Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

zu ihren Füßen. Alle Süulen und Pfeiler aber -- mit Ausnahme der beiden
Frontsäulen, welche von einanderanblickenden Löwen bekrönt sind -- setzen sich
im Thorbogen gleichsam archivoltenartig fort. Die Säulenarchivolten zeigen,
wenn auch in etwas derberen und plumperen Formen, stets dieselbe Dekoration
wie die Süulen selbst; die Pfeilerarchivolten dagegen sind wiederum jede in
eine Anzahl über einander stehender Nischen zerlegt, welche mit Statuen aus¬
gefüllt sind. Ein reich profilirter und verzierter Sims stellt die Verbindung
zwischen den Wandungen und den Thorbogen her; derselbe trägt, da wo die
Säulenarchivolten aufsitzen, wiederum jedesmal eine phantastische Gestalt. Die
Thüröffnung ist mit einem geraden Sturz abgeschlossen, über diesem befindet
sich das halbkreisförmige, ebenfalls statuengeschmückte Bogenfeld (Tympanon).*)

Was nun die Bedeutung dieses reichen figürlichen Schmuckes der Pforte
betrifft, so ist man über einen Theil desselben wohl niemals im Unklaren ge¬
wesen. In der Mitte des Tympanon sitzt die Madonna auf dem Throne, das
Christkind auf dem Schooße. Links knieen, Geschenke darbringend, die heiligen
drei Könige, rechts steht ein Engel als Himmelsbote mit dem Szepter, hinter
ihm sitzt Joseph. Rechts und links vom Kopfe der Maria wird die Fläche
des Bogenfeldes durch zwei schwebende Engel ausgefüllt. Ueber den Gegen¬
stand der Darstellung kann kein Zweifel sein: es ist die Anbetung der Maria
und des Christkindes durch die heiligen drei Könige.

Zweifel steigen schon auf über die Bedeutung der Figuren an den vier
Bogenlaibnngen. Der innerste Bogen zeigt in der Mitte das Brustbild eines
Mannes, der mit der Rechten jemandem eine Krone aufsetzt, mit der Linken
einem Engel ein Buch hinreicht. Der übrige Raum des Bogens ist durch
vier Engelsgestalten ausgefüllt. Lübke erkennt in dieser Darstellung "Christus
vou Engeln umgeben, den Auserwählten die Krone des Lebens reichend";
Heuchler deutet die Mittelfigur auf Gottvater und sieht in der ganzen Szene
eine Krönung Mariae. Im zweiten Bogen befindet sich genau über dem männ¬
lichen Kopfe des ersten Bogens der Kopf eines Kindes, welches von einem
Engel einem sitzenden Manne entgegengebracht wird, an dessen Schooß sich



*) Abbildungen der "Goldner Pforte" finden sich an folgenden Stellen: 1.) L, Puttrich,
Die Goldne Pforte der Domkirche zu Freiberg, 1836 (Totalansicht und Details, in unge¬
nügenden Lithographieen), 2.) E, Förster, Denkmale, Bd. I. 136S (Tympanon und die
acht Hauptfiguren, in Stahlstich), 3,) E. Heuchler, Der Dom zu Freiberg, 1362 (Totalansicht,
in Photographie). 4,) W> Lübke, Geschichte der Plastik (rechte Portalwand, in Holzschnitt,
nach Puttrich). 6.) W. Lübke, Geschichte der Architektur (linke Portalwand, Holzschnitt,
wiederholt in Seemanns Kunsthistorischen Bilderbogen.) 6,) Monumente des Mittelalters
und der Renaissance aus dem sächsischen Erzgebirge, 187S. Tf. 2--4 (Totalansicht und
Portalwände, in Lichtdruck). -- Neuerdings sind durch die Verwaltung des K. Gypsmuseums
in Dresden vorzügliche Abgüsse von sämmtlichen Skulpturen der Pforte hergestellt worden.

