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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Kampf der Menschen mit dem tobenden Elemente geschildert. Wie Oswald
der Meister elegisch-romantischer Stimmung ist, liebt Andreas den dramatischen
Effekt, der sich vor den Augen des Beschauers zu einer gewaltsamen Kata¬
strophe zuspitzt.

Den Reigen der Berliner Marinemaler führt nach wie vor Hermann
Eschke, der sich in diesem Jahre auf zwei Mariner, Ostende von Swinemünde
und Leuchtthurm auf der Klippe an einer schottischen Küste, zu ungewöhnlichen
Effekten verstiegen hat: dort der mächtig an das Gemäuer anschlagende, hoch
aufbrausende Gischt der Brandung, hier der Lichtkontrast zwischen dem Mond¬
schein und der Laterne des Leuchtthurms, der phantastisch aus dem Sieden und
Kochen der Wogen emporsteigt. Sein Schüler Ernst Koerner, der farben¬
gewandte Orientmaler, der dem gefährlichen Beispiele Eduard Hildebrandts folgt
und der Darstellung der Naturphänomene nachjagt, zeigt uns die Memnon-
kolosse bei Sonnenaufgang in einer Beleuchtung, die jeder, der sie nicht selbst
mit erlebt hat, für eine Münchhauseniade zu halten geneigt ist, ebenso wie deu
Sonnenuntergang bei Siut in Oberaegypteu, den er dnrch dicke Schichten jenes
Karmins wiederzugeben versucht hat, von welchem Hildebrandt so unglaubliche
Mengen verschwendet hat. Der "Palmenhain zu Luxor" und das Meer "vor
dem Hafen zu Alexandria", welches letztere an Hildebrandts berühmtes "blaues
Wunder" erinnert, schildern die Natur in ihrem normalen Zustande und lassen
dennoch einen ungleich harmonischeren und wohltuenderen Eindruck zurück als
jene auf gewaltsamen Effekt hinausgespielteu Bravourstücke.

Otto v. Kam cake in Berlin und C. Ludwig in Stuttgart, denen sich
mit steigendem Erfolge Josef Jansen in Düsseldorf anreiht, sind unsere ersten
Gebirgsmaler: der erstere ein Virtuose der Farbe, der den erhabenen Reiz der
Hochgebirgsthäler und der Bergesriesen durch eine stimmungsvolle Beleuchtung
erhöht, der andere ein Meister in der Zeichnung und in der Beherrschung und
Belebung der todten Felsmassen. Ludwig sucht gern die hohe Einsamkeit des
Hochgebirges auf, in die sich nur selten ein menschlicher Fuß hinauswagt; die
grandiose Szenerie eines tief in deu Felsen eingebuchteten Sees vom Se. Gott-
hard mit hoch in die Wolken ragenden Gletschern im Hintergrunde wird nur
von einigen Gemsen belebt, deren winziges Maß uns die erhabene Größe der
schweigenden Natur um so deutlicher empfinden läßt. Eugen Bracht in
Karlsruhe, Paul Flink el, Bernewitz v. Loefen und Carl Scherres in
Berlin bezeichnen ebensoviele Spezialitäten, in denen ein jeder fast unerreicht
dasteht. Bracht hat durch eine Reihe von Gemälden, die sich namentlich durch
eine meisterhafte Charakteristik der Terrainbildung auszeichneten, den Beweis
geliefert, daß selbst der verrufenste Fleck deutscher Erde, die Lüneburger Haide,
dem liebevollen und aufmerksamen Beobachter eine reiche malerische Ausbeute


Kampf der Menschen mit dem tobenden Elemente geschildert. Wie Oswald
der Meister elegisch-romantischer Stimmung ist, liebt Andreas den dramatischen
Effekt, der sich vor den Augen des Beschauers zu einer gewaltsamen Kata¬
strophe zuspitzt.

Den Reigen der Berliner Marinemaler führt nach wie vor Hermann
Eschke, der sich in diesem Jahre auf zwei Mariner, Ostende von Swinemünde
und Leuchtthurm auf der Klippe an einer schottischen Küste, zu ungewöhnlichen
Effekten verstiegen hat: dort der mächtig an das Gemäuer anschlagende, hoch
aufbrausende Gischt der Brandung, hier der Lichtkontrast zwischen dem Mond¬
schein und der Laterne des Leuchtthurms, der phantastisch aus dem Sieden und
Kochen der Wogen emporsteigt. Sein Schüler Ernst Koerner, der farben¬
gewandte Orientmaler, der dem gefährlichen Beispiele Eduard Hildebrandts folgt
und der Darstellung der Naturphänomene nachjagt, zeigt uns die Memnon-
kolosse bei Sonnenaufgang in einer Beleuchtung, die jeder, der sie nicht selbst
mit erlebt hat, für eine Münchhauseniade zu halten geneigt ist, ebenso wie deu
Sonnenuntergang bei Siut in Oberaegypteu, den er dnrch dicke Schichten jenes
Karmins wiederzugeben versucht hat, von welchem Hildebrandt so unglaubliche
Mengen verschwendet hat. Der „Palmenhain zu Luxor" und das Meer „vor
dem Hafen zu Alexandria", welches letztere an Hildebrandts berühmtes „blaues
Wunder" erinnert, schildern die Natur in ihrem normalen Zustande und lassen
dennoch einen ungleich harmonischeren und wohltuenderen Eindruck zurück als
jene auf gewaltsamen Effekt hinausgespielteu Bravourstücke.

