zuvor durch glückliche Zeichen ermuthigt hatte, entgegen und ver¬
nichtete sie in einer furchtbaren Entscheidungsschlacht in der Nähe seiner Haupt¬
stadt. Als der Sieger auf seine Akropolis heimkehrte, legte er das Diadem
um seine Stirn und nahm den Königstitel an. Nach der allgemeinen Annahme
fällt dieser Galliersieg, der den Barbaren wenigstens für ein Menschenalter
einen heilsamen Schrecken einjagte, in das Jahr 2Z8.

Der Ruf von der glänzenden Waffenthat des Attalos drang bald nach
Hellas hinüber, und der neue König, ein Mann, der nach dem Ausspruch des
Livius auch durch Geistesgröße des königlichen Namens würdig war, glaubte
seinen Sieg nicht besser verherrlichen zu können als durch Weihgeschenke an
die Götter, die er durch Künstlerhand ausführen ließ. Plinius erzählt, daß
es vorzugsweise Jsigonos, Phyromachos, Stratonikos und Antigonos waren,
die seine und des Eumenes Siege über die Gallier darstellten. Wir wissen
serner, daß es nicht blos Statuen waren, sondern auch Gemälde, von denen
uns Pausanias ausdrücklich berichtet. Von einem dieser Weihgeschenke, dem aus
der Burg zu Athen, macht uns derselbe Pausanias eine ausführliche Mitthei¬
lung. An der Südseite der Akropolis, dicht an der Mauer, sah Pausanias
vier Kämpfergruppen, bestehend aus Figuren von zwei Ellen Höhe, welche
König Attalos dorthin gestiftet hatte: den Kampf der Götter mit den Gigan¬
ten, den Kampf der Athener gegen die Amazonen, die Schlacht bei Marathon
und deu Sieg der Pergamener über die Galater. In allen vier Gruppen war
also der Sieg der Civilisation und der Gesittung über die Personifikationen
finsterer Naturgewalten und die Vertreter der barbarischen Welt symbolisirt,
und speziell die Gigantenschlacht der Götter war das Prototyp für den Kampf
des Attalos, den er zugleich im Namen der hellenischen Bildung gegen kultur¬
feindliche Elemente ausgefochten. Bötticher hat bei feinen Untersuchungen auf der
Akropolis zu Athen die Basen entdeckt, auf welchen die Statuengruppen aus¬
gestellt waren, während Brunn mit großem Scharfsinn in Venedig, Rom und
Neapel acht Marmorfiguren ausfindig gemacht hat, welche unzweifelhaft Be¬
standtheile des Mäuschen Weihgeschenkes bildeten. Es sind fünf Gallier, theils
in Kümpferstellung, theils verwundet zusammengesunken, ein sterbender Persier,
eine todt dahingestreckte Amazone und ein Phrygier aus dem pergamenischen
Heere, der auf einem Schilde knieend den Gegner abwehrt. Ob eine neunte
Figur, ein in Paris befindlicher Gigant, ebenfalls zu diesen Gruppen gehört,
ist noch nicht hinlänglich erwiesen, aber wahrscheinlich. So naturalistisch durch¬
gebildet diese Figuren auch sind, und so sehr sie auch den realistischen Charakter
der nachlysippischen Kunst an sich tragen, was sich nicht blos an der Marki-
rung der Wunden, sondern ganz besonders auch an der scharfen und natur-


that endlich Attalos ihren Beutezügen Einhalt. Er zog ihnen mit seinem Heere,
welches er zuvor durch glückliche Zeichen ermuthigt hatte, entgegen und ver¬
nichtete sie in einer furchtbaren Entscheidungsschlacht in der Nähe seiner Haupt¬
stadt. Als der Sieger auf seine Akropolis heimkehrte, legte er das Diadem
um seine Stirn und nahm den Königstitel an. Nach der allgemeinen Annahme
fällt dieser Galliersieg, der den Barbaren wenigstens für ein Menschenalter
einen heilsamen Schrecken einjagte, in das Jahr 2Z8.