zu ihren Füßen. Alle Süulen und Pfeiler aber — mit Ausnahme der beiden
Frontsäulen, welche von einanderanblickenden Löwen bekrönt sind — setzen sich
im Thorbogen gleichsam archivoltenartig fort. Die Säulenarchivolten zeigen,
wenn auch in etwas derberen und plumperen Formen, stets dieselbe Dekoration
wie die Süulen selbst; die Pfeilerarchivolten dagegen sind wiederum jede in
eine Anzahl über einander stehender Nischen zerlegt, welche mit Statuen aus¬
gefüllt sind. Ein reich profilirter und verzierter Sims stellt die Verbindung
zwischen den Wandungen und den Thorbogen her; derselbe trägt, da wo die
Säulenarchivolten aufsitzen, wiederum jedesmal eine phantastische Gestalt. Die
Thüröffnung ist mit einem geraden Sturz abgeschlossen, über diesem befindet
sich das halbkreisförmige, ebenfalls statuengeschmückte Bogenfeld (Tympanon).*)

Was nun die Bedeutung dieses reichen figürlichen Schmuckes der Pforte
betrifft, so ist man über einen Theil desselben wohl niemals im Unklaren ge¬
wesen. In der Mitte des Tympanon sitzt die Madonna auf dem Throne, das
Christkind auf dem Schooße. Links knieen, Geschenke darbringend, die heiligen
drei Könige, rechts steht ein Engel als Himmelsbote mit dem Szepter, hinter
ihm sitzt Joseph. Rechts und links vom Kopfe der Maria wird die Fläche
des Bogenfeldes durch zwei schwebende Engel ausgefüllt. Ueber den Gegen¬
stand der Darstellung kann kein Zweifel sein: es ist die Anbetung der Maria
und des Christkindes durch die heiligen drei Könige.

Zweifel steigen schon auf über die Bedeutung der Figuren an den vier
Bogenlaibnngen. Der innerste Bogen zeigt in der Mitte das Brustbild eines
Mannes, der mit der Rechten jemandem eine Krone aufsetzt, mit der Linken
einem Engel ein Buch hinreicht. Der übrige Raum des Bogens ist durch
vier Engelsgestalten ausgefüllt. Lübke erkennt in dieser Darstellung „Christus
vou Engeln umgeben, den Auserwählten die Krone des Lebens reichend";
Heuchler deutet die Mittelfigur auf Gottvater und sieht in der ganzen Szene
eine Krönung Mariae. Im zweiten Bogen befindet sich genau über dem männ¬
lichen Kopfe des ersten Bogens der Kopf eines Kindes, welches von einem
Engel einem sitzenden Manne entgegengebracht wird, an dessen Schooß sich



