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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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ist es, worauf es wesentlich ankommt; nicht, wieviel in den Strafanstalten
geprügelt wird, sondern daß in ihnen geprügelt werden kann, ist die Haupt¬
sache. Die Freiheitsstrafen dürfen nicht länger als Asyle für faule Subjekte,
als vorübergehende Unannehmlichkeiten für ein zügelloses Leben, als wohl¬
anständige Auseinandersetzung mit dem Staate behandelt, sie müssen als Achtung
und Ehre vermindernde Buße empfunden werden. Ist die herabwürdigende
Körperstrafe aber wieder ein zum Zuchthause gehöriges Element geworden, so
muß man auch den weiteren Schritt thun, für besonders ehrlose Verbrechen
eine Verschärfung der Zuchthausstrafe durch Hunger und Prügel unter die
strafgesetzlich zulässigen Qualifikationen der Freiheitsstrafen wieder aufzunehmen.

Schließlich bleiben noch zwei Gebiete übrig, die theils neben den Freiheits¬
strafen, theils in Verbindung mit ihnen ergiebiger für die Bedürfnisse der
Strafrechtspflege benutzt werden können: die bürgerliche Ehre und das Vermögen.

Mit der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in der Urtheilsformel
der Straferkenntnisse und den legalen Wirkungen des Ehrverlustes ist es nicht
gethan, wenn diese Rechtsprechung nicht von einem kräftigen sittlichen Gefühle
des Volkes getragen wird. Dazu bedarf es, daß der Ehrlosigkeit greifbare
Gestalt zurückgegeben wird. Niemand wird sich leicht dafür erwärmen, Pranger
und Brandmarkung wieder aufleben zu lassen. Das schließt aber nicht aus,
daß auch heute noch besonders verächtliche Arten von Fleischessünden, von
Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit den sozialen Lastern der Er¬
werbsgier und Genußsucht zusammenhängende Vergehungen an den Uebelthätern
nicht sowohl durch lange Freiheitsberaubung als durch moderner Empfindsam¬
keit entsprechende Formen von Ehrenstrafen gesühnt werden sollten. Will man
die Betreffenden nicht mehr in Person an den Pranger stellen, so könnten diese
durch Namen und Bildniß vertreten sein. Die gesteigerte Oeffentlichkeit des
Lebens gibt übrigens der Gegenwart andere Mittel in Menge an die Hand,
besonders schlimmen Bethätigungen gemeiner Gesinnung deu Stempel der Infamie
für alle Welt aufzudrücken.

Was endlich den Ersatz der Freiheitsstrafen durch Geldbußen betrifft, so
können, wie unsre Schrift hervorhebt, hier nur die besitzenden Klassen der
Gesellschaft und nur Vergehungen mehr formaler Natur oder solche, welche, in
Gewinnsucht wurzelnd, rechtswidrige Eingriffe in die Sphäre des sozial-poli¬
tischen oder des wirthschaftlichen Lebens enthalten, in Frage kommen. "Eine
erhebliche Kategorie der sogenannten politischen Vergehen, der Preßdelikte, der
Injurien im weitesten Sinne würden," wie der Verfasser meint, "für Ver-
mögensbnßen in erster Linie geeignet sein. Schon das geltende Strafgesetzbuch
gewährt dazu einige Handhaben, wenn dieselben auch zu dürftig bemessen und,
sei es alternativ, sei es kumulativ, viel zu irrationell mit den Freiheitsstrafen


ist es, worauf es wesentlich ankommt; nicht, wieviel in den Strafanstalten
geprügelt wird, sondern daß in ihnen geprügelt werden kann, ist die Haupt¬
sache. Die Freiheitsstrafen dürfen nicht länger als Asyle für faule Subjekte,
als vorübergehende Unannehmlichkeiten für ein zügelloses Leben, als wohl¬
anständige Auseinandersetzung mit dem Staate behandelt, sie müssen als Achtung
und Ehre vermindernde Buße empfunden werden. Ist die herabwürdigende
Körperstrafe aber wieder ein zum Zuchthause gehöriges Element geworden, so
muß man auch den weiteren Schritt thun, für besonders ehrlose Verbrechen
eine Verschärfung der Zuchthausstrafe durch Hunger und Prügel unter die
strafgesetzlich zulässigen Qualifikationen der Freiheitsstrafen wieder aufzunehmen.

Schließlich bleiben noch zwei Gebiete übrig, die theils neben den Freiheits¬
strafen, theils in Verbindung mit ihnen ergiebiger für die Bedürfnisse der
Strafrechtspflege benutzt werden können: die bürgerliche Ehre und das Vermögen.

Mit der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte in der Urtheilsformel
der Straferkenntnisse und den legalen Wirkungen des Ehrverlustes ist es nicht
gethan, wenn diese Rechtsprechung nicht von einem kräftigen sittlichen Gefühle
des Volkes getragen wird. Dazu bedarf es, daß der Ehrlosigkeit greifbare
Gestalt zurückgegeben wird. Niemand wird sich leicht dafür erwärmen, Pranger
und Brandmarkung wieder aufleben zu lassen. Das schließt aber nicht aus,
daß auch heute noch besonders verächtliche Arten von Fleischessünden, von
Betrug, strafbarem Eigennutz und ähnliche mit den sozialen Lastern der Er¬
werbsgier und Genußsucht zusammenhängende Vergehungen an den Uebelthätern
nicht sowohl durch lange Freiheitsberaubung als durch moderner Empfindsam¬
keit entsprechende Formen von Ehrenstrafen gesühnt werden sollten. Will man
die Betreffenden nicht mehr in Person an den Pranger stellen, so könnten diese
durch Namen und Bildniß vertreten sein. Die gesteigerte Oeffentlichkeit des
Lebens gibt übrigens der Gegenwart andere Mittel in Menge an die Hand,
besonders schlimmen Bethätigungen gemeiner Gesinnung deu Stempel der Infamie
für alle Welt aufzudrücken.

Was endlich den Ersatz der Freiheitsstrafen durch Geldbußen betrifft, so
können, wie unsre Schrift hervorhebt, hier nur die besitzenden Klassen der
Gesellschaft und nur Vergehungen mehr formaler Natur oder solche, welche, in
Gewinnsucht wurzelnd, rechtswidrige Eingriffe in die Sphäre des sozial-poli¬
tischen oder des wirthschaftlichen Lebens enthalten, in Frage kommen. „Eine
erhebliche Kategorie der sogenannten politischen Vergehen, der Preßdelikte, der
Injurien im weitesten Sinne würden," wie der Verfasser meint, „für Ver-
mögensbnßen in erster Linie geeignet sein. Schon das geltende Strafgesetzbuch
gewährt dazu einige Handhaben, wenn dieselben auch zu dürftig bemessen und,
sei es alternativ, sei es kumulativ, viel zu irrationell mit den Freiheitsstrafen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/250>, abgerufen am 23.07.2024.