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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Me Zsunde von pergamon im Jerliner Klusemn.

Die Kunde von den großartigen Entdeckungen auf der Akropolis des alten
Pergamon ist mit Blitzesschnelle dnrch die gebildete Welt geeilt: im deutschen
Vaterlande überall mit Jnbel begrüßt, mit Enthusiasmus weitergetragen, im
Auslande mit demselben verbissenen Groll aufgenommen, der seit einem Jahr¬
zehnt alle glücklichen Unternehmungen Deutschlands und Preußens begleitet.
England zumal, das sich seit einem Jahrhundert als den unumschränkten Herrn
des Orients wähnt, als den privilegirten Schatzgräber ans den Nuinenstätten
der alten Kultur, hat bei dieser Kunde seinen Ingrimm und seine Scheelsucht
nicht verbergen können. Was England seit dreißig Jahren in Kleinasien zu¬
sammengeraubt oder durch große Opfer erworben, wird mit einem Male durch
die deutschen Entdeckungen in Pergamon in den Schatten gestellt. Noch mehr,
die edelsten Schätze des britischen Museums, die von Lord Elgin geraubten
Bildwerke des Parthenon, haben in den pergamenischen Skulpturen Rivalen
erhalten, die jene um das Renommee alleiniger Priorität zu bringen drohen.
Die Skulpturen von Pergamon sind ebenso grandios, ebenso einzig in ihrer
Art wie die LIAn wÄrdlss.

Der Verdruß, daß England mühelos und ohne Opfer an Blut und anderen
edlen Gütern Schätze und Länder einheimst, ist allgemach in unserem Volke
großer und größer geworden. Gleichmäßig beherrscht diese Stimmung alle
Kreise, und darum kann es Niemanden Wunder nehmen, daß sich in den vollen
Accord des Jubels auch ein Ton der Schadenfreude mischt, daß England zu¬
sehen mußte, wie deutsche Männer unter dem Schutze legal erworbener Rechte
unerhörte Schätze dem klassischen Boden enthoben, daß ein Engländer es war,
welcher zuerst der gebildeten Welt die Kunde von dem friedlichen Siege Deutsch¬
lands bei Pergamon bringen mußte. Wir haben den Spott des Auslands
über den deutschen Idealismus, über unsere Uneigennützigkeit bei den Ausgra¬
bungen in Olympia geduldig ertragen müssen, weil er nur zu sehr gerecht¬
fertigt war. Jetzt hat der "ehrliche Makler" gleichsam seine Provision erhalten,
und Hohn und Spott sind verstummt. Vielleicht hat gerade die uneigennützige
Haltung Deutschlands in der Orientpolitik dazu beigetrcigeu, daß es dem Ge¬
schick unseres diplomatische" Vertreters in Konstantinopel, des Grafen Hatz-
feldt, am Ende gelungen ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden und den
Fernau des Sultans zu erwirken, der uns die Ausfuhr dieser kostbaren Schätze
gestattete.


Me Zsunde von pergamon im Jerliner Klusemn.

Die Kunde von den großartigen Entdeckungen auf der Akropolis des alten
Pergamon ist mit Blitzesschnelle dnrch die gebildete Welt geeilt: im deutschen
Vaterlande überall mit Jnbel begrüßt, mit Enthusiasmus weitergetragen, im
Auslande mit demselben verbissenen Groll aufgenommen, der seit einem Jahr¬
zehnt alle glücklichen Unternehmungen Deutschlands und Preußens begleitet.
England zumal, das sich seit einem Jahrhundert als den unumschränkten Herrn
des Orients wähnt, als den privilegirten Schatzgräber ans den Nuinenstätten
der alten Kultur, hat bei dieser Kunde seinen Ingrimm und seine Scheelsucht
nicht verbergen können. Was England seit dreißig Jahren in Kleinasien zu¬
sammengeraubt oder durch große Opfer erworben, wird mit einem Male durch
die deutschen Entdeckungen in Pergamon in den Schatten gestellt. Noch mehr,
die edelsten Schätze des britischen Museums, die von Lord Elgin geraubten
Bildwerke des Parthenon, haben in den pergamenischen Skulpturen Rivalen
erhalten, die jene um das Renommee alleiniger Priorität zu bringen drohen.
Die Skulpturen von Pergamon sind ebenso grandios, ebenso einzig in ihrer
Art wie die LIAn wÄrdlss.

