Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.gleitung der und der bekannten Künstler eine Concerttour angetreten habe; daß Es ist wahr, wie die Sachen liegen, muß man Mitleid haben mit den gleitung der und der bekannten Künstler eine Concerttour angetreten habe; daß Es ist wahr, wie die Sachen liegen, muß man Mitleid haben mit den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143430"/> <p xml:id="ID_1117" prev="#ID_1116"> gleitung der und der bekannten Künstler eine Concerttour angetreten habe; daß<lb/> dieselben auch looo zu concertiren gedenken, wird natürlich mit keiner Silbe erwähnt.<lb/> Bald darauf folgen längere Mittheilungen über sensationelle Erfolge in anderen<lb/> Städten, die sich, bei Lichte betrachtet, als stark übertrieben herausstellen würden.<lb/> Später bringen die Zeitungen eine kurze Biographie des oder der Betreffenden<lb/> mit pikanten Details, die für gesprächige Damen am Kaffeetisch ein höchst<lb/> willkommener Stoff find. Endlich wird dem Wunsche Ausdruck gegeben, den<lb/> köstlichen Ohrenschmaus auch einmal in nächster Nähe haben zu können. Dann<lb/> gelingt es einem ingeniösen Unternehmer, mit bedeutenden pekuniären Opfern<lb/> das Engagement für ein einmaliges Concert zu Stande zu bringen, natürlich<lb/> nur im Interesse des lieben Publikums, und es dauert nicht lange, so sind<lb/> laut Zeitungsnotiz die Vorbestellungen auf Billets bereits in solcher Menge ein¬<lb/> gegangen, daß man sich sehr daran halten muß, wenn man sich nicht den<lb/> Genuß will entgehen lassen. So gelingt es denn wirklich, trotz oder gerade wegen<lb/> des hohen Entrces (denn was viel kostet, muß gut sein) den Saal zu füllen;<lb/> das Publikum ist glücklich, den Stern bewundern zu dürfen, und die Claque<lb/> ist wohldressirt, zur rechten Zeit den Applaus einzuleiten. Dem Ganzen wird die<lb/> Krone aufgesetzt, wenn es gelingt, auch die hohe Kritik dermaßen von der eminenten<lb/> Künstlerschaft der Auftretenden im voraus zu überzeugen, daß der begeisterte<lb/> Hymnus des Recensenten schon während oder vor dem Concerte gesetzt werden<lb/> kann, um am folgenden Morgen beim Frühstück die gesammte Einwohnerschaft<lb/> in neue Ekstase zu versetzen. Wird gar auf allgemeines Verlangen ein zweites<lb/> Concert bewilligt, so kennt der Jubel keine Grenzen. Glücklich die Virtuosen,<lb/> die es so herrlich weit gebracht haben, daß ihnen Reklame, Claque und Kritik<lb/> dienstbar sind! Wehe aber denen, welchen ein solches Entgegenkommen versagt<lb/> wird! ihre Leistungen nehmen sich in den Zeitungsberichten recht nüchtern aus,<lb/> und sie müssen ganz aus sich und durch sich jenes Fluidum erzeugen, das man<lb/> gehobene Stimmung nennt, jene Empfänglichkeit, die nur des geeigneten Moments<lb/> harrt, um als Applaus hervorzubrechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118" next="#ID_1119"> Es ist wahr, wie die Sachen liegen, muß man Mitleid haben mit den<lb/> zahllosen Virtuosen, welche nach Erfolg ringen. Zu helfen ist ihnen freilich nicht,<lb/> auch nicht durch ein wirklich unparteiisches Urtheil des Publikums und der<lb/> Kritik; denn wie gesagt, derer, welche gut spielen, sind zu viele. Der Glanz<lb/> einer glücklichen Virtuosenlaufbahn hat leider allzuviele verlockt, die unsichere<lb/> Bahn des Ruhmes einer gesicherten aber ruhmlosen und bescheidenen Existenz<lb/> vorzuziehen. Es kann nicht anders sein, es müssen viele, sehr viele bei diesem<lb/> Wettlauf stürzen und liegen bleiben, denn die Bahn ist lang, und nur wen<lb/> der bekannte geflügelte Renner trägt, der zu allen Zeiten ein seltner Vogel war,<lb/> wird sie schnell und glücklich durchmessen. Es wäre daher schon im Hinblick</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0375]
gleitung der und der bekannten Künstler eine Concerttour angetreten habe; daß
dieselben auch looo zu concertiren gedenken, wird natürlich mit keiner Silbe erwähnt.
