Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn nur das Pferd aufhält, wenn es nur nicht ermüdet! Aber nein,
das konnte ja nicht sein, ich kannte mein edles Thier viel zu gut. Aber was
bedeutete das? Meine Hand war ja voll Blut. Ich hatte die Kruppe meines
Pferdes gestreichelt, und dabei färbte sich meine Hand, sogar mein Aermel
wurde naß. Armer Orlik, nicht aus Ermüdung ließ er nach, ihn schwächte
der Blutverlust. Verwundet war er all' die Zeit gerannt, und rothe Blutflecken
bezeichneten seine Spuren in dem heißen Sande. Aber jetzt fehlt ja nicht mehr
viel -- dort zeichnen sich schon deutlich die Kameelshöcker ab. Helle Pnnkte
tauchen vor mir auf -- es waren gewiß unsre Weißkittel.

Plötzlich blieb Orlik stehen, er knickte zusammen und wankte. Ich riß den
Revolver heraus und sprang zu Boden, aber in demselben Augenblicke wurde
ich von nachstürmenden Pferden niedergetreten. Ich verlor die Besinnung.
Ein dumpfer Schlag auf den Scheitel -- Geröchel -- ein widerlicher Gestank
und ein scharfer, stechender Schmerz in der Seite -- das ist alles, was mir
von jenem Augenblick im Gedächtniß geblieben.

(Schluß folgt.)




Ile akademische Kunstausstellung in Aerlin.
2.

Die Historienmalerei hat sich nun einmal das Szepter, welches sie länger als
fünfzig Jahre in den Händen gehabt, entwinden lassen. Das ist eine Thatsache,
welche nicht blos durch die akademische Kunstausstellung in Berlin, sondern,
was schwerer ins Gewicht fällt, auch durch die internationale Kunstausstellung
in München erhärtet wird. Sie gilt nicht blos für Deutschland, sondern auch
für alle übrigen Länder, welche eine eigenthümliche Kunst besitzen, Frankreich
mit inbegriffen. Denn was in Frankreich unter M-anÄe xöwwro verstanden
wird, einem Begriffe, der sich ungefähr mit dem unserer Historienmalerei deckt,
ist im Großen und Ganzen eine Verirrung in kolossalen Maßstabe, ein plumpes
Kvmödienspiel, welches keinen tiefer blickenden zu blenden vermag. Daß eine
Historienmalerei, wie sie in Frankreich und neuerdings unter französischem Ein¬
flüsse auch in Deutschland gepflegt wird, allmählich abstirbt, ist kein Unglück.
Vielleicht war die ganze sogenannte historische Malerei, die von der Romantik
ins Leben gerufen wurde, ein aesthetischer Irrthum, dem gerade durch diese
selbe Romantik und ihre nächsten Folgen eine bündige Widerlegung beschieden


Wenn nur das Pferd aufhält, wenn es nur nicht ermüdet! Aber nein,
das konnte ja nicht sein, ich kannte mein edles Thier viel zu gut. Aber was
bedeutete das? Meine Hand war ja voll Blut. Ich hatte die Kruppe meines
Pferdes gestreichelt, und dabei färbte sich meine Hand, sogar mein Aermel
wurde naß. Armer Orlik, nicht aus Ermüdung ließ er nach, ihn schwächte
der Blutverlust. Verwundet war er all' die Zeit gerannt, und rothe Blutflecken
bezeichneten seine Spuren in dem heißen Sande. Aber jetzt fehlt ja nicht mehr
viel — dort zeichnen sich schon deutlich die Kameelshöcker ab. Helle Pnnkte
tauchen vor mir auf — es waren gewiß unsre Weißkittel.