Otto v. Kam cake in Berlin und C. Ludwig in Stuttgart, denen sich
mit steigendem Erfolge Josef Jansen in Düsseldorf anreiht, sind unsere ersten
Gebirgsmaler: der erstere ein Virtuose der Farbe, der den erhabenen Reiz der
Hochgebirgsthäler und der Bergesriesen durch eine stimmungsvolle Beleuchtung
erhöht, der andere ein Meister in der Zeichnung und in der Beherrschung und
Belebung der todten Felsmassen. Ludwig sucht gern die hohe Einsamkeit des
Hochgebirges auf, in die sich nur selten ein menschlicher Fuß hinauswagt; die
grandiose Szenerie eines tief in deu Felsen eingebuchteten Sees vom Se. Gott-
hard mit hoch in die Wolken ragenden Gletschern im Hintergrunde wird nur
von einigen Gemsen belebt, deren winziges Maß uns die erhabene Größe der
schweigenden Natur um so deutlicher empfinden läßt. Eugen Bracht in
Karlsruhe, Paul Flink el, Bernewitz v. Loefen und Carl Scherres in
Berlin bezeichnen ebensoviele Spezialitäten, in denen ein jeder fast unerreicht
dasteht. Bracht hat durch eine Reihe von Gemälden, die sich namentlich durch
eine meisterhafte Charakteristik der Terrainbildung auszeichneten, den Beweis
geliefert, daß selbst der verrufenste Fleck deutscher Erde, die Lüneburger Haide,
dem liebevollen und aufmerksamen Beobachter eine reiche malerische Ausbeute


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[0039] Kampf der Menschen mit dem tobenden Elemente geschildert. Wie Oswald der Meister elegisch-romantischer Stimmung ist, liebt Andreas den dramatischen Effekt, der sich vor den Augen des Beschauers zu einer gewaltsamen Kata¬ strophe zuspitzt. Den Reigen der Berliner Marinemaler führt nach wie vor Hermann Eschke, der sich in diesem Jahre auf zwei Mariner, Ostende von Swinemünde und Leuchtthurm auf der Klippe an einer schottischen Küste, zu ungewöhnlichen Effekten verstiegen hat: dort der mächtig an das Gemäuer anschlagende, hoch aufbrausende Gischt der Brandung, hier der Lichtkontrast zwischen dem Mond¬ schein und der Laterne des Leuchtthurms, der phantastisch aus dem Sieden und Kochen der Wogen emporsteigt. Sein Schüler Ernst Koerner, der farben¬ gewandte Orientmaler, der dem gefährlichen Beispiele Eduard Hildebrandts folgt und der Darstellung der Naturphänomene nachjagt, zeigt uns die Memnon- kolosse bei Sonnenaufgang in einer Beleuchtung, die jeder, der sie nicht selbst mit erlebt hat, für eine Münchhauseniade zu halten geneigt ist, ebenso wie deu Sonnenuntergang bei Siut in Oberaegypteu, den er dnrch dicke Schichten jenes Karmins wiederzugeben versucht hat, von welchem Hildebrandt so unglaubliche Mengen verschwendet hat. Der „Palmenhain zu Luxor" und das Meer „vor dem Hafen zu Alexandria", welches letztere an Hildebrandts berühmtes „blaues Wunder" erinnert, schildern die Natur in ihrem normalen Zustande und lassen dennoch einen ungleich harmonischeren und wohltuenderen Eindruck zurück als jene auf gewaltsamen Effekt hinausgespielteu Bravourstücke. Otto v. Kam cake in Berlin und C. Ludwig in Stuttgart, denen sich mit steigendem Erfolge Josef Jansen in Düsseldorf anreiht, sind unsere ersten Gebirgsmaler: der erstere ein Virtuose der Farbe, der den erhabenen Reiz der Hochgebirgsthäler und der Bergesriesen durch eine stimmungsvolle Beleuchtung erhöht, der andere ein Meister in der Zeichnung und in der Beherrschung und Belebung der todten Felsmassen. Ludwig sucht gern die hohe Einsamkeit des Hochgebirges auf, in die sich nur selten ein menschlicher Fuß hinauswagt; die grandiose Szenerie eines tief in deu Felsen eingebuchteten Sees vom Se. Gott- hard mit hoch in die Wolken ragenden Gletschern im Hintergrunde wird nur von einigen Gemsen belebt, deren winziges Maß uns die erhabene Größe der schweigenden Natur um so deutlicher empfinden läßt. Eugen Bracht in Karlsruhe, Paul Flink el, Bernewitz v. Loefen und Carl Scherres in Berlin bezeichnen ebensoviele Spezialitäten, in denen ein jeder fast unerreicht dasteht. Bracht hat durch eine Reihe von Gemälden, die sich namentlich durch eine meisterhafte Charakteristik der Terrainbildung auszeichneten, den Beweis geliefert, daß selbst der verrufenste Fleck deutscher Erde, die Lüneburger Haide, dem liebevollen und aufmerksamen Beobachter eine reiche malerische Ausbeute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/39>, abgerufen am 23.07.2024.