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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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ja Ungesetzliche seines Benehmens zum Bewußtsein brachte, hätte die lange
Zögerung des Ernannten und die Art, wie er seine Ernennung aufnahm, jeden
anderen als diesen Phantasten mit "den reinen Absichten" über die unglaubliche
Thorheit seinen Planes belehren müssen. Fesch, der Stiefonkel Napoleons, "die
konnsche Figur des Hauses Bonaparte", ein Mann, dessen Interessen durchaus
in Rom und Frankreich lagen, der Deutschland nie betreten hatte, von seinen Ein¬
richtungen, seiner Literatur, seiner Sprache nicht das Mindeste wußte, sollte jetzt
des deutschen Erzkanzlers Coadjutor und später selbst Erzkanzler werden! Nicht
minder thöricht erscheint der Gedanke in Bezug auf die Hoffnungen Dalbergs
für die Neugestaltung der katholisch-deutschen Kirche, denn Fesch war römisch
gesinnt und also für Ideen, wie sie der Erzkanzler hegte, ganz unzugänglich.
Jedenfalls sah der Kardinal besser, als er, die Thorheit des ganzen Planes ein,
denn nur ein direkter Befehl des Kaisers veranlaßte ihn, die ihm höchst un¬
willkommene Stellung anzunehmen, wobei er sich ausdrücklich ausbedang, Erz-
bischof von Lyon bleiben zu dürfen. Seinen Entschluß zeigte er Dalberg in
einem sehr charakteristischen Briefe vom 29. Juni an, aus dem wir folgende
Stellen ausheben: (jusllsscius soisnt los raisons, beginnt er, qui vous out
äüviäü ^'sehr Iss ^sux sur moi xour fers votrs Oo^äMsui', skiff ins
sont aosoluwsut ütranAsrss; se si ,js us rüvonäkäs point var inss
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>js n'nes.18 point avvsls? ... >Is ins xlaisais -1 msäitsr 1'stsruslls vsritü
Ms V. ni'a souvsnt rsvötss: (juasrlts xriinuiu rsAuuiu I>si. Du seist
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pour vroäuirs su aoouäauos ass kruits al^usf an Ro^anas as Dihu?

Dies Alles scheint auf Dalberg keinen weiteren Eindruck gemacht zu haben.
Er schwelgte in dem Gefühle eines "Meisterstreichs", wie sein getreuer Graf
Beust in Paris den Einfall nannte, und betrieb eifrig die erforderliche päpstliche
Bestätigung für den Kardinal. Doch die Angelegenheit zog sich wie üblich in
die Länge und ist auch niemals zu dem ursprünglich beabsichtigten Abschluß ge¬
bracht worden. Die Ereignisse warfen auch die Coadjutorie des Kardinals
Ntttsammt der Kur- und Erzkanzlerwürde zu den Todten.

Um so raschere Erfüllung war den Hoffnungen beschieden, welche Dalberg
über die Wiederaufrichtung des occidentalischen Reiches ausgesprochen hatte.
Die Zustände, wie sie seit dein Preßburger Frieden (26. Dezember 1805) in
Deutschland bestanden, waren allerdings unhaltbar. Schon seit dem April 1806
wurde deshalb in Paris mit Baiern, Würtemberg und Baden über die Grund¬
lagen des Rheinbundes verhandelt. Wie für diese Staaten erhebliche Ver-


ja Ungesetzliche seines Benehmens zum Bewußtsein brachte, hätte die lange
Zögerung des Ernannten und die Art, wie er seine Ernennung aufnahm, jeden
anderen als diesen Phantasten mit „den reinen Absichten" über die unglaubliche
Thorheit seinen Planes belehren müssen. Fesch, der Stiefonkel Napoleons, „die
konnsche Figur des Hauses Bonaparte", ein Mann, dessen Interessen durchaus
in Rom und Frankreich lagen, der Deutschland nie betreten hatte, von seinen Ein¬
richtungen, seiner Literatur, seiner Sprache nicht das Mindeste wußte, sollte jetzt
des deutschen Erzkanzlers Coadjutor und später selbst Erzkanzler werden! Nicht
minder thöricht erscheint der Gedanke in Bezug auf die Hoffnungen Dalbergs
für die Neugestaltung der katholisch-deutschen Kirche, denn Fesch war römisch
gesinnt und also für Ideen, wie sie der Erzkanzler hegte, ganz unzugänglich.
Jedenfalls sah der Kardinal besser, als er, die Thorheit des ganzen Planes ein,
denn nur ein direkter Befehl des Kaisers veranlaßte ihn, die ihm höchst un¬
willkommene Stellung anzunehmen, wobei er sich ausdrücklich ausbedang, Erz-
bischof von Lyon bleiben zu dürfen. Seinen Entschluß zeigte er Dalberg in
einem sehr charakteristischen Briefe vom 29. Juni an, aus dem wir folgende
Stellen ausheben: (jusllsscius soisnt los raisons, beginnt er, qui vous out
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Dies Alles scheint auf Dalberg keinen weiteren Eindruck gemacht zu haben.
Er schwelgte in dem Gefühle eines „Meisterstreichs", wie sein getreuer Graf
Beust in Paris den Einfall nannte, und betrieb eifrig die erforderliche päpstliche
Bestätigung für den Kardinal. Doch die Angelegenheit zog sich wie üblich in
die Länge und ist auch niemals zu dem ursprünglich beabsichtigten Abschluß ge¬
bracht worden. Die Ereignisse warfen auch die Coadjutorie des Kardinals
Ntttsammt der Kur- und Erzkanzlerwürde zu den Todten.

Um so raschere Erfüllung war den Hoffnungen beschieden, welche Dalberg
über die Wiederaufrichtung des occidentalischen Reiches ausgesprochen hatte.
Die Zustände, wie sie seit dein Preßburger Frieden (26. Dezember 1805) in
Deutschland bestanden, waren allerdings unhaltbar. Schon seit dem April 1806
wurde deshalb in Paris mit Baiern, Würtemberg und Baden über die Grund¬
lagen des Rheinbundes verhandelt. Wie für diese Staaten erhebliche Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/451>, abgerufen am 25.08.2024.