Plötzlich blieb Orlik stehen, er knickte zusammen und wankte. Ich riß den
Revolver heraus und sprang zu Boden, aber in demselben Augenblicke wurde
ich von nachstürmenden Pferden niedergetreten. Ich verlor die Besinnung.
Ein dumpfer Schlag auf den Scheitel — Geröchel — ein widerlicher Gestank
und ein scharfer, stechender Schmerz in der Seite — das ist alles, was mir
von jenem Augenblick im Gedächtniß geblieben.

(Schluß folgt.)




Ile akademische Kunstausstellung in Aerlin.
2.

Die Historienmalerei hat sich nun einmal das Szepter, welches sie länger als
fünfzig Jahre in den Händen gehabt, entwinden lassen. Das ist eine Thatsache,
welche nicht blos durch die akademische Kunstausstellung in Berlin, sondern,
was schwerer ins Gewicht fällt, auch durch die internationale Kunstausstellung
in München erhärtet wird. Sie gilt nicht blos für Deutschland, sondern auch
für alle übrigen Länder, welche eine eigenthümliche Kunst besitzen, Frankreich
mit inbegriffen. Denn was in Frankreich unter M-anÄe xöwwro verstanden
wird, einem Begriffe, der sich ungefähr mit dem unserer Historienmalerei deckt,
ist im Großen und Ganzen eine Verirrung in kolossalen Maßstabe, ein plumpes
Kvmödienspiel, welches keinen tiefer blickenden zu blenden vermag. Daß eine
Historienmalerei, wie sie in Frankreich und neuerdings unter französischem Ein¬
flüsse auch in Deutschland gepflegt wird, allmählich abstirbt, ist kein Unglück.
Vielleicht war die ganze sogenannte historische Malerei, die von der Romantik
ins Leben gerufen wurde, ein aesthetischer Irrthum, dem gerade durch diese
selbe Romantik und ihre nächsten Folgen eine bündige Widerlegung beschieden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143086"/>
          <p xml:id="ID_126"> Wenn nur das Pferd aufhält, wenn es nur nicht ermüdet! Aber nein,<lb/>
das konnte ja nicht sein, ich kannte mein edles Thier viel zu gut. Aber was<lb/>
bedeutete das? Meine Hand war ja voll Blut. Ich hatte die Kruppe meines<lb/>
Pferdes gestreichelt, und dabei färbte sich meine Hand, sogar mein Aermel<lb/>
wurde naß. Armer Orlik, nicht aus Ermüdung ließ er nach, ihn schwächte<lb/>
der Blutverlust. Verwundet war er all' die Zeit gerannt, und rothe Blutflecken<lb/>
bezeichneten seine Spuren in dem heißen Sande. Aber jetzt fehlt ja nicht mehr<lb/>
viel &#x2014; dort zeichnen sich schon deutlich die Kameelshöcker ab. Helle Pnnkte<lb/>
tauchen vor mir auf &#x2014; es waren gewiß unsre Weißkittel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_127"> Plötzlich blieb Orlik stehen, er knickte zusammen und wankte. Ich riß den<lb/>
Revolver heraus und sprang zu Boden, aber in demselben Augenblicke wurde<lb/>
ich von nachstürmenden Pferden niedergetreten. Ich verlor die Besinnung.<lb/>
Ein dumpfer Schlag auf den Scheitel &#x2014; Geröchel &#x2014; ein widerlicher Gestank<lb/>
und ein scharfer, stechender Schmerz in der Seite &#x2014; das ist alles, was mir<lb/>
von jenem Augenblick im Gedächtniß geblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_128"> (Schluß folgt.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ile akademische Kunstausstellung in Aerlin.<lb/>
2. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_129" next="#ID_130"> Die Historienmalerei hat sich nun einmal das Szepter, welches sie länger als<lb/>
fünfzig Jahre in den Händen gehabt, entwinden lassen. Das ist eine Thatsache,<lb/>
welche nicht blos durch die akademische Kunstausstellung in Berlin, sondern,<lb/>
