Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

haben wir nicht zu klagen. Bei uns in Ostpreußen wenigstens sind die Ge¬
meinden so verständig, in erster Linie nicht nach der theologischen Richtung
der Kandidaten, sondern nach dem Gesammteindruck ihrer Persönlichkeit, ihrer
homiletischen Begabung und Leistung zu fragen. Daß ihnen dabei Mißgriffe
begegnen, wollen wir nicht besonders rügen. Auch Konsistorien find nicht un¬
fehlbar. Was aber sehr peinlich berührt, das sind die Parteigegensätze, welche
solche Wahlen hervorbringen, die Agitationen widerlichster Art, die sich mit
ihnen verbinden und selbst zur Zeitungsreklame greifen. Indessen in den Fällen,
welche die Pfarrwahl-Ordnung regeln will, handelt es sich um Wahlen, bei
denen nicht die Gemeinde unmittelbar, sondern durch ihre gesetzmäßigen Ver¬
tretungen thätig ist, bei denen sich also zu den gerügten Agitationen weniger
Spielraum bietet, bei denen ferner durch den oben zitirten A 3 für die Bewer¬
bung gewisse Schränken gezogen sind. Mag es hie und da auch in diesen
Fällen an bedauerlichen Vorkommnissen nicht gefehlt haben, so reicht das vor¬
liegende Material doch nicht aus, um die Entziehung eines eben erst verliehenen
Rechtes zu begründen. Es läßt sich hoffen, daß die Gemeinden es lernen
werden, in würdiger Weise sich desselben zu bedienen. Was in den westlichen
Provinzen, was in der Provinz Posen erreicht ist, kann kein unerreichbares
Ideal für die übrigen Provinzen bilden. Auch wäre es wenig angebracht ge¬
wesen, in dem Augenblick, in welchem den Gemeinden kirchliche Steuern auf¬
erlegt werden sollen, ihnen ein so werthvolles Recht wieder zu entziehen.

Nur wenige Worte fügen wir noch über einige andere Bestimmungen der
Pfarrwahl-Ordnung hinzu. Als ein fünfter Grund für das Konsistorium, die
Bestätigung zu versagen, ist durch Beschluß der Synode, gemäß einem Antrag
des Konsistorial-Präsidenten Hegel, der Fall bezeichnet worden, daß der Ge¬
wählte durch persönliches Werben um Stimmen in einer oder der anderen
Weise mit unwürdigen Mitteln auf feine Wahl einzuwirken versucht habe. Die
Minorität, welche gegen diesen Antrag stimmte, ließ sich dabei von den, wie
uns scheint, wohlbegründeten Gedanken leiten, daß ein solcher Pcissns nicht in
das Gesetz gehöre, und vor allem, daß er die Würde des geistlichen Standes
schädige. Sie handelte in Uebereinstimmung mit dem Präsidenten des Ober¬
kirchenraths, der die gewiß zutreffende Erklärung abgab, daß weder die Ge¬
meinden so roh, noch die Geistlichen so depravirt seien, um eine solche Bestim¬
mung zu rechtfertigen. Sie sei überflüssig, weil das Nöthige schon im allge¬
meinen Landrecht vorgesehen sei, und bedenklich, weil sie einen Makel auf die
Geistlichen werfe. Eine andere von der Synode beschlossene Neuregelung
betrifft die Probepredigt des Gewählten. Die Verordnung vom 2. Dezember
1874 hatte eine solche nur dann als nothwendig bezeichnet, wenn die Gemeinde-
Organe vor der Wahl sie forderten; die Synode hat jetzt, nach dem Vorschlag


haben wir nicht zu klagen. Bei uns in Ostpreußen wenigstens sind die Ge¬
meinden so verständig, in erster Linie nicht nach der theologischen Richtung
der Kandidaten, sondern nach dem Gesammteindruck ihrer Persönlichkeit, ihrer
homiletischen Begabung und Leistung zu fragen. Daß ihnen dabei Mißgriffe
begegnen, wollen wir nicht besonders rügen. Auch Konsistorien find nicht un¬
fehlbar. Was aber sehr peinlich berührt, das sind die Parteigegensätze, welche
solche Wahlen hervorbringen, die Agitationen widerlichster Art, die sich mit
ihnen verbinden und selbst zur Zeitungsreklame greifen. Indessen in den Fällen,
welche die Pfarrwahl-Ordnung regeln will, handelt es sich um Wahlen, bei
denen nicht die Gemeinde unmittelbar, sondern durch ihre gesetzmäßigen Ver¬
tretungen thätig ist, bei denen sich also zu den gerügten Agitationen weniger
Spielraum bietet, bei denen ferner durch den oben zitirten A 3 für die Bewer¬
bung gewisse Schränken gezogen sind. Mag es hie und da auch in diesen
Fällen an bedauerlichen Vorkommnissen nicht gefehlt haben, so reicht das vor¬
liegende Material doch nicht aus, um die Entziehung eines eben erst verliehenen
Rechtes zu begründen. Es läßt sich hoffen, daß die Gemeinden es lernen
werden, in würdiger Weise sich desselben zu bedienen. Was in den westlichen
Provinzen, was in der Provinz Posen erreicht ist, kann kein unerreichbares
Ideal für die übrigen Provinzen bilden. Auch wäre es wenig angebracht ge¬
wesen, in dem Augenblick, in welchem den Gemeinden kirchliche Steuern auf¬
erlegt werden sollen, ihnen ein so werthvolles Recht wieder zu entziehen.

