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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Schlegel, der dort kurz vorher in den Hasen eines Pfarramtes eingelaufen war,
der Vater der beiden Romantiker, in Altona der Rektor Joh. Jakob Dusch,
der von Lessing wiederholt arg gezauste Gottschedianer, in Hamburg Samuel
Reimarus, Klop stock und der zufällig von Braunschweig aus hier anwesende
Ebert, allbekannt aus Klopstocks Ode an ihn, auf der Rückreise in Braun¬
schweig der Abt Jerusalem, der Vater des unglücklichen Werther-Jerusalem, und
Gärtner, der Begründer der "Bremer Beiträge". Ohne nennenswerthen Ertrag
ist das Jahr 1768. Dagegen bringt das nächste Jahr noch ein paar wichtige
Ergänzungen. Im Januar wird bei einem Besuche in Dresden Lippert, der
Herausgeber der "Daktyliothek", und jedenfalls auch Raben er ausgesucht; des
letzteren Eintrag trägt kein Datum, steht aber mit dem Lipperts auf derselben Seite.
Im Mai ist Basedow in Leipzig, "aus der Reise zur innerlichen und äußer¬
lichen Beförderung des Elementarbuchs", wie er zu seinem Einträge hinzugesetzt
hat; auch er entgeht dem eifrigen Sammler nicht. Anfang Juni ist Eck selbst in
Erfurt; wieder begleitet ihn das treue Büchlein, und Wieland und Riedel,
beide damals Docenten an der Erfurter Universität, müssen ihren Beitrag spenden.
Im September endlich wird noch Johann Georg Jacobi in Halle eingeheimst,
dessen Eintrag den Schluß macht. Undatirt ist, außer Rabeners nur Oesers
Blatt, die schon erwähnte kleine Zeichnung. Doch gehört auch sie jedenfalls in
das Jahr 1766 oder 1767.

Eine bedächtige Durchsicht des alten Studentenstammbuches ist in mannig¬
facher Hinsicht lehrreich. Wir blicken zunächst auf das Sprachenverhältniß und
bemerken, daß von den 81 Eintragen 49 in lateinischer, 30 in deutscher, je einer
in englischer und französischer Sprache geschrieben sind, d. h. der Zusatz bedient
sich dieser Sprache; der gewählte Spruch ist z. B. in den lateinischen Blättern
oft ein griechisches, bisweilen ein hebräisches, einmal sogar ein englisches Citat.
Mit Citaten behelfen sich überhaupt die meisten; die, welche einen eignen Gedanken
oder gar eine eigne poetische Leistung hinschreiben, bilden natürlich die Minderheit.
Was die Schriften betrifft, aus denen die Citate entlehnt werden, so begegnet vor
allem die Bibel, daneben namentlich lateinische Autoren, seltener deutsche Dichter.
Charakteristisch sind die deutschen Citate, insofern sie zeigen, was damals gelesen
wurde, was populär war. Wie in Klopstocks Ode "Der Zürchersee" (1750) auf
dem Kahne von Hirzels junger Frau "Haller's Doris" gesungen wird und dann
"die Jünglinge singen und empfinden wie Hagedorn", wie noch in Voßens
"Luise" (1784) beim Lustwandeln im Walde


empfundene Lieder von Stolberg,
Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi

angestimmt werden, so werden wir uns nicht wundern, auch unter den Sprüchen
unseres Stammbuches wiederholt Haller und Hagedorn zu begegnen; daneben


Schlegel, der dort kurz vorher in den Hasen eines Pfarramtes eingelaufen war,
der Vater der beiden Romantiker, in Altona der Rektor Joh. Jakob Dusch,
der von Lessing wiederholt arg gezauste Gottschedianer, in Hamburg Samuel
Reimarus, Klop stock und der zufällig von Braunschweig aus hier anwesende
Ebert, allbekannt aus Klopstocks Ode an ihn, auf der Rückreise in Braun¬
schweig der Abt Jerusalem, der Vater des unglücklichen Werther-Jerusalem, und
Gärtner, der Begründer der „Bremer Beiträge". Ohne nennenswerthen Ertrag
ist das Jahr 1768. Dagegen bringt das nächste Jahr noch ein paar wichtige
Ergänzungen. Im Januar wird bei einem Besuche in Dresden Lippert, der
Herausgeber der „Daktyliothek", und jedenfalls auch Raben er ausgesucht; des
letzteren Eintrag trägt kein Datum, steht aber mit dem Lipperts auf derselben Seite.
Im Mai ist Basedow in Leipzig, „aus der Reise zur innerlichen und äußer¬
lichen Beförderung des Elementarbuchs", wie er zu seinem Einträge hinzugesetzt
hat; auch er entgeht dem eifrigen Sammler nicht. Anfang Juni ist Eck selbst in
Erfurt; wieder begleitet ihn das treue Büchlein, und Wieland und Riedel,
beide damals Docenten an der Erfurter Universität, müssen ihren Beitrag spenden.
Im September endlich wird noch Johann Georg Jacobi in Halle eingeheimst,
dessen Eintrag den Schluß macht. Undatirt ist, außer Rabeners nur Oesers
Blatt, die schon erwähnte kleine Zeichnung. Doch gehört auch sie jedenfalls in
das Jahr 1766 oder 1767.

