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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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2000 Früchte trägt, wobei etwa drei solcher Trauben in verschiedenem Reife¬
zustande an einer einzigen Palme sich befinden.

Bekanntlich gehört die Dattelpalme zu den Pflanzen mit getrennten Ge¬
schlechtern, d. h. es gibt (wie bei unserer Hanfpflanze) Palmen, welche nur
männliche, und solche, welche nur weibliche Blüthen tragen. Die letzteren sind
viel zahlreicher als die ersteren; nur sie bringen Früchte. Dennoch gewähren
auch die männlichen noch einen besondern Nutzen, wenn man von ihrem Holz¬
ertrage absieht. Schon ans unserem Ritte nach Elche hatten wir in der Cam-
pagna mehrere Exemplare gesehen, deren Blütterkrone mit Espartostricken zu¬
sammengebunden, gleich einer umgestülpten kolossalen gelben Rübe auf dem
Strunke saß. Auch hier sahen wir wieder einige solche sonderbare, nicht eben
graziös geformte Ungeheuer. Die Erklärung ist einfach folgende. Wenn die
Blüthezeit vorüber ist, unterzieht man die Kronen der meisten männlichen
Palmen einer Art Einwickelungs-Operation, aus welcher sie erst gegen Ende
der Fastenzeit wieder befreit werden. Denn am Palmsonntage müssen in
Spanien Millionen von Palmenblättern geweiht werden, die dann auf den
Balkonen der Häuser als Weih- und Schutzzeichen das Jahr über aufgestellt
bleiben. Kein Haus in Spanien, das nicht seinen Palmzweig trüge. Weil
aber Wind und Wetter diesen langgestreckten Federn übel mitspielen, werden sie
in der angedeuteten Weise eingebunden, dadurch konservirt und überdies ge¬
bleicht, was man für einen Vorzug ansieht. Ein solcher Blütterkegel gibt
durchschnittlich zehn bis zwölf Palmenblätter, eins zu zwei Realen im Werthe.
So läßt die Palme in dem kleinen Elche viel Geld liegen; mau rechnet die
Jahreseinnahme an Früchten und Blättern im ganzen auf 1600000 Realen
oder 400000 Pesetas.

Selbstverständlich ist die Behandlung der hoch oben schwebenden Kronen-
und Fruchttrauben keine leichte Arbeit, und es ist im hohen Grade interessant,
die Ersteigung eines solchen Baumes mit anzusehen. Ein schlanker Bursche, der
seine Abstammung aus arabischem Blute uicht verleugnen kann, in der kleid¬
samen, leichten Tracht des dortigen Landvolkes - um den Kopf ein farbiges
Tuch turbanartig geschlungen, das Hemd auf der braunen Brust weit aus¬
einander fallend, die weiten, baumwollenen Kniehosen mit rother Schärpe um
die Hüfte" befestigt, vom Knie an abwärts eine fast bronzefarbige Haut zeigend,
an den nackten Füßen die hör,A,äriI1o8 -- benutzt zur Erklimmung des Stammes
nichts als einen starken Espartostrick. Derselbe geht mitten um seinen Leib und
zugleich um den Baum in langer Schlinge. Mit beiden Händen wirst der
Bursche die Schlinge dem Stamme nach aufwärts auf der ihm selbst entgegen¬
gesetzten Seite, so daß sie an einer der vielen rauhen Blattnarben Hunger bleibt.
Dann stemmt er sich mit den Sohlen beider Füße an den Stamm, zieht sich


2000 Früchte trägt, wobei etwa drei solcher Trauben in verschiedenem Reife¬
zustande an einer einzigen Palme sich befinden.

Bekanntlich gehört die Dattelpalme zu den Pflanzen mit getrennten Ge¬
schlechtern, d. h. es gibt (wie bei unserer Hanfpflanze) Palmen, welche nur
männliche, und solche, welche nur weibliche Blüthen tragen. Die letzteren sind
viel zahlreicher als die ersteren; nur sie bringen Früchte. Dennoch gewähren
auch die männlichen noch einen besondern Nutzen, wenn man von ihrem Holz¬
ertrage absieht. Schon ans unserem Ritte nach Elche hatten wir in der Cam-
pagna mehrere Exemplare gesehen, deren Blütterkrone mit Espartostricken zu¬
sammengebunden, gleich einer umgestülpten kolossalen gelben Rübe auf dem
Strunke saß. Auch hier sahen wir wieder einige solche sonderbare, nicht eben
graziös geformte Ungeheuer. Die Erklärung ist einfach folgende. Wenn die
Blüthezeit vorüber ist, unterzieht man die Kronen der meisten männlichen
Palmen einer Art Einwickelungs-Operation, aus welcher sie erst gegen Ende
der Fastenzeit wieder befreit werden. Denn am Palmsonntage müssen in
Spanien Millionen von Palmenblättern geweiht werden, die dann auf den
Balkonen der Häuser als Weih- und Schutzzeichen das Jahr über aufgestellt
bleiben. Kein Haus in Spanien, das nicht seinen Palmzweig trüge. Weil
aber Wind und Wetter diesen langgestreckten Federn übel mitspielen, werden sie
in der angedeuteten Weise eingebunden, dadurch konservirt und überdies ge¬
bleicht, was man für einen Vorzug ansieht. Ein solcher Blütterkegel gibt
durchschnittlich zehn bis zwölf Palmenblätter, eins zu zwei Realen im Werthe.
So läßt die Palme in dem kleinen Elche viel Geld liegen; mau rechnet die
Jahreseinnahme an Früchten und Blättern im ganzen auf 1600000 Realen
oder 400000 Pesetas.

