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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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die Größe des unsrigen und stehen ihm bedeutend näher, als der irdische Mond der
Erde. Ihr Durchmesser kann keine zehn Meilen betragen; der äußere ist im
Mittel etwa 2500 Meilen, der innere nur etwa 700 Meilen von der Ober¬
fläche des Mars entfernt. Diese Nähe bewirkt, daß die Monde, obgleich sie
von geringer Größe sind, dem Marsbewohner doch beträchtlich groß erscheinen,
der erstere einhalbmal, der andere etwa anderthalbmal so breit, wie uns unser
Mond. Dies ist aber noch nicht das Merkwürdigste an ihnen. Der innere
Mond bewegt sich in 7'/s Stunden um den Mars herum, und da der
Mars sich in reichlich 24 Stunden um seiue Achse dreht, so eilt der Mond
der Achsendrehung von West nach Ost voraus, und der Marsbewohner hat das
interessante Schauspiel, daß der eine seiner Monde im Westen auf- und im
Osten untergeht, der scheinbaren täglichen Bewegung aller andern Gestirne ent¬
gegengesetzt. Uebrigens geht er aller 11 Stunden einmal durch den Meridian,
so daß er also an einem Tage zweimal aufgeht. Natürlich hat er auch Mond¬
wechsel: Vollmond, Neumond, erstes und letztes Viertel, und dieser Wechsel
könnte den Marsbewohnern ebenso zur Zeiteintheilung dienen, wie der
Wechsel des unsrigen den Erdbewohnern vor Zeiten auch dazu, gedient hat.
Geht auf dem Mars die Sonne im Frühling morgens 6 Uhr auf, so kommt
der Mond als Vollmond von Westen hergeeilt. Wenn die Sonne die Mittags¬
höhe noch nicht erreicht hat, schickt sich der Mond bereits zum Untergange an.
Aber es ist inzwischen letztes Viertel und Neumond, ja sogar schon erstes Viertel
geworden. Am Abend, wenn die Sonne sich dem Horizonte zuneigt, kommt
bereits der Mond als letztes Viertel wieder herauf und begegnet ihr als Neu¬
mond. An der Sonne vorbei, nimmt er schnell an Größe zu, um am Abend
in Südosten als Vollmond zu glänzen. Um 11 Uhr geht er unter und erscheint
am andern Morgen in aller Frühe im Westen als Vollmond wieder.

Während aber dieser erste Mond ein schneller Bote am Himmel ist,
verweilt der andere dafür desto längere Zeit. Er bewegt sich in etwa 30 Stunden
um den Mars, also etwas langsamer, als sich der Mars um seine Achse dreht.
Daraus folgt, daß er nicht so rasch am Himmel aufsteigt wie die übrigen Ge¬
stirne; denn der größte Theil der scheinbaren Bewegung des Himmels, welche
für den Marsbewohner durch die Achsendrehung des Mars entsteht, wird durch
die Bewegung des Mondes wieder aufgehoben. Während alle Gestirne -- vom
Marsäquator aus gesehen -- in 12 Stunden ihren Lauf am Himmel voll¬
enden, wandert dieser Mond so träge am Himmel hinauf und hinab, daß er
2>/-z Tage zu seiner Wanderung nöthig hat. Und ebenso lange Zeit bleibt er
nach seinem Untergange weg. Dabei durchläuft er während dieser 2^ Tage
zweimal seine sämmtlichen Wechsel, glänzt als Vollmond und wird unsichtbar
als Neumond. Gleichzeitig tritt natürlich sein behender Genosse auf, und wenn


die Größe des unsrigen und stehen ihm bedeutend näher, als der irdische Mond der
Erde. Ihr Durchmesser kann keine zehn Meilen betragen; der äußere ist im
Mittel etwa 2500 Meilen, der innere nur etwa 700 Meilen von der Ober¬
fläche des Mars entfernt. Diese Nähe bewirkt, daß die Monde, obgleich sie
von geringer Größe sind, dem Marsbewohner doch beträchtlich groß erscheinen,
der erstere einhalbmal, der andere etwa anderthalbmal so breit, wie uns unser
Mond. Dies ist aber noch nicht das Merkwürdigste an ihnen. Der innere
Mond bewegt sich in 7'/s Stunden um den Mars herum, und da der
Mars sich in reichlich 24 Stunden um seiue Achse dreht, so eilt der Mond
der Achsendrehung von West nach Ost voraus, und der Marsbewohner hat das
interessante Schauspiel, daß der eine seiner Monde im Westen auf- und im
Osten untergeht, der scheinbaren täglichen Bewegung aller andern Gestirne ent¬
gegengesetzt. Uebrigens geht er aller 11 Stunden einmal durch den Meridian,
so daß er also an einem Tage zweimal aufgeht. Natürlich hat er auch Mond¬
wechsel: Vollmond, Neumond, erstes und letztes Viertel, und dieser Wechsel
könnte den Marsbewohnern ebenso zur Zeiteintheilung dienen, wie der
Wechsel des unsrigen den Erdbewohnern vor Zeiten auch dazu, gedient hat.
Geht auf dem Mars die Sonne im Frühling morgens 6 Uhr auf, so kommt
der Mond als Vollmond von Westen hergeeilt. Wenn die Sonne die Mittags¬
höhe noch nicht erreicht hat, schickt sich der Mond bereits zum Untergange an.
Aber es ist inzwischen letztes Viertel und Neumond, ja sogar schon erstes Viertel
geworden. Am Abend, wenn die Sonne sich dem Horizonte zuneigt, kommt
bereits der Mond als letztes Viertel wieder herauf und begegnet ihr als Neu¬
mond. An der Sonne vorbei, nimmt er schnell an Größe zu, um am Abend
in Südosten als Vollmond zu glänzen. Um 11 Uhr geht er unter und erscheint
am andern Morgen in aller Frühe im Westen als Vollmond wieder.

