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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Photographie-Album ersetzt, nur noch in den Kinderschulen und allenfalls auf der
untersten Stufe des Gymnasiums ein kümmerliches Dasein fristet, bestand in
studentischen Kreisen, noch als Goethe in Leipzig studirte.

Die Loge Minerva" in Leipzig bewahrt unter ihren bescheidenen archivalischen
Schätzen ein kleines Juwel: das Stammbuch eines Leipziger Studenten aus dem
vorigen Jahrhundert, in welches alle irgendwie hervorragenden Dichtergrößen jener
Zeit sich eigenhändig eingezeichnet habend) Was für Augen würde ein Autographen¬
sammler machen, wenn er diesen Reichthum von echten LouÄxnöL aus so engem
Raume beisammen sähe! Es ist ein schlichter Lederhaut in Queroktav, der 86 Blatt
umfaßt; 20 davon sind leer geblieben, die übrigen sind bald auf beiden, bald nur
auf einer Seite beschrieben, eine kleine Röthelzeichnung ist besonders eingeheftet.
Das erste Blatt trägt die Widmungsinschrift: Viri,8 Druäitionk Ilwstrivus
ä. et. ä. loannös (AsorAius DoK 8. L. Lnsol. Lultor. ?rMen.8.

Der ursprüngliche Besitzer dieses Stammbuches war der nachmalige Professor
Johann Georg Eck, der am 20. November 1808 als letzter "Professor der
Dichtkunst" (xrotöSMr xoössvL) der Leipziger Universität starb. Er war am
23. Januar 1745 in Hinternahe bei Schleusingen, wo sein Vater Prediger war,
geboren, hatte von 1753 bis 1763 das Gymnasium im Schleusingen besucht
und Ostern 1763 die Leipziger Universität bezogen. Ende 1765 wurde er
Magister, bestand 1766 die theologische Kcmdidatenprüsung und begann 1768,
nachdem er sich entschlossen, die akademische Laufbahn einzuschlagen, in Leipzig Vor¬
lesungen zu halten. Nach Gellerts Tode wurde er am 24. Januar 1770 zum
außerordentlichen, am 16. Mai 1771 zum ordentlichen Professor ernannt, übernahm
als solcher am 25. März 1782 die Professur der Moral und Politik, 1791 nach
dem Tode von Friedrich Wolfgang Reiz die der Poesie.**) Fünfmal hat er in
den Jahren 1788 --1806 das Rektorat der Universität verwaltet, auch als Mit¬
glied verschiedener gelehrter Vereine, so der ehemaligen "Görlitzischen", später (seit
Gottscheds Führung, 1727) "Deutschen Gesellschaft" und der ebenfalls von Gottsched
1752 gegründeten "Gesellschaft der freien Künste" u. a>, sowie als Censor oder
Bücherkommissar sich thätig bewiesen. Seine Vorlesungen erstreckten sich aus Litera¬
turgeschichte, lateinische Poetik und Uebungen im Deutsch-Schreiben, Reden und
Deklamiren; außerdem erklärte er den Plautus, Terenz, Horaz und Juvenal.




*) Die Kenntniß desselben verdanken wir der Güte des Herrn Kaufmanns C. G. Bohne
in Leipzig,
**) Zu seinen Vorgängern in diesem Amte, welches er als der letzte bekleidete, gehörten
unter andern: Joh. Friedrich Christ, der bekannte Archäolog (1739--SS), Karl Andreas
Bel (17SK--W), Chr. August Clodius (1732 -- 34) und Friedrich Wolfgang Reiz (1736
bis S0). Gottsched war Professor der Dialektik und Metaphysik, Gellert nur außerordentlicher
Professor der Moral.

Photographie-Album ersetzt, nur noch in den Kinderschulen und allenfalls auf der
untersten Stufe des Gymnasiums ein kümmerliches Dasein fristet, bestand in
studentischen Kreisen, noch als Goethe in Leipzig studirte.

Die Loge Minerva" in Leipzig bewahrt unter ihren bescheidenen archivalischen
Schätzen ein kleines Juwel: das Stammbuch eines Leipziger Studenten aus dem
vorigen Jahrhundert, in welches alle irgendwie hervorragenden Dichtergrößen jener
Zeit sich eigenhändig eingezeichnet habend) Was für Augen würde ein Autographen¬
sammler machen, wenn er diesen Reichthum von echten LouÄxnöL aus so engem
Raume beisammen sähe! Es ist ein schlichter Lederhaut in Queroktav, der 86 Blatt
umfaßt; 20 davon sind leer geblieben, die übrigen sind bald auf beiden, bald nur
auf einer Seite beschrieben, eine kleine Röthelzeichnung ist besonders eingeheftet.
Das erste Blatt trägt die Widmungsinschrift: Viri,8 Druäitionk Ilwstrivus
ä. et. ä. loannös (AsorAius DoK 8. L. Lnsol. Lultor. ?rMen.8.

Der ursprüngliche Besitzer dieses Stammbuches war der nachmalige Professor
Johann Georg Eck, der am 20. November 1808 als letzter „Professor der
Dichtkunst" (xrotöSMr xoössvL) der Leipziger Universität starb. Er war am
23. Januar 1745 in Hinternahe bei Schleusingen, wo sein Vater Prediger war,
geboren, hatte von 1753 bis 1763 das Gymnasium im Schleusingen besucht
und Ostern 1763 die Leipziger Universität bezogen. Ende 1765 wurde er
Magister, bestand 1766 die theologische Kcmdidatenprüsung und begann 1768,
nachdem er sich entschlossen, die akademische Laufbahn einzuschlagen, in Leipzig Vor¬
lesungen zu halten. Nach Gellerts Tode wurde er am 24. Januar 1770 zum
außerordentlichen, am 16. Mai 1771 zum ordentlichen Professor ernannt, übernahm
als solcher am 25. März 1782 die Professur der Moral und Politik, 1791 nach
dem Tode von Friedrich Wolfgang Reiz die der Poesie.**) Fünfmal hat er in
den Jahren 1788 —1806 das Rektorat der Universität verwaltet, auch als Mit¬
glied verschiedener gelehrter Vereine, so der ehemaligen „Görlitzischen", später (seit
Gottscheds Führung, 1727) „Deutschen Gesellschaft" und der ebenfalls von Gottsched
1752 gegründeten „Gesellschaft der freien Künste" u. a>, sowie als Censor oder
Bücherkommissar sich thätig bewiesen. Seine Vorlesungen erstreckten sich aus Litera¬
turgeschichte, lateinische Poetik und Uebungen im Deutsch-Schreiben, Reden und
Deklamiren; außerdem erklärte er den Plautus, Terenz, Horaz und Juvenal.




*) Die Kenntniß desselben verdanken wir der Güte des Herrn Kaufmanns C. G. Bohne
in Leipzig,
**) Zu seinen Vorgängern in diesem Amte, welches er als der letzte bekleidete, gehörten
unter andern: Joh. Friedrich Christ, der bekannte Archäolog (1739—SS), Karl Andreas
Bel (17SK—W), Chr. August Clodius (1732 — 34) und Friedrich Wolfgang Reiz (1736
bis S0). Gottsched war Professor der Dialektik und Metaphysik, Gellert nur außerordentlicher
Professor der Moral.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/331>, abgerufen am 27.08.2024.