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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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der Kommission festgesetzt, daß, falls der Gewählte nicht bereits vor der Wahl
eine Gastpredigt gehalten habe, er auch sonst der Gemeinde nicht schon hin¬
länglich bekannt sei, eine Probepredigt und Katechisation stattfinden solle. Wir
können diese Bestimmung nur billigen. Die Wahl, um die es sich in der
ganzen Pfarrwahl-Ordnung handelt, wird von den Gemeinde-Organen voll¬
zogen. Diese wählen vielleicht eine Persönlichkeit, die der Gemeinde völlig
unbekannt ist. Das ist ein Mißstand, der die Rechte der Gemeinde beeinträch¬
tigt, und es ist gut, daß er beseitigt ist. Wenn die Verordnung vom 2. De¬
zember 1874 jedem Gemeindegliede gestattet, gegen Lehre, Gaben und Wandel
des Gewählten Einspruch zu erheben, dann muß ihm auch die Möglichkeit dazu
nicht beschränkt werden. Wir halten daher diese Bestimmung der Synode für
durchaus korrekt. Ihr entspricht es, daß nun auch die Frist des Einspruchs¬
rechts beziehungsweise von der Probepredigt an gerechnet wird. Einen letzten
wichtigen Punkt, der unsre Beachtung beansprucht, bildet Z 14, welcher für den
Fall, daß auch eine zweite Pfarrwahl die Bestätigung des Kirchenregiments
nicht erlangt hat, diesem die Befugniß gibt, ohne Konkurrenz einer weiteren
Gemeindewahl die Stelle zu besetzen. Diese Bestimmung entspricht allerdings
nicht der Richtung, welche das evangelische Kirchenrecht auf diesem Gebiete ein¬
geschlagen hat. Dasselbe weiß nichts von einem Devolutionsrecht in Bezug
auf Gemeindewahlen. Allein es bleibt kein anderer Ausweg übrig als der
hier von der Synode betretene. Die Bedürfnisse der Gemeinde dürfen nicht
dauernd unter der Differenz zwischen den Gemeinde-Vertretungen und dem
Kirchenregiment leiden. Und daß' diese Bestimmung dazu dienen wird, die
ersteren zu nöthigen, bei der Pfarrwahl die Interessen auch der Minorität zu
berücksichtigen und nicht Persönlichkeiten zu designiren, die zu Protesten der¬
selben Anlaß geben, können wir nur als einen Gewinn ansehen. Uebrigens
entspricht diese Anordnung auch der Mai-Gesetzgebung, insofern die letztere auf
die möglichste Beschränkung der Zeitfristen für Pfarrvacanzen Bedacht nimmt.
Schließlich können wir den Wunsch nicht unterdrücken, daß die neue Pfarrwahl-
Ordnung in den entscheidenden Bestimmungen -- Wahl durch die gesetzlichen
Vertretungen und Regulirung der Bewerbungen mit Rücksicht auf das Dienst¬
alter der Bewerber und die Einkünfte der Stellen -- durch die synodalen
Organe auf alle Gemeinden, denen das Recht der Pfarrwahl zusteht, über¬
tragen werden möchte.


H. Jacoby.


der Kommission festgesetzt, daß, falls der Gewählte nicht bereits vor der Wahl
eine Gastpredigt gehalten habe, er auch sonst der Gemeinde nicht schon hin¬
länglich bekannt sei, eine Probepredigt und Katechisation stattfinden solle. Wir
können diese Bestimmung nur billigen. Die Wahl, um die es sich in der
ganzen Pfarrwahl-Ordnung handelt, wird von den Gemeinde-Organen voll¬
zogen. Diese wählen vielleicht eine Persönlichkeit, die der Gemeinde völlig
unbekannt ist. Das ist ein Mißstand, der die Rechte der Gemeinde beeinträch¬
tigt, und es ist gut, daß er beseitigt ist. Wenn die Verordnung vom 2. De¬
zember 1874 jedem Gemeindegliede gestattet, gegen Lehre, Gaben und Wandel
des Gewählten Einspruch zu erheben, dann muß ihm auch die Möglichkeit dazu
nicht beschränkt werden. Wir halten daher diese Bestimmung der Synode für
durchaus korrekt. Ihr entspricht es, daß nun auch die Frist des Einspruchs¬
rechts beziehungsweise von der Probepredigt an gerechnet wird. Einen letzten
wichtigen Punkt, der unsre Beachtung beansprucht, bildet Z 14, welcher für den
Fall, daß auch eine zweite Pfarrwahl die Bestätigung des Kirchenregiments
nicht erlangt hat, diesem die Befugniß gibt, ohne Konkurrenz einer weiteren
Gemeindewahl die Stelle zu besetzen. Diese Bestimmung entspricht allerdings
nicht der Richtung, welche das evangelische Kirchenrecht auf diesem Gebiete ein¬
geschlagen hat. Dasselbe weiß nichts von einem Devolutionsrecht in Bezug
auf Gemeindewahlen. Allein es bleibt kein anderer Ausweg übrig als der
hier von der Synode betretene. Die Bedürfnisse der Gemeinde dürfen nicht
dauernd unter der Differenz zwischen den Gemeinde-Vertretungen und dem
Kirchenregiment leiden. Und daß' diese Bestimmung dazu dienen wird, die
ersteren zu nöthigen, bei der Pfarrwahl die Interessen auch der Minorität zu
berücksichtigen und nicht Persönlichkeiten zu designiren, die zu Protesten der¬
selben Anlaß geben, können wir nur als einen Gewinn ansehen. Uebrigens
entspricht diese Anordnung auch der Mai-Gesetzgebung, insofern die letztere auf
die möglichste Beschränkung der Zeitfristen für Pfarrvacanzen Bedacht nimmt.
Schließlich können wir den Wunsch nicht unterdrücken, daß die neue Pfarrwahl-
Ordnung in den entscheidenden Bestimmungen — Wahl durch die gesetzlichen
Vertretungen und Regulirung der Bewerbungen mit Rücksicht auf das Dienst¬
alter der Bewerber und die Einkünfte der Stellen — durch die synodalen
Organe auf alle Gemeinden, denen das Recht der Pfarrwahl zusteht, über¬
tragen werden möchte.