*) Abbildungen der „Goldner Pforte" finden sich an folgenden Stellen: 1.) L, Puttrich,
Die Goldne Pforte der Domkirche zu Freiberg, 1836 (Totalansicht und Details, in unge¬
nügenden Lithographieen), 2.) E, Förster, Denkmale, Bd. I. 136S (Tympanon und die
acht Hauptfiguren, in Stahlstich), 3,) E. Heuchler, Der Dom zu Freiberg, 1362 (Totalansicht,
in Photographie). 4,) W> Lübke, Geschichte der Plastik (rechte Portalwand, in Holzschnitt,
nach Puttrich). 6.) W. Lübke, Geschichte der Architektur (linke Portalwand, Holzschnitt,
wiederholt in Seemanns Kunsthistorischen Bilderbogen.) 6,) Monumente des Mittelalters
und der Renaissance aus dem sächsischen Erzgebirge, 187S. Tf. 2—4 (Totalansicht und
Portalwände, in Lichtdruck). — Neuerdings sind durch die Verwaltung des K. Gypsmuseums
in Dresden vorzügliche Abgüsse von sämmtlichen Skulpturen der Pforte hergestellt worden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143286"/>
          <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678"> zu ihren Füßen. Alle Süulen und Pfeiler aber &#x2014; mit Ausnahme der beiden<lb/>
Frontsäulen, welche von einanderanblickenden Löwen bekrönt sind &#x2014; setzen sich<lb/>
im Thorbogen gleichsam archivoltenartig fort. Die Säulenarchivolten zeigen,<lb/>
wenn auch in etwas derberen und plumperen Formen, stets dieselbe Dekoration<lb/>
wie die Süulen selbst; die Pfeilerarchivolten dagegen sind wiederum jede in<lb/>
eine Anzahl über einander stehender Nischen zerlegt, welche mit Statuen aus¬<lb/>
gefüllt sind. Ein reich profilirter und verzierter Sims stellt die Verbindung<lb/>
zwischen den Wandungen und den Thorbogen her; derselbe trägt, da wo die<lb/>
Säulenarchivolten aufsitzen, wiederum jedesmal eine phantastische Gestalt. Die<lb/>
Thüröffnung ist mit einem geraden Sturz abgeschlossen, über diesem befindet<lb/>
sich das halbkreisförmige, ebenfalls statuengeschmückte Bogenfeld (Tympanon).*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_680"> Was nun die Bedeutung dieses reichen figürlichen Schmuckes der Pforte<lb/>
betrifft, so ist man über einen Theil desselben wohl niemals im Unklaren ge¬<lb/>
wesen. In der Mitte des Tympanon sitzt die Madonna auf dem Throne, das<lb/>
Christkind auf dem Schooße. Links knieen, Geschenke darbringend, die heiligen<lb/>
drei Könige, rechts steht ein Engel als Himmelsbote mit dem Szepter, hinter<lb/>
ihm sitzt Joseph. Rechts und links vom Kopfe der Maria wird die Fläche<lb/>
des Bogenfeldes durch zwei schwebende Engel ausgefüllt. Ueber den Gegen¬<lb/>
stand der Darstellung kann kein Zweifel sein: es ist die Anbetung der Maria<lb/>
und des Christkindes durch die heiligen drei Könige.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_681" next="#ID_682"> Zweifel steigen schon auf über die Bedeutung der Figuren an den vier<lb/>
Bogenlaibnngen. Der innerste Bogen zeigt in der Mitte das Brustbild eines<lb/>
Mannes, der mit der Rechten jemandem eine Krone aufsetzt, mit der Linken<lb/>
einem Engel ein Buch hinreicht. Der übrige Raum des Bogens ist durch<lb/>
vier Engelsgestalten ausgefüllt. Lübke erkennt in dieser Darstellung &#x201E;Christus<lb/>
vou Engeln umgeben, den Auserwählten die Krone des Lebens reichend";<lb/>
Heuchler deutet die Mittelfigur auf Gottvater und sieht in der ganzen Szene<lb/>
eine Krönung Mariae. Im zweiten Bogen befindet sich genau über dem männ¬<lb/>
lichen Kopfe des ersten Bogens der Kopf eines Kindes, welches von einem<lb/>
Engel einem sitzenden Manne entgegengebracht wird, an dessen Schooß sich</p><lb/>
          <note xml:id="FID_40" place="foot"> *) Abbildungen der &#x201E;Goldner Pforte" finden sich an folgenden Stellen: 1.) L, Puttrich,<lb/>