Eine bedächtige Durchsicht des alten Studentenstammbuches ist in mannig¬
facher Hinsicht lehrreich. Wir blicken zunächst auf das Sprachenverhältniß und
bemerken, daß von den 81 Eintragen 49 in lateinischer, 30 in deutscher, je einer
in englischer und französischer Sprache geschrieben sind, d. h. der Zusatz bedient
sich dieser Sprache; der gewählte Spruch ist z. B. in den lateinischen Blättern
oft ein griechisches, bisweilen ein hebräisches, einmal sogar ein englisches Citat.
Mit Citaten behelfen sich überhaupt die meisten; die, welche einen eignen Gedanken
oder gar eine eigne poetische Leistung hinschreiben, bilden natürlich die Minderheit.
Was die Schriften betrifft, aus denen die Citate entlehnt werden, so begegnet vor
allem die Bibel, daneben namentlich lateinische Autoren, seltener deutsche Dichter.
Charakteristisch sind die deutschen Citate, insofern sie zeigen, was damals gelesen
wurde, was populär war. Wie in Klopstocks Ode „Der Zürchersee" (1750) auf
dem Kahne von Hirzels junger Frau „Haller's Doris" gesungen wird und dann
„die Jünglinge singen und empfinden wie Hagedorn", wie noch in Voßens
„Luise" (1784) beim Lustwandeln im Walde


empfundene Lieder von Stolberg,
Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi

angestimmt werden, so werden wir uns nicht wundern, auch unter den Sprüchen
unseres Stammbuches wiederholt Haller und Hagedorn zu begegnen; daneben


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[0334] Schlegel, der dort kurz vorher in den Hasen eines Pfarramtes eingelaufen war, der Vater der beiden Romantiker, in Altona der Rektor Joh. Jakob Dusch, der von Lessing wiederholt arg gezauste Gottschedianer, in Hamburg Samuel Reimarus, Klop stock und der zufällig von Braunschweig aus hier anwesende Ebert, allbekannt aus Klopstocks Ode an ihn, auf der Rückreise in Braun¬ schweig der Abt Jerusalem, der Vater des unglücklichen Werther-Jerusalem, und Gärtner, der Begründer der „Bremer Beiträge". Ohne nennenswerthen Ertrag ist das Jahr 1768. Dagegen bringt das nächste Jahr noch ein paar wichtige Ergänzungen. Im Januar wird bei einem Besuche in Dresden Lippert, der Herausgeber der „Daktyliothek", und jedenfalls auch Raben er ausgesucht; des letzteren Eintrag trägt kein Datum, steht aber mit dem Lipperts auf derselben Seite. Im Mai ist Basedow in Leipzig, „aus der Reise zur innerlichen und äußer¬ lichen Beförderung des Elementarbuchs", wie er zu seinem Einträge hinzugesetzt hat; auch er entgeht dem eifrigen Sammler nicht. Anfang Juni ist Eck selbst in Erfurt; wieder begleitet ihn das treue Büchlein, und Wieland und Riedel, beide damals Docenten an der Erfurter Universität, müssen ihren Beitrag spenden. Im September endlich wird noch Johann Georg Jacobi in Halle eingeheimst, dessen Eintrag den Schluß macht. Undatirt ist, außer Rabeners nur Oesers Blatt, die schon erwähnte kleine Zeichnung. Doch gehört auch sie jedenfalls in das Jahr 1766 oder 1767. Eine bedächtige Durchsicht des alten Studentenstammbuches ist in mannig¬ facher Hinsicht lehrreich. Wir blicken zunächst auf das Sprachenverhältniß und bemerken, daß von den 81 Eintragen 49 in lateinischer, 30 in deutscher, je einer in englischer und französischer Sprache geschrieben sind, d. h. der Zusatz bedient sich dieser Sprache; der gewählte Spruch ist z. B. in den lateinischen Blättern oft ein griechisches, bisweilen ein hebräisches, einmal sogar ein englisches Citat. Mit Citaten behelfen sich überhaupt die meisten; die, welche einen eignen Gedanken oder gar eine eigne poetische Leistung hinschreiben, bilden natürlich die Minderheit. Was die Schriften betrifft, aus denen die Citate entlehnt werden, so begegnet vor allem die Bibel, daneben namentlich lateinische Autoren, seltener deutsche Dichter. Charakteristisch sind die deutschen Citate, insofern sie zeigen, was damals gelesen wurde, was populär war. Wie in Klopstocks Ode „Der Zürchersee" (1750) auf dem Kahne von Hirzels junger Frau „Haller's Doris" gesungen wird und dann „die Jünglinge singen und empfinden wie Hagedorn", wie noch in Voßens „Luise" (1784) beim Lustwandeln im Walde empfundene Lieder von Stolberg, Bürger und Hagedorn, von Claudius, Gleim und Jacobi angestimmt werden, so werden wir uns nicht wundern, auch unter den Sprüchen unseres Stammbuches wiederholt Haller und Hagedorn zu begegnen; daneben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/334>, abgerufen am 24.07.2024.