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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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reich ausrichten würde, das beinahe gleichzeitig mit der dänischen Antwort in
Berlin eine Depesche übergeben ließ, in welcher Mvustier ein Recht der Ein¬
mischung daher ableiten wollte, daß der Artikel V des Prager Vertrags nicht
durch Oesterreichs, sondern durch Frankreichs Einwirkung entstanden sei, und
die Bemerkung folgen ließ, daß Dänemark die geforderten Garantien nicht
geben könne, da sie der Keim ewigen Streites zwischen ihm und Preußen sein
würden, weil letzteres dadurch Gelegenheit bekäme, sich fortwährend in die
innern Angelegenheiten Dänemarks zu mischen. Es verstand sich von selbst,
daß der Bundeskanzler dem preußischen Botschafter in Paris den Auftrag er¬
theilte, diese Vorstellungen in entschiedener Weise abzulehnen, und da das fran¬
zösische Kabinet daraus keine Kriegsfrage zu machen gewillt war, so mußte
es sich und zugleich die erregte öffentliche Meinung beruhigen. Letzteres ge¬
schah durch eine Mittheilung im kleinen Moniteur, in der es hieß: "Es ist
dem Berliner Kabinet keine Note übergeben worden, weder in der schleswig-
schen Angelegenheit noch in Bezug auf eine andere Frage." Das war nur
der Schein der Wahrheit; denn es handelte sich zwar nicht um eine Note,
sondern um eine Depesche, und dieselbe war zwar nicht übergeben, aber vor¬
gelesen worden.

Hierbei blieb es zunächst; denn von den weiteren Hetzereien der Pariser
Presse und dem "Verbrüderungsfeste zwischen Frankreich und Dänemark", das
am 12. August 1867 in Kopenhagen von Journalisten beider Länder mit
Naggenschmuck, Kanonendonner und hochtrabenden Reden gefeiert wurde, galt
das Wort: "Viel Geschrei und wenig Wolle," Man sah dabei nur, daß die
Regierungen, welche solche Demonstrationen duldeten, die Frage warm zu er¬
halten bemüht waren.

Auch im Jahre 1868 kam es über den Artikel V zwischen den Kabinetten
von Berlin und Kopenhagen zu keiner Verständigung. Preußen hatte zwölf
Garantiepunkte aufgestellt, die sich namentlich auf die Regelung der Kirchen-
und Schulsprache, sowie auf das Recht der deutschen Bevölkerung in den etwa
abzutretenden Distrikten bezogen, ihre Klagen in Berlin geltend zu machen,
komm man ihre Nationalität dänischerseits bedränge. Dänemark hatte daran
allerlei auszusetzen, auch verlangte es von Preußen eine offne Erklärung hin¬
sichtlich der Ausdehnung der Abtretungen südlich von der jütischen Grenze.
Professor Larsen, der als technischer Beirath des dänischen Gesandten v. Quaade
mit dem preußischen Bevollmächtigten Lothar Bucher über die Angelegenheit
verhandelt hatte, brachte darauf zwei Depeschen nach Kopenhagen, in welchen
Graf v. Bismarck seine Ansicht über jene Garantiepunkte deutlich präzisirte
und für den Fall einer Einigung die Abtretung des Amtes Hadersleben bis
zu der nördlich von Apenmde gelegenen Gjenner Bucht in Aussicht stellte. Am


Grenzboten IV. 187S. SS

reich ausrichten würde, das beinahe gleichzeitig mit der dänischen Antwort in
Berlin eine Depesche übergeben ließ, in welcher Mvustier ein Recht der Ein¬
mischung daher ableiten wollte, daß der Artikel V des Prager Vertrags nicht
durch Oesterreichs, sondern durch Frankreichs Einwirkung entstanden sei, und
die Bemerkung folgen ließ, daß Dänemark die geforderten Garantien nicht
geben könne, da sie der Keim ewigen Streites zwischen ihm und Preußen sein
würden, weil letzteres dadurch Gelegenheit bekäme, sich fortwährend in die
innern Angelegenheiten Dänemarks zu mischen. Es verstand sich von selbst,
daß der Bundeskanzler dem preußischen Botschafter in Paris den Auftrag er¬
theilte, diese Vorstellungen in entschiedener Weise abzulehnen, und da das fran¬
zösische Kabinet daraus keine Kriegsfrage zu machen gewillt war, so mußte
es sich und zugleich die erregte öffentliche Meinung beruhigen. Letzteres ge¬
schah durch eine Mittheilung im kleinen Moniteur, in der es hieß: „Es ist
dem Berliner Kabinet keine Note übergeben worden, weder in der schleswig-
schen Angelegenheit noch in Bezug auf eine andere Frage." Das war nur
der Schein der Wahrheit; denn es handelte sich zwar nicht um eine Note,
sondern um eine Depesche, und dieselbe war zwar nicht übergeben, aber vor¬
gelesen worden.

Hierbei blieb es zunächst; denn von den weiteren Hetzereien der Pariser
Presse und dem „Verbrüderungsfeste zwischen Frankreich und Dänemark", das
am 12. August 1867 in Kopenhagen von Journalisten beider Länder mit
Naggenschmuck, Kanonendonner und hochtrabenden Reden gefeiert wurde, galt
das Wort: „Viel Geschrei und wenig Wolle," Man sah dabei nur, daß die
Regierungen, welche solche Demonstrationen duldeten, die Frage warm zu er¬
halten bemüht waren.

Auch im Jahre 1868 kam es über den Artikel V zwischen den Kabinetten
von Berlin und Kopenhagen zu keiner Verständigung. Preußen hatte zwölf
Garantiepunkte aufgestellt, die sich namentlich auf die Regelung der Kirchen-
und Schulsprache, sowie auf das Recht der deutschen Bevölkerung in den etwa
abzutretenden Distrikten bezogen, ihre Klagen in Berlin geltend zu machen,
komm man ihre Nationalität dänischerseits bedränge. Dänemark hatte daran
allerlei auszusetzen, auch verlangte es von Preußen eine offne Erklärung hin¬
sichtlich der Ausdehnung der Abtretungen südlich von der jütischen Grenze.
Professor Larsen, der als technischer Beirath des dänischen Gesandten v. Quaade
mit dem preußischen Bevollmächtigten Lothar Bucher über die Angelegenheit
verhandelt hatte, brachte darauf zwei Depeschen nach Kopenhagen, in welchen
Graf v. Bismarck seine Ansicht über jene Garantiepunkte deutlich präzisirte
und für den Fall einer Einigung die Abtretung des Amtes Hadersleben bis
zu der nördlich von Apenmde gelegenen Gjenner Bucht in Aussicht stellte. Am


Grenzboten IV. 187S. SS
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/433>, abgerufen am 23.07.2024.