Nur wenige Worte fügen wir noch über einige andere Bestimmungen der
Pfarrwahl-Ordnung hinzu. Als ein fünfter Grund für das Konsistorium, die
Bestätigung zu versagen, ist durch Beschluß der Synode, gemäß einem Antrag
des Konsistorial-Präsidenten Hegel, der Fall bezeichnet worden, daß der Ge¬
wählte durch persönliches Werben um Stimmen in einer oder der anderen
Weise mit unwürdigen Mitteln auf feine Wahl einzuwirken versucht habe. Die
Minorität, welche gegen diesen Antrag stimmte, ließ sich dabei von den, wie
uns scheint, wohlbegründeten Gedanken leiten, daß ein solcher Pcissns nicht in
das Gesetz gehöre, und vor allem, daß er die Würde des geistlichen Standes
schädige. Sie handelte in Uebereinstimmung mit dem Präsidenten des Ober¬
kirchenraths, der die gewiß zutreffende Erklärung abgab, daß weder die Ge¬
meinden so roh, noch die Geistlichen so depravirt seien, um eine solche Bestim¬
mung zu rechtfertigen. Sie sei überflüssig, weil das Nöthige schon im allge¬
meinen Landrecht vorgesehen sei, und bedenklich, weil sie einen Makel auf die
Geistlichen werfe. Eine andere von der Synode beschlossene Neuregelung
betrifft die Probepredigt des Gewählten. Die Verordnung vom 2. Dezember
1874 hatte eine solche nur dann als nothwendig bezeichnet, wenn die Gemeinde-
Organe vor der Wahl sie forderten; die Synode hat jetzt, nach dem Vorschlag


