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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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sandte Dalberg an Albini, ebenfalls ohne Erfolg. Das Einzige, was der
Minister bei der ersten Abstimmung der Reichsdeputation am 31. August geltend
machen konnte, war die Forderung, es möge der Grundsatz festgestellt werden,
daß die Lasten und Pflichten der einzuziehenden Territorien auf die neuen
Herren übergehen müßten, woran bis dahin noch niemand gedacht hatte. Diese
Mainzer Zusätze fanden denn auch am 8. September Annahme, um fo weniger
Beachtung das, was Dalberg sonst über Beobachtung der Reichsverfassung,
Sicherung der Fortexistenz der Bisthümer, wenn auch unter fürstlicher Landes¬
hoheit, u. a. in Erinnerung brachte. Am 10. Oktober kam der modifizirte
Plan zur Berathung, der nun auch Näheres über den Erzkanzler enthielt.
Darnach sollte der Sitz des Erzstiftes von Mainz auf den Dom von Regens¬
burg übertragen werden und dasselbe "auf ewige Zeiten" mit der Würde des
Kurfürsten-Erzkanzlers und Primas von Deutschland verbunden bleiben. Seine
Metropolitangewalt sollte sich über die Diöcesen von Mainz, Trier, Köln und
Salzburg erstrecken, doch mit Ausnahme natürlich ihrer linksrheinischen Theile
und auch der preußischen Staaten. Das Gebiet bestand aus den bisherigen
freien Reichsstädten Regensburg und Wetzlar als Sitzen des Reichstages und
des Reichskammergerichts sowie dem altmainzischen Fürstenthum Aschaffenburg,
im ganzen aus etwa 26 Quadratmeilen mit 109 000 Einwohnern und 650 000 si.
Einkünften. Was an der versprochenen Million fehlte, sollte durch Anweisung
auf Mediatstifter ergänzt werden. Da gegen das Ganze des modifizirten Ent-
fchädigungsplanes manche Einwendungen erhoben wurden, fo kam erst am
25. November der Hauptreceß zu Stande, doch mußte Oesterreichs Einwilligung
erst durch einen Separatvertrag mit Frankreich am 26. Dezember erkauft werden.

So zog sich der Abschluß noch hin. Um so mehr sah sich Dalberg zum
engsten Anschluß an Frankreich gedrängt. Denn mochte er auch Albini als
"Retter des Kurstaats" begrüßen, überschwänglich seine "unermeßlichen" Verdienste
um Deutschland und diesen Kurstaat preisen und unaufhörlich betonen, daß
Deutschlands Wohl sein Zweck, Gründung des Kurstaats sein Bestreben seien,
daß er deshalb auf der würdigen Ausstattung desselben "bestehen" müsse, "und
sollte es ihm den Kopf kosten", der Erkenntniß konnte sich doch auch er nicht mehr
verschließen, daß es weniger auf seinen Heldenmuth, auf das ewig wiederholte
inixaviäuin tsrisQt ruinas ankomme, als auf die Gnade des ersten Konsuls.
An ihn hat er sich denn auch zum ersten Male am 2. November 1802 direkt
gewandt, mit einem Schreiben, in dem neben einer enthusiastischen Lobpreisung
der Segnungen des Friedens von Lüneville bereits die bedenkliche Phrase vor¬
kommt, die bald zu einem politischen Dogma für den Schreiber werden sollte:
1s Misset Asilis Hui iullns sur 1s8 ässtinüss cku roonäs, ckssirs as eonso-
licksr la sonssrÄö oorxs VsrinÄiziHiis, während er am Schlüsse schon ver-


sandte Dalberg an Albini, ebenfalls ohne Erfolg. Das Einzige, was der
Minister bei der ersten Abstimmung der Reichsdeputation am 31. August geltend
machen konnte, war die Forderung, es möge der Grundsatz festgestellt werden,
daß die Lasten und Pflichten der einzuziehenden Territorien auf die neuen
Herren übergehen müßten, woran bis dahin noch niemand gedacht hatte. Diese
Mainzer Zusätze fanden denn auch am 8. September Annahme, um fo weniger
Beachtung das, was Dalberg sonst über Beobachtung der Reichsverfassung,
Sicherung der Fortexistenz der Bisthümer, wenn auch unter fürstlicher Landes¬
hoheit, u. a. in Erinnerung brachte. Am 10. Oktober kam der modifizirte
Plan zur Berathung, der nun auch Näheres über den Erzkanzler enthielt.
Darnach sollte der Sitz des Erzstiftes von Mainz auf den Dom von Regens¬
burg übertragen werden und dasselbe „auf ewige Zeiten" mit der Würde des
Kurfürsten-Erzkanzlers und Primas von Deutschland verbunden bleiben. Seine
Metropolitangewalt sollte sich über die Diöcesen von Mainz, Trier, Köln und
Salzburg erstrecken, doch mit Ausnahme natürlich ihrer linksrheinischen Theile
und auch der preußischen Staaten. Das Gebiet bestand aus den bisherigen
freien Reichsstädten Regensburg und Wetzlar als Sitzen des Reichstages und
des Reichskammergerichts sowie dem altmainzischen Fürstenthum Aschaffenburg,
im ganzen aus etwa 26 Quadratmeilen mit 109 000 Einwohnern und 650 000 si.
Einkünften. Was an der versprochenen Million fehlte, sollte durch Anweisung
auf Mediatstifter ergänzt werden. Da gegen das Ganze des modifizirten Ent-
fchädigungsplanes manche Einwendungen erhoben wurden, fo kam erst am
25. November der Hauptreceß zu Stande, doch mußte Oesterreichs Einwilligung
erst durch einen Separatvertrag mit Frankreich am 26. Dezember erkauft werden.

So zog sich der Abschluß noch hin. Um so mehr sah sich Dalberg zum
engsten Anschluß an Frankreich gedrängt. Denn mochte er auch Albini als
„Retter des Kurstaats" begrüßen, überschwänglich seine „unermeßlichen" Verdienste
um Deutschland und diesen Kurstaat preisen und unaufhörlich betonen, daß
Deutschlands Wohl sein Zweck, Gründung des Kurstaats sein Bestreben seien,
daß er deshalb auf der würdigen Ausstattung desselben „bestehen" müsse, „und
sollte es ihm den Kopf kosten", der Erkenntniß konnte sich doch auch er nicht mehr
verschließen, daß es weniger auf seinen Heldenmuth, auf das ewig wiederholte
inixaviäuin tsrisQt ruinas ankomme, als auf die Gnade des ersten Konsuls.
An ihn hat er sich denn auch zum ersten Male am 2. November 1802 direkt
gewandt, mit einem Schreiben, in dem neben einer enthusiastischen Lobpreisung
der Segnungen des Friedens von Lüneville bereits die bedenkliche Phrase vor¬
kommt, die bald zu einem politischen Dogma für den Schreiber werden sollte:
1s Misset Asilis Hui iullns sur 1s8 ässtinüss cku roonäs, ckssirs as eonso-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/363>, abgerufen am 26.08.2024.