Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.die humanistischen Studien eifrig und erfolgreich Pflegte, das Bisthum Worms die humanistischen Studien eifrig und erfolgreich Pflegte, das Bisthum Worms <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143406"/> <p xml:id="ID_1058" prev="#ID_1057" next="#ID_1059"> die humanistischen Studien eifrig und erfolgreich Pflegte, das Bisthum Worms<lb/> erhielt. Auch Karl v. Dalbergs Vater trat anfangs in kurpfälzische Dienste,<lb/> dann aber in die eines geistlichen Fürstenthums, des Kurstaates Mainz, Solche<lb/> altererbte Verhältnisse haben dann bestimmend auf Laufbahn und Schicksal des<lb/> Sohnes eingewirkt. In früher Jugend zum geistlichen Stande bestimmt, war<lb/> Karl v. Dalberg schon mit zehn Jahren Domicellar von Würzburg und Mainz,<lb/> mit vierzehn von Worms. Auf seine Bildung übte diese Bestimmung keinen gün¬<lb/> stigen Einfluß. Von Hauslehrern vornehmlich „in Sprachen und schönen<lb/> Wissenschaften" unterrichtet, eignete er sich jene wesentlich aesthetisirende Rich¬<lb/> tung an, die über alles und jedes mehr oder minder geistreiche Einfälle zu<lb/> Tage zu fördern wußte, sich für alles interessirte, aber dabei sich auch einbil¬<lb/> dete, alles beurtheilen, alles leisten zu können, und doch nichts gründlich ver¬<lb/> stand und nichts Dauerndes leistete. Auch die Universitätsstudien Dalbergs in<lb/> Heidelberg, 1759—1761, durch die Erwerbung des juristischen Doktortitets nach<lb/> zwei Jahren abgeschlossen, blieben oberflächliche, und er beendete sie in einem<lb/> Alter, in welchem sie erst mit Erfolg hätten begonnen werden müssen. Nach<lb/> dem schönen Brauche seines Standes unternahm sodann der junge Mann seine<lb/> große europäische Tour durch Italien, Frankreich, die Niederlande und einige<lb/> kleinere deutsche Staaten, hielt sich dabei namentlich in Mailand, Rom und<lb/> Paris längere Zeit auf und erwarb sich dabei das Wohlwollen des unselb¬<lb/> ständigen, jesuitenfreundlichen Papstes Clemens XIII. Kaum zurückgekehrt, sah<lb/> er sich i. I. 1763 in Mainz nicht etwa in einen subalternen Verwaltungs¬<lb/> posten eingeschoben, wo er allein die nöthige Geschäfts- und Menschenkenntniß<lb/> sich hätte erwerben und am ehesten die Lücken seiner Bildung hätte ausfüllen<lb/> können, sondern sofort zum Hilfsarbeiter des Mainzischen Ministeriums beför¬<lb/> dert. Als solcher kam er unter den Einfluß des humanen, aufgeklärten Abso¬<lb/> lutismus, der die hervorragendsten europäischen Höfe des Festlandes — außer<lb/> Frankreich — beherrschte und unter Emmerich Josef (1763—1774) auch im<lb/> geistlichen Staate Mainz seinen Einzug hielt. Für Dalbergs ganze Denkungs-<lb/> weise als Regent ist diese Richtung bestimmend gewesen. Ueber seinen persön¬<lb/> lichen Antheil an der Verwaltung ist freilich so gut wie nichts bekannt; daß<lb/> er die Gunst seines Herrn sich sehr schnell erwarb, bezeugt sein rasches Auf¬<lb/> steigen auf der Staffel der Hierarchie: i. I. 1768 wurde er Domkapitular von<lb/> Mainz, 1770 Domherr in Worms. Er selbst hat jedenfalls durch seine bis¬<lb/> herige Amtsthätigkeit sich für genügend befähigt erachtet, um nach dem Tode<lb/> des damaligen Statthalters von Erfurt (30. Dezember 1770) sich bei seinem<lb/> Kurfürsten um den erledigten Posten zu bewerben. Er erhielt ihn durch ein<lb/> sehr gnädiges Dekret bereits am 5. April 1771, trat ihn aber aus unbekannten<lb/> Gründen erst am 2. Oktober 1772 an. Seine Grundsätze für die Amtsfüh-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