Der Ruf von der glänzenden Waffenthat des Attalos drang bald nach
Hellas hinüber, und der neue König, ein Mann, der nach dem Ausspruch des
Livius auch durch Geistesgröße des königlichen Namens würdig war, glaubte
seinen Sieg nicht besser verherrlichen zu können als durch Weihgeschenke an
die Götter, die er durch Künstlerhand ausführen ließ. Plinius erzählt, daß
es vorzugsweise Jsigonos, Phyromachos, Stratonikos und Antigonos waren,
die seine und des Eumenes Siege über die Gallier darstellten. Wir wissen
serner, daß es nicht blos Statuen waren, sondern auch Gemälde, von denen
uns Pausanias ausdrücklich berichtet. Von einem dieser Weihgeschenke, dem aus
der Burg zu Athen, macht uns derselbe Pausanias eine ausführliche Mitthei¬
lung. An der Südseite der Akropolis, dicht an der Mauer, sah Pausanias
vier Kämpfergruppen, bestehend aus Figuren von zwei Ellen Höhe, welche
König Attalos dorthin gestiftet hatte: den Kampf der Götter mit den Gigan¬
ten, den Kampf der Athener gegen die Amazonen, die Schlacht bei Marathon
und deu Sieg der Pergamener über die Galater. In allen vier Gruppen war
also der Sieg der Civilisation und der Gesittung über die Personifikationen
finsterer Naturgewalten und die Vertreter der barbarischen Welt symbolisirt,
und speziell die Gigantenschlacht der Götter war das Prototyp für den Kampf
des Attalos, den er zugleich im Namen der hellenischen Bildung gegen kultur¬
feindliche Elemente ausgefochten. Bötticher hat bei feinen Untersuchungen auf der
Akropolis zu Athen die Basen entdeckt, auf welchen die Statuengruppen aus¬
gestellt waren, während Brunn mit großem Scharfsinn in Venedig, Rom und
Neapel acht Marmorfiguren ausfindig gemacht hat, welche unzweifelhaft Be¬
standtheile des Mäuschen Weihgeschenkes bildeten. Es sind fünf Gallier, theils
in Kümpferstellung, theils verwundet zusammengesunken, ein sterbender Persier,
eine todt dahingestreckte Amazone und ein Phrygier aus dem pergamenischen
Heere, der auf einem Schilde knieend den Gegner abwehrt. Ob eine neunte
Figur, ein in Paris befindlicher Gigant, ebenfalls zu diesen Gruppen gehört,
ist noch nicht hinlänglich erwiesen, aber wahrscheinlich. So naturalistisch durch¬
gebildet diese Figuren auch sind, und so sehr sie auch den realistischen Charakter
der nachlysippischen Kunst an sich tragen, was sich nicht blos an der Marki-
rung der Wunden, sondern ganz besonders auch an der scharfen und natur-


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[0460] that endlich Attalos ihren Beutezügen Einhalt. Er zog ihnen mit seinem Heere, welches er zuvor durch glückliche Zeichen ermuthigt hatte, entgegen und ver¬ nichtete sie in einer furchtbaren Entscheidungsschlacht in der Nähe seiner Haupt¬ stadt. Als der Sieger auf seine Akropolis heimkehrte, legte er das Diadem um seine Stirn und nahm den Königstitel an. Nach der allgemeinen Annahme fällt dieser Galliersieg, der den Barbaren wenigstens für ein Menschenalter einen heilsamen Schrecken einjagte, in das Jahr 2Z8. Der Ruf von der glänzenden Waffenthat des Attalos drang bald nach Hellas hinüber, und der neue König, ein Mann, der nach dem Ausspruch des Livius auch durch Geistesgröße des königlichen Namens würdig war, glaubte seinen Sieg nicht besser verherrlichen zu können als durch Weihgeschenke an die Götter, die er durch Künstlerhand ausführen ließ. Plinius erzählt, daß es vorzugsweise Jsigonos, Phyromachos, Stratonikos und Antigonos waren, die seine und des Eumenes Siege über die Gallier darstellten. Wir wissen serner, daß es nicht blos Statuen waren, sondern auch Gemälde, von denen uns Pausanias ausdrücklich berichtet. Von einem dieser Weihgeschenke, dem aus der Burg zu Athen, macht uns derselbe Pausanias eine ausführliche Mitthei¬ lung. An der Südseite der Akropolis, dicht an der Mauer, sah Pausanias vier Kämpfergruppen, bestehend aus Figuren von zwei Ellen Höhe, welche König Attalos dorthin gestiftet hatte: den Kampf der Götter mit den Gigan¬ ten, den Kampf der Athener gegen die Amazonen, die Schlacht bei Marathon und deu Sieg der Pergamener über die Galater. In allen vier Gruppen war also der Sieg der Civilisation und der Gesittung über die Personifikationen finsterer Naturgewalten und die Vertreter der barbarischen Welt symbolisirt, und speziell die Gigantenschlacht der Götter war das Prototyp für den Kampf des Attalos, den er zugleich im Namen der hellenischen Bildung gegen kultur¬ feindliche Elemente ausgefochten. Bötticher hat bei feinen Untersuchungen auf der Akropolis zu Athen die Basen entdeckt, auf welchen die Statuengruppen aus¬ gestellt waren, während Brunn mit großem Scharfsinn in Venedig, Rom und Neapel acht Marmorfiguren ausfindig gemacht hat, welche unzweifelhaft Be¬ standtheile des Mäuschen Weihgeschenkes bildeten. Es sind fünf Gallier, theils in Kümpferstellung, theils verwundet zusammengesunken, ein sterbender Persier, eine todt dahingestreckte Amazone und ein Phrygier aus dem pergamenischen Heere, der auf einem Schilde knieend den Gegner abwehrt. Ob eine neunte Figur, ein in Paris befindlicher Gigant, ebenfalls zu diesen Gruppen gehört, ist noch nicht hinlänglich erwiesen, aber wahrscheinlich. So naturalistisch durch¬ gebildet diese Figuren auch sind, und so sehr sie auch den realistischen Charakter der nachlysippischen Kunst an sich tragen, was sich nicht blos an der Marki- rung der Wunden, sondern ganz besonders auch an der scharfen und natur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/460>, abgerufen am 23.07.2024.