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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Interesse bestimmen. Keiuenfalls werde es so weit zurückgehen, um später Düppel
noch einmal erstürmen zu müssen. Ferner heiße es im Vertrage nicht "der
nördliche Distrikt", sondern "die nördlichen Distrikte", und diese könne man sich
groß oder klein denken, wie man wolle; so groß jedoch, wie man sie sich in
Kopenhagen vorstelle, würden sie wohl nicht ausfallen. Ueber den Zeitpunkt
der Abstimmung sei im Friedensverträge nichts festgesetzt, Preußen habe daher
hierin eine gewisse Freiheit. Jedenfalls müßten vorher Verhandlungen mit dem
dänischen Kabinet stattfinden, um einerseits Schutz für die in den betreffenden
Gegenden wohnenden Deutschen zu schaffen, andrerseits den Antheil an den
Staatsschulden Schleswig-Holsteins zu bestimmen, welchen Dänemark bei einer
Abtretung jener Distrikte zu übernehmen hätte.

Dabei blieb es. Oesterreich konnte aus guten Gründen ein Plebiszit nicht
befürworten. Verhandlungen zwischen Berlin und Kopenhagen über die soeben
erwähnten beiden Vorfragen wurden zwar preußischerseits eröffnet, verhießen
aber von vornherein wenig Erfolg. Die Einmischung französischer Deputirter
und Journalisten in die Angelegenheit zeigte nur die Anmaßung des damaligen
Frankreichs, konnte aber die Sache der Dänen selbstverständlich nicht fördern.
Das Drängen und Schmähen der dänischen Presse, die die schleswigschen
Deutschen als "Unkraut" bezeichnete, das "auszurotten" sei, mußte in Berlin
nur als Warnung vor irgend welchen Zugeständnissen wirken. Von einer Linie
Flensburg-Tondern, die dort verlangt wurde, konnte nicht die Rede sein. Düppel
und Alsen mußten, gleichviel, ob dort Dänen oder Deutsche wohnten, aus stra¬
tegischen Gründen bei Preußen verbleiben. Aber auch die Abtretung einiger
weiter nördlich gelegenen Kreise war nur möglich, wenn hinsichtlich der hier
angesiedelten Deutschen solche Bestimmungen getroffen wurden, daß dieselben
vor der Beeinträchtigung ihrer nationalen Rechte einen Rückhalt an Preußen
hatten. Die dänische Regierung erklärte, auf solche Bürgschaften nicht eingehen
zu können, sie seien überflüssig, ja bedenklich. Preußen beharrte bei seinem
Verlangen nach Garantien, indem es erklärte, nicht dazu habe es sich im Prager
Frieden verpflichtet, daß es deutsche Gemeinden wieder deren Willen und mit
Verlust jedes Anrechts auf ihre nationalen Eigenthümlichkeiten an ein fremdes
Land abtrete und sie Gefahren preisgebe, deren Vorhandensein sie im Rückblick
auf die Vergangenheit lebhaft befürchteten. Die dänische Regierung möge sich
also erklären, was für Bürgschaften sie mit Rücksicht hierauf in individueller,
lokaler und kommunaler Beziehung zu geben bereit sei. Von der Beantwortung
dieser Frage "hänge der Umfang der beabsichtigten Abstimmung oder Abtretung
ab". In Kopenhagen ging man auf dieses Verlangen nicht ein, sondern ersuchte
zunächst um nähere Erklärung in Betreff der preußischen Bedingungen.

Man schien die Sache Hinaufziehen und abwarten zu wollen, was Frank-


Interesse bestimmen. Keiuenfalls werde es so weit zurückgehen, um später Düppel
noch einmal erstürmen zu müssen. Ferner heiße es im Vertrage nicht „der
nördliche Distrikt", sondern „die nördlichen Distrikte", und diese könne man sich
groß oder klein denken, wie man wolle; so groß jedoch, wie man sie sich in
Kopenhagen vorstelle, würden sie wohl nicht ausfallen. Ueber den Zeitpunkt
der Abstimmung sei im Friedensverträge nichts festgesetzt, Preußen habe daher
hierin eine gewisse Freiheit. Jedenfalls müßten vorher Verhandlungen mit dem
dänischen Kabinet stattfinden, um einerseits Schutz für die in den betreffenden
Gegenden wohnenden Deutschen zu schaffen, andrerseits den Antheil an den
Staatsschulden Schleswig-Holsteins zu bestimmen, welchen Dänemark bei einer
Abtretung jener Distrikte zu übernehmen hätte.

Dabei blieb es. Oesterreich konnte aus guten Gründen ein Plebiszit nicht
befürworten. Verhandlungen zwischen Berlin und Kopenhagen über die soeben
erwähnten beiden Vorfragen wurden zwar preußischerseits eröffnet, verhießen
aber von vornherein wenig Erfolg. Die Einmischung französischer Deputirter
und Journalisten in die Angelegenheit zeigte nur die Anmaßung des damaligen
Frankreichs, konnte aber die Sache der Dänen selbstverständlich nicht fördern.
Das Drängen und Schmähen der dänischen Presse, die die schleswigschen
Deutschen als „Unkraut" bezeichnete, das „auszurotten" sei, mußte in Berlin
nur als Warnung vor irgend welchen Zugeständnissen wirken. Von einer Linie
Flensburg-Tondern, die dort verlangt wurde, konnte nicht die Rede sein. Düppel
und Alsen mußten, gleichviel, ob dort Dänen oder Deutsche wohnten, aus stra¬
tegischen Gründen bei Preußen verbleiben. Aber auch die Abtretung einiger
weiter nördlich gelegenen Kreise war nur möglich, wenn hinsichtlich der hier
angesiedelten Deutschen solche Bestimmungen getroffen wurden, daß dieselben
vor der Beeinträchtigung ihrer nationalen Rechte einen Rückhalt an Preußen
hatten. Die dänische Regierung erklärte, auf solche Bürgschaften nicht eingehen
zu können, sie seien überflüssig, ja bedenklich. Preußen beharrte bei seinem
Verlangen nach Garantien, indem es erklärte, nicht dazu habe es sich im Prager
Frieden verpflichtet, daß es deutsche Gemeinden wieder deren Willen und mit
Verlust jedes Anrechts auf ihre nationalen Eigenthümlichkeiten an ein fremdes
Land abtrete und sie Gefahren preisgebe, deren Vorhandensein sie im Rückblick
auf die Vergangenheit lebhaft befürchteten. Die dänische Regierung möge sich
also erklären, was für Bürgschaften sie mit Rücksicht hierauf in individueller,
lokaler und kommunaler Beziehung zu geben bereit sei. Von der Beantwortung
dieser Frage „hänge der Umfang der beabsichtigten Abstimmung oder Abtretung
ab". In Kopenhagen ging man auf dieses Verlangen nicht ein, sondern ersuchte
zunächst um nähere Erklärung in Betreff der preußischen Bedingungen.

Man schien die Sache Hinaufziehen und abwarten zu wollen, was Frank-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/432>, abgerufen am 23.07.2024.