Der Verdruß, daß England mühelos und ohne Opfer an Blut und anderen
edlen Gütern Schätze und Länder einheimst, ist allgemach in unserem Volke
großer und größer geworden. Gleichmäßig beherrscht diese Stimmung alle
Kreise, und darum kann es Niemanden Wunder nehmen, daß sich in den vollen
Accord des Jubels auch ein Ton der Schadenfreude mischt, daß England zu¬
sehen mußte, wie deutsche Männer unter dem Schutze legal erworbener Rechte
unerhörte Schätze dem klassischen Boden enthoben, daß ein Engländer es war,
welcher zuerst der gebildeten Welt die Kunde von dem friedlichen Siege Deutsch¬
lands bei Pergamon bringen mußte. Wir haben den Spott des Auslands
über den deutschen Idealismus, über unsere Uneigennützigkeit bei den Ausgra¬
bungen in Olympia geduldig ertragen müssen, weil er nur zu sehr gerecht¬
fertigt war. Jetzt hat der „ehrliche Makler" gleichsam seine Provision erhalten,
und Hohn und Spott sind verstummt. Vielleicht hat gerade die uneigennützige
Haltung Deutschlands in der Orientpolitik dazu beigetrcigeu, daß es dem Ge¬
schick unseres diplomatische» Vertreters in Konstantinopel, des Grafen Hatz-
feldt, am Ende gelungen ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden und den
Fernau des Sultans zu erwirken, der uns die Ausfuhr dieser kostbaren Schätze
gestattete.


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[0458] Me Zsunde von pergamon im Jerliner Klusemn. Die Kunde von den großartigen Entdeckungen auf der Akropolis des alten Pergamon ist mit Blitzesschnelle dnrch die gebildete Welt geeilt: im deutschen Vaterlande überall mit Jnbel begrüßt, mit Enthusiasmus weitergetragen, im Auslande mit demselben verbissenen Groll aufgenommen, der seit einem Jahr¬ zehnt alle glücklichen Unternehmungen Deutschlands und Preußens begleitet. England zumal, das sich seit einem Jahrhundert als den unumschränkten Herrn des Orients wähnt, als den privilegirten Schatzgräber ans den Nuinenstätten der alten Kultur, hat bei dieser Kunde seinen Ingrimm und seine Scheelsucht nicht verbergen können. Was England seit dreißig Jahren in Kleinasien zu¬ sammengeraubt oder durch große Opfer erworben, wird mit einem Male durch die deutschen Entdeckungen in Pergamon in den Schatten gestellt. Noch mehr, die edelsten Schätze des britischen Museums, die von Lord Elgin geraubten Bildwerke des Parthenon, haben in den pergamenischen Skulpturen Rivalen erhalten, die jene um das Renommee alleiniger Priorität zu bringen drohen. Die Skulpturen von Pergamon sind ebenso grandios, ebenso einzig in ihrer Art wie die LIAn wÄrdlss. Der Verdruß, daß England mühelos und ohne Opfer an Blut und anderen edlen Gütern Schätze und Länder einheimst, ist allgemach in unserem Volke großer und größer geworden. Gleichmäßig beherrscht diese Stimmung alle Kreise, und darum kann es Niemanden Wunder nehmen, daß sich in den vollen Accord des Jubels auch ein Ton der Schadenfreude mischt, daß England zu¬ sehen mußte, wie deutsche Männer unter dem Schutze legal erworbener Rechte unerhörte Schätze dem klassischen Boden enthoben, daß ein Engländer es war, welcher zuerst der gebildeten Welt die Kunde von dem friedlichen Siege Deutsch¬ lands bei Pergamon bringen mußte. Wir haben den Spott des Auslands über den deutschen Idealismus, über unsere Uneigennützigkeit bei den Ausgra¬ bungen in Olympia geduldig ertragen müssen, weil er nur zu sehr gerecht¬ fertigt war. Jetzt hat der „ehrliche Makler" gleichsam seine Provision erhalten, und Hohn und Spott sind verstummt. Vielleicht hat gerade die uneigennützige Haltung Deutschlands in der Orientpolitik dazu beigetrcigeu, daß es dem Ge¬ schick unseres diplomatische» Vertreters in Konstantinopel, des Grafen Hatz- feldt, am Ende gelungen ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden und den Fernau des Sultans zu erwirken, der uns die Ausfuhr dieser kostbaren Schätze gestattete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/458>, abgerufen am 23.07.2024.