was schwerer ins Gewicht fällt, auch durch die internationale Kunstausstellung<lb/>
in München erhärtet wird. Sie gilt nicht blos für Deutschland, sondern auch<lb/>
für alle übrigen Länder, welche eine eigenthümliche Kunst besitzen, Frankreich<lb/>
mit inbegriffen. Denn was in Frankreich unter M-anÄe xöwwro verstanden<lb/>
wird, einem Begriffe, der sich ungefähr mit dem unserer Historienmalerei deckt,<lb/>
ist im Großen und Ganzen eine Verirrung in kolossalen Maßstabe, ein plumpes<lb/>
Kvmödienspiel, welches keinen tiefer blickenden zu blenden vermag. Daß eine<lb/>
Historienmalerei, wie sie in Frankreich und neuerdings unter französischem Ein¬<lb/>
flüsse auch in Deutschland gepflegt wird, allmählich abstirbt, ist kein Unglück.<lb/>
Vielleicht war die ganze sogenannte historische Malerei, die von der Romantik<lb/>
ins Leben gerufen wurde, ein aesthetischer Irrthum, dem gerade durch diese<lb/>
selbe Romantik und ihre nächsten Folgen eine bündige Widerlegung beschieden</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] Wenn nur das Pferd aufhält, wenn es nur nicht ermüdet! Aber nein, das konnte ja nicht sein, ich kannte mein edles Thier viel zu gut. Aber was bedeutete das? Meine Hand war ja voll Blut. Ich hatte die Kruppe meines Pferdes gestreichelt, und dabei färbte sich meine Hand, sogar mein Aermel wurde naß. Armer Orlik, nicht aus Ermüdung ließ er nach, ihn schwächte der Blutverlust. Verwundet war er all' die Zeit gerannt, und rothe Blutflecken bezeichneten seine Spuren in dem heißen Sande. Aber jetzt fehlt ja nicht mehr viel — dort zeichnen sich schon deutlich die Kameelshöcker ab. Helle Pnnkte tauchen vor mir auf — es waren gewiß unsre Weißkittel. Plötzlich blieb Orlik stehen, er knickte zusammen und wankte. Ich riß den Revolver heraus und sprang zu Boden, aber in demselben Augenblicke wurde ich von nachstürmenden Pferden niedergetreten. Ich verlor die Besinnung. Ein dumpfer Schlag auf den Scheitel — Geröchel — ein widerlicher Gestank und ein scharfer, stechender Schmerz in der Seite — das ist alles, was mir von jenem Augenblick im Gedächtniß geblieben. (Schluß folgt.) Ile akademische Kunstausstellung in Aerlin. 2. Die Historienmalerei hat sich nun einmal das Szepter, welches sie länger als fünfzig Jahre in den Händen gehabt, entwinden lassen. Das ist eine Thatsache, welche nicht blos durch die akademische Kunstausstellung in Berlin, sondern, was schwerer ins Gewicht fällt, auch durch die internationale Kunstausstellung in München erhärtet wird. Sie gilt nicht blos für Deutschland, sondern auch für alle übrigen Länder, welche eine eigenthümliche Kunst besitzen, Frankreich mit inbegriffen. Denn was in Frankreich unter M-anÄe xöwwro verstanden wird, einem Begriffe, der sich ungefähr mit dem unserer Historienmalerei deckt, ist im Großen und Ganzen eine Verirrung in kolossalen Maßstabe, ein plumpes Kvmödienspiel, welches keinen tiefer blickenden zu blenden vermag. Daß eine Historienmalerei, wie sie in Frankreich und neuerdings unter französischem Ein¬ flüsse auch in Deutschland gepflegt wird, allmählich abstirbt, ist kein Unglück. Vielleicht war die ganze sogenannte historische Malerei, die von der Romantik ins Leben gerufen wurde, ein aesthetischer Irrthum, dem gerade durch diese selbe Romantik und ihre nächsten Folgen eine bündige Widerlegung beschieden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/31>, abgerufen am 03.07.2024.