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143502"/>
          <p xml:id="ID_1306" prev="#ID_1305"> haben wir nicht zu klagen. Bei uns in Ostpreußen wenigstens sind die Ge¬<lb/>
meinden so verständig, in erster Linie nicht nach der theologischen Richtung<lb/>
der Kandidaten, sondern nach dem Gesammteindruck ihrer Persönlichkeit, ihrer<lb/>
homiletischen Begabung und Leistung zu fragen. Daß ihnen dabei Mißgriffe<lb/>
begegnen, wollen wir nicht besonders rügen. Auch Konsistorien find nicht un¬<lb/>
fehlbar. Was aber sehr peinlich berührt, das sind die Parteigegensätze, welche<lb/>
solche Wahlen hervorbringen, die Agitationen widerlichster Art, die sich mit<lb/>
ihnen verbinden und selbst zur Zeitungsreklame greifen. Indessen in den Fällen,<lb/>
welche die Pfarrwahl-Ordnung regeln will, handelt es sich um Wahlen, bei<lb/>
denen nicht die Gemeinde unmittelbar, sondern durch ihre gesetzmäßigen Ver¬<lb/>
tretungen thätig ist, bei denen sich also zu den gerügten Agitationen weniger<lb/>
Spielraum bietet, bei denen ferner durch den oben zitirten A 3 für die Bewer¬<lb/>
bung gewisse Schränken gezogen sind. Mag es hie und da auch in diesen<lb/>
Fällen an bedauerlichen Vorkommnissen nicht gefehlt haben, so reicht das vor¬<lb/>
liegende Material doch nicht aus, um die Entziehung eines eben erst verliehenen<lb/>
Rechtes zu begründen. Es läßt sich hoffen, daß die Gemeinden es lernen<lb/>
werden, in würdiger Weise sich desselben zu bedienen. Was in den westlichen<lb/>
Provinzen, was in der Provinz Posen erreicht ist, kann kein unerreichbares<lb/>
Ideal für die übrigen Provinzen bilden. Auch wäre es wenig angebracht ge¬<lb/>
wesen, in dem Augenblick, in welchem den Gemeinden kirchliche Steuern auf¬<lb/>
erlegt werden sollen, ihnen ein so werthvolles Recht wieder zu entziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1307" next="#ID_1308"> Nur wenige Worte fügen wir noch über einige andere Bestimmungen der<lb/>
Pfarrwahl-Ordnung hinzu. Als ein fünfter Grund für das Konsistorium, die<lb/>
Bestätigung zu versagen, ist durch Beschluß der Synode, gemäß einem Antrag<lb/>
des Konsistorial-Präsidenten Hegel, der Fall bezeichnet worden, daß der Ge¬<lb/>
wählte durch persönliches Werben um Stimmen in einer oder der anderen<lb/>
Weise mit unwürdigen Mitteln auf feine Wahl einzuwirken versucht habe. Die<lb/>
Minorität, welche gegen diesen Antrag stimmte, ließ sich dabei von den, wie<lb/>
uns scheint, wohlbegründeten Gedanken leiten, daß ein solcher Pcissns nicht in<lb/>
das Gesetz gehöre, und vor allem, daß er die Würde des geistlichen Standes<lb/>
schädige. Sie handelte in Uebereinstimmung mit dem Präsidenten des Ober¬<lb/>
kirchenraths, der die gewiß zutreffende Erklärung abgab, daß weder die Ge¬<lb/>
meinden so roh, noch die Geistlichen so depravirt seien, um eine solche Bestim¬<lb/>
mung zu rechtfertigen. Sie sei überflüssig, weil das Nöthige schon im allge¬<lb/>
meinen Landrecht vorgesehen sei, und bedenklich, weil sie einen Makel auf die<lb/>
Geistlichen werfe. Eine andere von der Synode beschlossene Neuregelung<lb/>
betrifft die Probepredigt des Gewählten. Die Verordnung vom 2. Dezember<lb/>
1874 hatte eine solche nur dann als nothwendig bezeichnet, wenn die Gemeinde-<lb/>
Organe vor der Wahl sie forderten; die Synode hat jetzt, nach dem Vorschlag</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0447] haben wir nicht zu klagen. Bei uns in Ostpreußen wenigstens sind die Ge¬ meinden so verständig, in erster Linie nicht nach der theologischen Richtung der Kandidaten, sondern nach dem Gesammteindruck ihrer Persönlichkeit, ihrer homiletischen Begabung und Leistung zu fragen. Daß ihnen dabei Mißgriffe begegnen, wollen wir nicht besonders rügen. Auch Konsistorien find nicht un¬ fehlbar. Was aber sehr peinlich berührt, das sind die Parteigegensätze, welche solche Wahlen hervorbringen, die Agitationen widerlichster Art, die sich mit ihnen verbinden und selbst zur Zeitungsreklame greifen. Indessen in den Fällen, welche die Pfarrwahl-Ordnung regeln will, handelt es sich um Wahlen, bei denen nicht die Gemeinde unmittelbar, sondern durch ihre gesetzmäßigen Ver¬ tretungen thätig ist, bei denen sich also zu den gerügten Agitationen weniger Spielraum bietet, bei denen ferner durch den oben zitirten A 3 für die Bewer¬ bung gewisse Schränken gezogen sind. Mag es hie und da auch in diesen Fällen an bedauerlichen Vorkommnissen nicht gefehlt haben, so reicht das vor¬ liegende Material doch nicht aus, um die Entziehung eines eben erst verliehenen Rechtes zu begründen. Es läßt sich hoffen, daß die Gemeinden es lernen werden, in würdiger Weise sich desselben zu bedienen. Was in den westlichen Provinzen, was in der Provinz Posen erreicht ist, kann kein unerreichbares Ideal für die übrigen Provinzen bilden. Auch wäre es wenig angebracht ge¬ wesen, in dem Augenblick, in welchem den Gemeinden kirchliche Steuern auf¬ erlegt werden sollen, ihnen ein so werthvolles Recht wieder zu entziehen. Nur wenige Worte fügen wir noch über einige andere Bestimmungen der Pfarrwahl-Ordnung hinzu. Als ein fünfter Grund für das Konsistorium, die Bestätigung zu versagen, ist durch Beschluß der Synode, gemäß einem Antrag des Konsistorial-Präsidenten Hegel, der Fall bezeichnet worden, daß der Ge¬ wählte durch persönliches Werben um Stimmen in einer oder der anderen Weise mit unwürdigen Mitteln auf feine Wahl einzuwirken versucht habe. Die Minorität, welche gegen diesen Antrag stimmte, ließ sich dabei von den, wie uns scheint, wohlbegründeten Gedanken leiten, daß ein solcher Pcissns nicht in das Gesetz gehöre, und vor allem, daß er die Würde des geistlichen Standes schädige. Sie handelte in Uebereinstimmung mit dem Präsidenten des Ober¬ kirchenraths, der die gewiß zutreffende Erklärung abgab, daß weder die Ge¬ meinden so roh, noch die Geistlichen so depravirt seien, um eine solche Bestim¬ mung zu rechtfertigen. Sie sei überflüssig, weil das Nöthige schon im allge¬ meinen Landrecht vorgesehen sei, und bedenklich, weil sie einen Makel auf die Geistlichen werfe. Eine andere von der Synode beschlossene Neuregelung betrifft die Probepredigt des Gewählten. Die Verordnung vom 2. Dezember 1874 hatte eine solche nur dann als nothwendig bezeichnet, wenn die Gemeinde- Organe vor der Wahl sie forderten; die Synode hat jetzt, nach dem Vorschlag

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/447
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/447>, abgerufen am 25.08.2024.