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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths nur dann eintreten soll, wenn der Geist¬
liche die Trauung ablehnt.*)

Was das Trauformular betrifft, so kann der Gesammteindruck dieser litur¬
gischen Leistung nur ein günstiger sein. Die Formeln lauten voll und kräftig,
und doch schlicht und einfach. Mit Recht sind Parallelformulare zu gleich¬
berechtigten Gebrauch sowohl für die Traufragen wie für die Vollziehung der
Trauung dargeboten worden. Die Traufragen haben zu ihrem Inhalt das
eine Mal -- wir beschränken uns hier auf die entscheidenden Worte --, ob
das Brautpaar einander aus Gottes Hand hinnehmen, das andere Mal, ob
es einander nach Gottes Wort und Willen haben und halten will. Die eine
Formel für die Trauungsvollziehung spricht in den heiligen christlichen Ehe¬
stand zusammen, die andere segnet den ehelichen Bund. Die zweite Traufrage
und die zweite Trauvollziehungsformel werden besonders da sich eignen, wo
das eheliche Leben schon vor der Trauung begonnen hat; die andern da, wo
die Trauung den Anfang des ehelichen Lebens vermittelt. Doch, wie gesagt,
hier und dort sind die Formeln zu gleichberechtigten Gebrauch gegeben, die
Gewissen sollen geschont werden. Was wir bedauern, ist nur, daß die zusam¬
mensprechende Formel nicht zugleich eine Segnung in sich schließt -- denn die
Segnung ist doch die eigenste Funktion der Kirche --, und daß da, wo der
Begriff der Segnung statthat, diese sich nicht in einem segnenden Votum dar¬
stellt. Daß die Braut da, wo sie das elterliche Haus noch nicht verlassen hat,
auch in das eheliche Leben noch nicht eingetreten ist, in der Regel als Jung¬
frau und mit dem Geburtsuamen zu bezeichnen ist, hat nach dem Vorgange
Hannovers das Formular mit gutem Grund ebenfalls angenommen.

Die dritte große Vorlage des Kirchenregiments betraf die Disciplinar-
Ordnung bei Verletzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfirmation
und Trauung. Daß auch diese Vorlage einem dringenden Bedürfniß entgegen¬
kommt, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Das Zivilstandsgesetz hat die
staatsgesetzliche Verpflichtung der einzelnen Glieder der Kirche zu den genannten



*) Die wichtigsten übrigen Bestimmungen der Trauordnung sind folgende: Z 12. Die
Trauung findet statt bei allen nach dem bürgerlichen Recht zulässigen Ehen, jedoch sind
ausgenommen: 1.) Ehen zwischen Christen und Nichtchristen; 2-) Ehen Geschiedener, wenn
deren Schließung von den zuständigen Organen auf dem Grunde des Wortes Gottes nach
gemeiner Auslegung der evangelischen Kirchen als sündhaft erklärt wird; 3.) Ehen solcher
Personen, welchen als Verächtern des christlichen Glaubens oder wegen lasterhaften Wandels
oder wegen verschuldeter Scheidung der früheren Ehe oder wegen ihres Verhaltens bezüglich
der Eingehung der Ehe der Segen der Trauung ohne Aergerniß nicht ertheilt werden kann;
4>) gemischte Ehen, vor deren Eingehung der evangelische Theil die Erziehung sämmtlicher
Kinder in der römisch-katholischen oder in einer anderen nicht evangelischen Religionsgesell¬
schaft zugesagt hat.

Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths nur dann eintreten soll, wenn der Geist¬
liche die Trauung ablehnt.*)

Was das Trauformular betrifft, so kann der Gesammteindruck dieser litur¬
gischen Leistung nur ein günstiger sein. Die Formeln lauten voll und kräftig,
und doch schlicht und einfach. Mit Recht sind Parallelformulare zu gleich¬
berechtigten Gebrauch sowohl für die Traufragen wie für die Vollziehung der
Trauung dargeboten worden. Die Traufragen haben zu ihrem Inhalt das
eine Mal — wir beschränken uns hier auf die entscheidenden Worte —, ob
das Brautpaar einander aus Gottes Hand hinnehmen, das andere Mal, ob
es einander nach Gottes Wort und Willen haben und halten will. Die eine
Formel für die Trauungsvollziehung spricht in den heiligen christlichen Ehe¬
stand zusammen, die andere segnet den ehelichen Bund. Die zweite Traufrage
und die zweite Trauvollziehungsformel werden besonders da sich eignen, wo
das eheliche Leben schon vor der Trauung begonnen hat; die andern da, wo
die Trauung den Anfang des ehelichen Lebens vermittelt. Doch, wie gesagt,
hier und dort sind die Formeln zu gleichberechtigten Gebrauch gegeben, die
Gewissen sollen geschont werden. Was wir bedauern, ist nur, daß die zusam¬
mensprechende Formel nicht zugleich eine Segnung in sich schließt — denn die
Segnung ist doch die eigenste Funktion der Kirche —, und daß da, wo der
Begriff der Segnung statthat, diese sich nicht in einem segnenden Votum dar¬
stellt. Daß die Braut da, wo sie das elterliche Haus noch nicht verlassen hat,
auch in das eheliche Leben noch nicht eingetreten ist, in der Regel als Jung¬
frau und mit dem Geburtsuamen zu bezeichnen ist, hat nach dem Vorgange
Hannovers das Formular mit gutem Grund ebenfalls angenommen.