H. Jacoby.


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[0448] der Kommission festgesetzt, daß, falls der Gewählte nicht bereits vor der Wahl eine Gastpredigt gehalten habe, er auch sonst der Gemeinde nicht schon hin¬ länglich bekannt sei, eine Probepredigt und Katechisation stattfinden solle. Wir können diese Bestimmung nur billigen. Die Wahl, um die es sich in der ganzen Pfarrwahl-Ordnung handelt, wird von den Gemeinde-Organen voll¬ zogen. Diese wählen vielleicht eine Persönlichkeit, die der Gemeinde völlig unbekannt ist. Das ist ein Mißstand, der die Rechte der Gemeinde beeinträch¬ tigt, und es ist gut, daß er beseitigt ist. Wenn die Verordnung vom 2. De¬ zember 1874 jedem Gemeindegliede gestattet, gegen Lehre, Gaben und Wandel des Gewählten Einspruch zu erheben, dann muß ihm auch die Möglichkeit dazu nicht beschränkt werden. Wir halten daher diese Bestimmung der Synode für durchaus korrekt. Ihr entspricht es, daß nun auch die Frist des Einspruchs¬ rechts beziehungsweise von der Probepredigt an gerechnet wird. Einen letzten wichtigen Punkt, der unsre Beachtung beansprucht, bildet Z 14, welcher für den Fall, daß auch eine zweite Pfarrwahl die Bestätigung des Kirchenregiments nicht erlangt hat, diesem die Befugniß gibt, ohne Konkurrenz einer weiteren Gemeindewahl die Stelle zu besetzen. Diese Bestimmung entspricht allerdings nicht der Richtung, welche das evangelische Kirchenrecht auf diesem Gebiete ein¬ geschlagen hat. Dasselbe weiß nichts von einem Devolutionsrecht in Bezug auf Gemeindewahlen. Allein es bleibt kein anderer Ausweg übrig als der hier von der Synode betretene. Die Bedürfnisse der Gemeinde dürfen nicht dauernd unter der Differenz zwischen den Gemeinde-Vertretungen und dem Kirchenregiment leiden. Und daß' diese Bestimmung dazu dienen wird, die ersteren zu nöthigen, bei der Pfarrwahl die Interessen auch der Minorität zu berücksichtigen und nicht Persönlichkeiten zu designiren, die zu Protesten der¬ selben Anlaß geben, können wir nur als einen Gewinn ansehen. Uebrigens entspricht diese Anordnung auch der Mai-Gesetzgebung, insofern die letztere auf die möglichste Beschränkung der Zeitfristen für Pfarrvacanzen Bedacht nimmt. Schließlich können wir den Wunsch nicht unterdrücken, daß die neue Pfarrwahl- Ordnung in den entscheidenden Bestimmungen — Wahl durch die gesetzlichen Vertretungen und Regulirung der Bewerbungen mit Rücksicht auf das Dienst¬ alter der Bewerber und die Einkünfte der Stellen — durch die synodalen Organe auf alle Gemeinden, denen das Recht der Pfarrwahl zusteht, über¬ tragen werden möchte. H. Jacoby.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/448>, abgerufen am 25.08.2024.