Selbstverständlich ist die Behandlung der hoch oben schwebenden Kronen-
und Fruchttrauben keine leichte Arbeit, und es ist im hohen Grade interessant,
die Ersteigung eines solchen Baumes mit anzusehen. Ein schlanker Bursche, der
seine Abstammung aus arabischem Blute uicht verleugnen kann, in der kleid¬
samen, leichten Tracht des dortigen Landvolkes - um den Kopf ein farbiges
Tuch turbanartig geschlungen, das Hemd auf der braunen Brust weit aus¬
einander fallend, die weiten, baumwollenen Kniehosen mit rother Schärpe um
die Hüfte» befestigt, vom Knie an abwärts eine fast bronzefarbige Haut zeigend,
an den nackten Füßen die hör,A,äriI1o8 — benutzt zur Erklimmung des Stammes
nichts als einen starken Espartostrick. Derselbe geht mitten um seinen Leib und
zugleich um den Baum in langer Schlinge. Mit beiden Händen wirst der
Bursche die Schlinge dem Stamme nach aufwärts auf der ihm selbst entgegen¬
gesetzten Seite, so daß sie an einer der vielen rauhen Blattnarben Hunger bleibt.
Dann stemmt er sich mit den Sohlen beider Füße an den Stamm, zieht sich


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[0297] 2000 Früchte trägt, wobei etwa drei solcher Trauben in verschiedenem Reife¬ zustande an einer einzigen Palme sich befinden. Bekanntlich gehört die Dattelpalme zu den Pflanzen mit getrennten Ge¬ schlechtern, d. h. es gibt (wie bei unserer Hanfpflanze) Palmen, welche nur männliche, und solche, welche nur weibliche Blüthen tragen. Die letzteren sind viel zahlreicher als die ersteren; nur sie bringen Früchte. Dennoch gewähren auch die männlichen noch einen besondern Nutzen, wenn man von ihrem Holz¬ ertrage absieht. Schon ans unserem Ritte nach Elche hatten wir in der Cam- pagna mehrere Exemplare gesehen, deren Blütterkrone mit Espartostricken zu¬ sammengebunden, gleich einer umgestülpten kolossalen gelben Rübe auf dem Strunke saß. Auch hier sahen wir wieder einige solche sonderbare, nicht eben graziös geformte Ungeheuer. Die Erklärung ist einfach folgende. Wenn die Blüthezeit vorüber ist, unterzieht man die Kronen der meisten männlichen Palmen einer Art Einwickelungs-Operation, aus welcher sie erst gegen Ende der Fastenzeit wieder befreit werden. Denn am Palmsonntage müssen in Spanien Millionen von Palmenblättern geweiht werden, die dann auf den Balkonen der Häuser als Weih- und Schutzzeichen das Jahr über aufgestellt bleiben. Kein Haus in Spanien, das nicht seinen Palmzweig trüge. Weil aber Wind und Wetter diesen langgestreckten Federn übel mitspielen, werden sie in der angedeuteten Weise eingebunden, dadurch konservirt und überdies ge¬ bleicht, was man für einen Vorzug ansieht. Ein solcher Blütterkegel gibt durchschnittlich zehn bis zwölf Palmenblätter, eins zu zwei Realen im Werthe. So läßt die Palme in dem kleinen Elche viel Geld liegen; mau rechnet die Jahreseinnahme an Früchten und Blättern im ganzen auf 1600000 Realen oder 400000 Pesetas. Selbstverständlich ist die Behandlung der hoch oben schwebenden Kronen- und Fruchttrauben keine leichte Arbeit, und es ist im hohen Grade interessant, die Ersteigung eines solchen Baumes mit anzusehen. Ein schlanker Bursche, der seine Abstammung aus arabischem Blute uicht verleugnen kann, in der kleid¬ samen, leichten Tracht des dortigen Landvolkes - um den Kopf ein farbiges Tuch turbanartig geschlungen, das Hemd auf der braunen Brust weit aus¬ einander fallend, die weiten, baumwollenen Kniehosen mit rother Schärpe um die Hüfte» befestigt, vom Knie an abwärts eine fast bronzefarbige Haut zeigend, an den nackten Füßen die hör,A,äriI1o8 — benutzt zur Erklimmung des Stammes nichts als einen starken Espartostrick. Derselbe geht mitten um seinen Leib und zugleich um den Baum in langer Schlinge. Mit beiden Händen wirst der Bursche die Schlinge dem Stamme nach aufwärts auf der ihm selbst entgegen¬ gesetzten Seite, so daß sie an einer der vielen rauhen Blattnarben Hunger bleibt. Dann stemmt er sich mit den Sohlen beider Füße an den Stamm, zieht sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/297>, abgerufen am 23.07.2024.