Während aber dieser erste Mond ein schneller Bote am Himmel ist,
verweilt der andere dafür desto längere Zeit. Er bewegt sich in etwa 30 Stunden
um den Mars, also etwas langsamer, als sich der Mars um seine Achse dreht.
Daraus folgt, daß er nicht so rasch am Himmel aufsteigt wie die übrigen Ge¬
stirne; denn der größte Theil der scheinbaren Bewegung des Himmels, welche
für den Marsbewohner durch die Achsendrehung des Mars entsteht, wird durch
die Bewegung des Mondes wieder aufgehoben. Während alle Gestirne — vom
Marsäquator aus gesehen — in 12 Stunden ihren Lauf am Himmel voll¬
enden, wandert dieser Mond so träge am Himmel hinauf und hinab, daß er
2>/-z Tage zu seiner Wanderung nöthig hat. Und ebenso lange Zeit bleibt er
nach seinem Untergange weg. Dabei durchläuft er während dieser 2^ Tage
zweimal seine sämmtlichen Wechsel, glänzt als Vollmond und wird unsichtbar
als Neumond. Gleichzeitig tritt natürlich sein behender Genosse auf, und wenn


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[0239] die Größe des unsrigen und stehen ihm bedeutend näher, als der irdische Mond der Erde. Ihr Durchmesser kann keine zehn Meilen betragen; der äußere ist im Mittel etwa 2500 Meilen, der innere nur etwa 700 Meilen von der Ober¬ fläche des Mars entfernt. Diese Nähe bewirkt, daß die Monde, obgleich sie von geringer Größe sind, dem Marsbewohner doch beträchtlich groß erscheinen, der erstere einhalbmal, der andere etwa anderthalbmal so breit, wie uns unser Mond. Dies ist aber noch nicht das Merkwürdigste an ihnen. Der innere Mond bewegt sich in 7'/s Stunden um den Mars herum, und da der Mars sich in reichlich 24 Stunden um seiue Achse dreht, so eilt der Mond der Achsendrehung von West nach Ost voraus, und der Marsbewohner hat das interessante Schauspiel, daß der eine seiner Monde im Westen auf- und im Osten untergeht, der scheinbaren täglichen Bewegung aller andern Gestirne ent¬ gegengesetzt. Uebrigens geht er aller 11 Stunden einmal durch den Meridian, so daß er also an einem Tage zweimal aufgeht. Natürlich hat er auch Mond¬ wechsel: Vollmond, Neumond, erstes und letztes Viertel, und dieser Wechsel könnte den Marsbewohnern ebenso zur Zeiteintheilung dienen, wie der Wechsel des unsrigen den Erdbewohnern vor Zeiten auch dazu, gedient hat. Geht auf dem Mars die Sonne im Frühling morgens 6 Uhr auf, so kommt der Mond als Vollmond von Westen hergeeilt. Wenn die Sonne die Mittags¬ höhe noch nicht erreicht hat, schickt sich der Mond bereits zum Untergange an. Aber es ist inzwischen letztes Viertel und Neumond, ja sogar schon erstes Viertel geworden. Am Abend, wenn die Sonne sich dem Horizonte zuneigt, kommt bereits der Mond als letztes Viertel wieder herauf und begegnet ihr als Neu¬ mond. An der Sonne vorbei, nimmt er schnell an Größe zu, um am Abend in Südosten als Vollmond zu glänzen. Um 11 Uhr geht er unter und erscheint am andern Morgen in aller Frühe im Westen als Vollmond wieder. Während aber dieser erste Mond ein schneller Bote am Himmel ist, verweilt der andere dafür desto längere Zeit. Er bewegt sich in etwa 30 Stunden um den Mars, also etwas langsamer, als sich der Mars um seine Achse dreht. Daraus folgt, daß er nicht so rasch am Himmel aufsteigt wie die übrigen Ge¬ stirne; denn der größte Theil der scheinbaren Bewegung des Himmels, welche für den Marsbewohner durch die Achsendrehung des Mars entsteht, wird durch die Bewegung des Mondes wieder aufgehoben. Während alle Gestirne — vom Marsäquator aus gesehen — in 12 Stunden ihren Lauf am Himmel voll¬ enden, wandert dieser Mond so träge am Himmel hinauf und hinab, daß er 2>/-z Tage zu seiner Wanderung nöthig hat. Und ebenso lange Zeit bleibt er nach seinem Untergange weg. Dabei durchläuft er während dieser 2^ Tage zweimal seine sämmtlichen Wechsel, glänzt als Vollmond und wird unsichtbar als Neumond. Gleichzeitig tritt natürlich sein behender Genosse auf, und wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/239>, abgerufen am 23.07.2024.