Bald darauf folgen längere Mittheilungen über sensationelle Erfolge in anderen
Städten, die sich, bei Lichte betrachtet, als stark übertrieben herausstellen würden.
Später bringen die Zeitungen eine kurze Biographie des oder der Betreffenden
mit pikanten Details, die für gesprächige Damen am Kaffeetisch ein höchst
willkommener Stoff find. Endlich wird dem Wunsche Ausdruck gegeben, den
köstlichen Ohrenschmaus auch einmal in nächster Nähe haben zu können. Dann
gelingt es einem ingeniösen Unternehmer, mit bedeutenden pekuniären Opfern
das Engagement für ein einmaliges Concert zu Stande zu bringen, natürlich
nur im Interesse des lieben Publikums, und es dauert nicht lange, so sind
laut Zeitungsnotiz die Vorbestellungen auf Billets bereits in solcher Menge ein¬
gegangen, daß man sich sehr daran halten muß, wenn man sich nicht den
Genuß will entgehen lassen. So gelingt es denn wirklich, trotz oder gerade wegen
des hohen Entrces (denn was viel kostet, muß gut sein) den Saal zu füllen;
das Publikum ist glücklich, den Stern bewundern zu dürfen, und die Claque
ist wohldressirt, zur rechten Zeit den Applaus einzuleiten. Dem Ganzen wird die
Krone aufgesetzt, wenn es gelingt, auch die hohe Kritik dermaßen von der eminenten
Künstlerschaft der Auftretenden im voraus zu überzeugen, daß der begeisterte
Hymnus des Recensenten schon während oder vor dem Concerte gesetzt werden
kann, um am folgenden Morgen beim Frühstück die gesammte Einwohnerschaft
in neue Ekstase zu versetzen. Wird gar auf allgemeines Verlangen ein zweites
Concert bewilligt, so kennt der Jubel keine Grenzen. Glücklich die Virtuosen,
die es so herrlich weit gebracht haben, daß ihnen Reklame, Claque und Kritik
dienstbar sind! Wehe aber denen, welchen ein solches Entgegenkommen versagt
wird! ihre Leistungen nehmen sich in den Zeitungsberichten recht nüchtern aus,
und sie müssen ganz aus sich und durch sich jenes Fluidum erzeugen, das man
gehobene Stimmung nennt, jene Empfänglichkeit, die nur des geeigneten Moments
harrt, um als Applaus hervorzubrechen.
Es ist wahr, wie die Sachen liegen, muß man Mitleid haben mit den
zahllosen Virtuosen, welche nach Erfolg ringen. Zu helfen ist ihnen freilich nicht,
auch nicht durch ein wirklich unparteiisches Urtheil des Publikums und der
Kritik; denn wie gesagt, derer, welche gut spielen, sind zu viele. Der Glanz
einer glücklichen Virtuosenlaufbahn hat leider allzuviele verlockt, die unsichere
Bahn des Ruhmes einer gesicherten aber ruhmlosen und bescheidenen Existenz
vorzuziehen. Es kann nicht anders sein, es müssen viele, sehr viele bei diesem
Wettlauf stürzen und liegen bleiben, denn die Bahn ist lang, und nur wen
der bekannte geflügelte Renner trägt, der zu allen Zeiten ein seltner Vogel war,
wird sie schnell und glücklich durchmessen. Es wäre daher schon im Hinblick
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