Die dritte große Vorlage des Kirchenregiments betraf die Disciplinar-
Ordnung bei Verletzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfirmation
und Trauung. Daß auch diese Vorlage einem dringenden Bedürfniß entgegen¬
kommt, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Das Zivilstandsgesetz hat die
staatsgesetzliche Verpflichtung der einzelnen Glieder der Kirche zu den genannten



*) Die wichtigsten übrigen Bestimmungen der Trauordnung sind folgende: Z 12. Die
Trauung findet statt bei allen nach dem bürgerlichen Recht zulässigen Ehen, jedoch sind
ausgenommen: 1.) Ehen zwischen Christen und Nichtchristen; 2-) Ehen Geschiedener, wenn
deren Schließung von den zuständigen Organen auf dem Grunde des Wortes Gottes nach
gemeiner Auslegung der evangelischen Kirchen als sündhaft erklärt wird; 3.) Ehen solcher
Personen, welchen als Verächtern des christlichen Glaubens oder wegen lasterhaften Wandels
oder wegen verschuldeter Scheidung der früheren Ehe oder wegen ihres Verhaltens bezüglich
der Eingehung der Ehe der Segen der Trauung ohne Aergerniß nicht ertheilt werden kann;
4>) gemischte Ehen, vor deren Eingehung der evangelische Theil die Erziehung sämmtlicher
Kinder in der römisch-katholischen oder in einer anderen nicht evangelischen Religionsgesell¬
schaft zugesagt hat.
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[0443] Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths nur dann eintreten soll, wenn der Geist¬ liche die Trauung ablehnt.*) Was das Trauformular betrifft, so kann der Gesammteindruck dieser litur¬ gischen Leistung nur ein günstiger sein. Die Formeln lauten voll und kräftig, und doch schlicht und einfach. Mit Recht sind Parallelformulare zu gleich¬ berechtigten Gebrauch sowohl für die Traufragen wie für die Vollziehung der Trauung dargeboten worden. Die Traufragen haben zu ihrem Inhalt das eine Mal — wir beschränken uns hier auf die entscheidenden Worte —, ob das Brautpaar einander aus Gottes Hand hinnehmen, das andere Mal, ob es einander nach Gottes Wort und Willen haben und halten will. Die eine Formel für die Trauungsvollziehung spricht in den heiligen christlichen Ehe¬ stand zusammen, die andere segnet den ehelichen Bund. Die zweite Traufrage und die zweite Trauvollziehungsformel werden besonders da sich eignen, wo das eheliche Leben schon vor der Trauung begonnen hat; die andern da, wo die Trauung den Anfang des ehelichen Lebens vermittelt. Doch, wie gesagt, hier und dort sind die Formeln zu gleichberechtigten Gebrauch gegeben, die Gewissen sollen geschont werden. Was wir bedauern, ist nur, daß die zusam¬ mensprechende Formel nicht zugleich eine Segnung in sich schließt — denn die Segnung ist doch die eigenste Funktion der Kirche —, und daß da, wo der Begriff der Segnung statthat, diese sich nicht in einem segnenden Votum dar¬ stellt. Daß die Braut da, wo sie das elterliche Haus noch nicht verlassen hat, auch in das eheliche Leben noch nicht eingetreten ist, in der Regel als Jung¬ frau und mit dem Geburtsuamen zu bezeichnen ist, hat nach dem Vorgange Hannovers das Formular mit gutem Grund ebenfalls angenommen. Die dritte große Vorlage des Kirchenregiments betraf die Disciplinar- Ordnung bei Verletzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfirmation und Trauung. Daß auch diese Vorlage einem dringenden Bedürfniß entgegen¬ kommt, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Das Zivilstandsgesetz hat die staatsgesetzliche Verpflichtung der einzelnen Glieder der Kirche zu den genannten *) Die wichtigsten übrigen Bestimmungen der Trauordnung sind folgende: Z 12. Die Trauung findet statt bei allen nach dem bürgerlichen Recht zulässigen Ehen, jedoch sind ausgenommen: 1.) Ehen zwischen Christen und Nichtchristen; 2-) Ehen Geschiedener, wenn deren Schließung von den zuständigen Organen auf dem Grunde des Wortes Gottes nach gemeiner Auslegung der evangelischen Kirchen als sündhaft erklärt wird; 3.) Ehen solcher Personen, welchen als Verächtern des christlichen Glaubens oder wegen lasterhaften Wandels oder wegen verschuldeter Scheidung der früheren Ehe oder wegen ihres Verhaltens bezüglich der Eingehung der Ehe der Segen der Trauung ohne Aergerniß nicht ertheilt werden kann; 4>) gemischte Ehen, vor deren Eingehung der evangelische Theil die Erziehung sämmtlicher Kinder in der römisch-katholischen oder in einer anderen nicht evangelischen Religionsgesell¬ schaft zugesagt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/443>, abgerufen am 26.08.2024.