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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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eigentliche Verhandlungen und Abmachungen abgesehen sein konnte, ist selbst¬
verständlich und wird überdies durch den Umstand konstatirt, daß der Fürst
Bismarck zu der Entrevue nicht erschien. Gleichwohl wird dieselbe ihre Bedeu¬
tung behalten, und man wird nicht irregehen, wenn man sie entweder als
Anfangs- oder als Endglied einer Kette von diplomatischen Ereignissen der letzten
Zeit auffaßt, die noch mit Dunkel bedeckt sind, aber immerhin errathen lassen,
daß sie zu den Erfolgen der stillen Arbeit gehören, mit der unser Reichskanzler
den europäischen Frieden zu sichern bemüht ist, und die in dem Resultate seiner
letzten Reise nach Wien bis zu einem gewissen Grade an den Tag trat.

Dänemark ist ein kleiner Staat, aber wir haben gesehen, was es dem noch
nicht geeinten Deutschland jahrelang mit Hilfe uns ungünstiger Großmächte
bieten und abtrotzen konnte. Von den Töchtern des dänischen Königs ist die
eine mit dem russischen, die andere mit dem englischen Thronfolger, eine dritte
mit dem welfischen Prätendenten, dem starrsten Gegner der neuen Ordnung in
Deutschland, vermählt, und wenn auch fürstliche Familienbande in unsern Tagen
nicht mehr die Wichtigkeit für die Politik der betreffenden Staaten haben, die
sie einst hatten, so sind sie deshalb noch keineswegs der Beachtung unwerth.
Wissen wir doch zur Genüge, daß noch in der jüngsten Vergangenheit Kaiserinnen,
Königinnen und Prinzessinnen sehr merklichen Einfluß auf die Entwickelung
der politischen Angelegenheiten besaßen und sich dessen theils in einer uns vor¬
theilhaften, theils, und zwar in den meisten Fällen, in einer uns ungünstigen
Weise bedienten.

Blicken wir zurück auf die Stationen, die unser Verhältniß zu Dänemark
in den letzten beiden Jahrzehnten durchlaufen hat. Gedrängt von den Kopen¬
hagener Nationalliberalen verband König Christian Schleswig näher mit Däne¬
mark, als es die Verträge gestatteten. Die Folge war ein Krieg, der mit dem
Verluste des gesammten Herzogthums endigte. Darüber tiefster Groll unter
den Dänen, dem nur ein schwacher Trost zur Seite trat, als in den Prager
Frieden, der Schleswig mit Holstein an Preußen fallen ließ, auf Betreiben
Frankreichs in Artikel V eine Klausel hineinkam, nach welcher durch Abstimmung
der Nordschleswiger entschieden werden sollte, ob sie Preußen angehören oder
zu Dänemark zurückkehren wollten. Dieser Trost war ein schwacher, obwohl
auch russischerseits wiederholt und noch 1870 an die Erfüllung dieser unklaren
Verbindlichkeit gemahnt wurde. Als der Nordschleswiger Kryger am 18. März
1867 im norddeutschen Reichstage an sie erinnerte, wurde ihm vom Bundes¬
kanzler die Antwort zu Theil, nicht den Nordschleswigern, sondern nur dem
Kaiser von Oesterreich stehe das Recht zu, eine Abstimmung zu verlangen. Ob
einige dänisch redende Schleswiger zu Preußen gehörten oder nicht, daran liege
wenig. Wo aber die Grenzen gesteckt werden sollten, werde Preußen nach seinem


eigentliche Verhandlungen und Abmachungen abgesehen sein konnte, ist selbst¬
verständlich und wird überdies durch den Umstand konstatirt, daß der Fürst
Bismarck zu der Entrevue nicht erschien. Gleichwohl wird dieselbe ihre Bedeu¬
tung behalten, und man wird nicht irregehen, wenn man sie entweder als
Anfangs- oder als Endglied einer Kette von diplomatischen Ereignissen der letzten
Zeit auffaßt, die noch mit Dunkel bedeckt sind, aber immerhin errathen lassen,
daß sie zu den Erfolgen der stillen Arbeit gehören, mit der unser Reichskanzler
den europäischen Frieden zu sichern bemüht ist, und die in dem Resultate seiner
letzten Reise nach Wien bis zu einem gewissen Grade an den Tag trat.

Dänemark ist ein kleiner Staat, aber wir haben gesehen, was es dem noch
nicht geeinten Deutschland jahrelang mit Hilfe uns ungünstiger Großmächte
bieten und abtrotzen konnte. Von den Töchtern des dänischen Königs ist die
eine mit dem russischen, die andere mit dem englischen Thronfolger, eine dritte
mit dem welfischen Prätendenten, dem starrsten Gegner der neuen Ordnung in
Deutschland, vermählt, und wenn auch fürstliche Familienbande in unsern Tagen
nicht mehr die Wichtigkeit für die Politik der betreffenden Staaten haben, die
sie einst hatten, so sind sie deshalb noch keineswegs der Beachtung unwerth.
Wissen wir doch zur Genüge, daß noch in der jüngsten Vergangenheit Kaiserinnen,
Königinnen und Prinzessinnen sehr merklichen Einfluß auf die Entwickelung
der politischen Angelegenheiten besaßen und sich dessen theils in einer uns vor¬
theilhaften, theils, und zwar in den meisten Fällen, in einer uns ungünstigen
Weise bedienten.

Blicken wir zurück auf die Stationen, die unser Verhältniß zu Dänemark
in den letzten beiden Jahrzehnten durchlaufen hat. Gedrängt von den Kopen¬
hagener Nationalliberalen verband König Christian Schleswig näher mit Däne¬
mark, als es die Verträge gestatteten. Die Folge war ein Krieg, der mit dem
Verluste des gesammten Herzogthums endigte. Darüber tiefster Groll unter
den Dänen, dem nur ein schwacher Trost zur Seite trat, als in den Prager
Frieden, der Schleswig mit Holstein an Preußen fallen ließ, auf Betreiben
Frankreichs in Artikel V eine Klausel hineinkam, nach welcher durch Abstimmung
der Nordschleswiger entschieden werden sollte, ob sie Preußen angehören oder
zu Dänemark zurückkehren wollten. Dieser Trost war ein schwacher, obwohl
auch russischerseits wiederholt und noch 1870 an die Erfüllung dieser unklaren
Verbindlichkeit gemahnt wurde. Als der Nordschleswiger Kryger am 18. März
1867 im norddeutschen Reichstage an sie erinnerte, wurde ihm vom Bundes¬
kanzler die Antwort zu Theil, nicht den Nordschleswigern, sondern nur dem
Kaiser von Oesterreich stehe das Recht zu, eine Abstimmung zu verlangen. Ob
einige dänisch redende Schleswiger zu Preußen gehörten oder nicht, daran liege
wenig. Wo aber die Grenzen gesteckt werden sollten, werde Preußen nach seinem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/431>, abgerufen am 03.07.2024.