die humanistischen Studien eifrig und erfolgreich Pflegte, das Bisthum Worms
erhielt. Auch Karl v. Dalbergs Vater trat anfangs in kurpfälzische Dienste,
dann aber in die eines geistlichen Fürstenthums, des Kurstaates Mainz, Solche
altererbte Verhältnisse haben dann bestimmend auf Laufbahn und Schicksal des
Sohnes eingewirkt. In früher Jugend zum geistlichen Stande bestimmt, war
Karl v. Dalberg schon mit zehn Jahren Domicellar von Würzburg und Mainz,
mit vierzehn von Worms. Auf seine Bildung übte diese Bestimmung keinen gün¬
stigen Einfluß. Von Hauslehrern vornehmlich „in Sprachen und schönen
Wissenschaften" unterrichtet, eignete er sich jene wesentlich aesthetisirende Rich¬
tung an, die über alles und jedes mehr oder minder geistreiche Einfälle zu
Tage zu fördern wußte, sich für alles interessirte, aber dabei sich auch einbil¬
dete, alles beurtheilen, alles leisten zu können, und doch nichts gründlich ver¬
stand und nichts Dauerndes leistete. Auch die Universitätsstudien Dalbergs in
Heidelberg, 1759—1761, durch die Erwerbung des juristischen Doktortitets nach
zwei Jahren abgeschlossen, blieben oberflächliche, und er beendete sie in einem
Alter, in welchem sie erst mit Erfolg hätten begonnen werden müssen. Nach
dem schönen Brauche seines Standes unternahm sodann der junge Mann seine
große europäische Tour durch Italien, Frankreich, die Niederlande und einige
kleinere deutsche Staaten, hielt sich dabei namentlich in Mailand, Rom und
Paris längere Zeit auf und erwarb sich dabei das Wohlwollen des unselb¬
ständigen, jesuitenfreundlichen Papstes Clemens XIII. Kaum zurückgekehrt, sah
er sich i. I. 1763 in Mainz nicht etwa in einen subalternen Verwaltungs¬
posten eingeschoben, wo er allein die nöthige Geschäfts- und Menschenkenntniß
sich hätte erwerben und am ehesten die Lücken seiner Bildung hätte ausfüllen
können, sondern sofort zum Hilfsarbeiter des Mainzischen Ministeriums beför¬
dert. Als solcher kam er unter den Einfluß des humanen, aufgeklärten Abso¬
lutismus, der die hervorragendsten europäischen Höfe des Festlandes — außer
Frankreich — beherrschte und unter Emmerich Josef (1763—1774) auch im
geistlichen Staate Mainz seinen Einzug hielt. Für Dalbergs ganze Denkungs-
weise als Regent ist diese Richtung bestimmend gewesen. Ueber seinen persön¬
lichen Antheil an der Verwaltung ist freilich so gut wie nichts bekannt; daß
er die Gunst seines Herrn sich sehr schnell erwarb, bezeugt sein rasches Auf¬
steigen auf der Staffel der Hierarchie: i. I. 1768 wurde er Domkapitular von
Mainz, 1770 Domherr in Worms. Er selbst hat jedenfalls durch seine bis¬
herige Amtsthätigkeit sich für genügend befähigt erachtet, um nach dem Tode
des damaligen Statthalters von Erfurt (30. Dezember 1770) sich bei seinem
Kurfürsten um den erledigten Posten zu bewerben. Er erhielt ihn durch ein
sehr gnädiges Dekret bereits am 5. April 1771, trat ihn aber aus unbekannten
Gründen erst am 2. Oktober 1772 an. Seine Grundsätze für die Amtsfüh-
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