Die Goldne Pforte der Domkirche zu Freiberg, 1836 (Totalansicht und Details, in unge¬<lb/>
nügenden Lithographieen), 2.) E, Förster, Denkmale, Bd. I. 136S (Tympanon und die<lb/>
acht Hauptfiguren, in Stahlstich), 3,) E. Heuchler, Der Dom zu Freiberg, 1362 (Totalansicht,<lb/>
in Photographie). 4,) W&gt; Lübke, Geschichte der Plastik (rechte Portalwand, in Holzschnitt,<lb/>
nach Puttrich). 6.) W. Lübke, Geschichte der Architektur (linke Portalwand, Holzschnitt,<lb/>
wiederholt in Seemanns Kunsthistorischen Bilderbogen.) 6,) Monumente des Mittelalters<lb/>
und der Renaissance aus dem sächsischen Erzgebirge, 187S. Tf. 2&#x2014;4 (Totalansicht und<lb/>
Portalwände, in Lichtdruck). &#x2014; Neuerdings sind durch die Verwaltung des K. Gypsmuseums<lb/>
in Dresden vorzügliche Abgüsse von sämmtlichen Skulpturen der Pforte hergestellt worden.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0231] zu ihren Füßen. Alle Süulen und Pfeiler aber — mit Ausnahme der beiden Frontsäulen, welche von einanderanblickenden Löwen bekrönt sind — setzen sich im Thorbogen gleichsam archivoltenartig fort. Die Säulenarchivolten zeigen, wenn auch in etwas derberen und plumperen Formen, stets dieselbe Dekoration wie die Süulen selbst; die Pfeilerarchivolten dagegen sind wiederum jede in eine Anzahl über einander stehender Nischen zerlegt, welche mit Statuen aus¬ gefüllt sind. Ein reich profilirter und verzierter Sims stellt die Verbindung zwischen den Wandungen und den Thorbogen her; derselbe trägt, da wo die Säulenarchivolten aufsitzen, wiederum jedesmal eine phantastische Gestalt. Die Thüröffnung ist mit einem geraden Sturz abgeschlossen, über diesem befindet sich das halbkreisförmige, ebenfalls statuengeschmückte Bogenfeld (Tympanon).*) Was nun die Bedeutung dieses reichen figürlichen Schmuckes der Pforte betrifft, so ist man über einen Theil desselben wohl niemals im Unklaren ge¬ wesen. In der Mitte des Tympanon sitzt die Madonna auf dem Throne, das Christkind auf dem Schooße. Links knieen, Geschenke darbringend, die heiligen drei Könige, rechts steht ein Engel als Himmelsbote mit dem Szepter, hinter ihm sitzt Joseph. Rechts und links vom Kopfe der Maria wird die Fläche des Bogenfeldes durch zwei schwebende Engel ausgefüllt. Ueber den Gegen¬ stand der Darstellung kann kein Zweifel sein: es ist die Anbetung der Maria und des Christkindes durch die heiligen drei Könige. Zweifel steigen schon auf über die Bedeutung der Figuren an den vier Bogenlaibnngen. Der innerste Bogen zeigt in der Mitte das Brustbild eines Mannes, der mit der Rechten jemandem eine Krone aufsetzt, mit der Linken einem Engel ein Buch hinreicht. Der übrige Raum des Bogens ist durch vier Engelsgestalten ausgefüllt. Lübke erkennt in dieser Darstellung „Christus vou Engeln umgeben, den Auserwählten die Krone des Lebens reichend"; Heuchler deutet die Mittelfigur auf Gottvater und sieht in der ganzen Szene eine Krönung Mariae. Im zweiten Bogen befindet sich genau über dem männ¬ lichen Kopfe des ersten Bogens der Kopf eines Kindes, welches von einem Engel einem sitzenden Manne entgegengebracht wird, an dessen Schooß sich *) Abbildungen der „Goldner Pforte" finden sich an folgenden Stellen: 1.) L, Puttrich, Die Goldne Pforte der Domkirche zu Freiberg, 1836 (Totalansicht und Details, in unge¬ nügenden Lithographieen), 2.) E, Förster, Denkmale, Bd. I. 136S (Tympanon und die acht Hauptfiguren, in Stahlstich), 3,) E. Heuchler, Der Dom zu Freiberg, 1362 (Totalansicht, in Photographie). 4,) W> Lübke, Geschichte der Plastik (rechte Portalwand, in Holzschnitt, nach Puttrich). 6.) W. Lübke, Geschichte der Architektur (linke Portalwand, Holzschnitt, wiederholt in Seemanns Kunsthistorischen Bilderbogen.) 6,) Monumente des Mittelalters und der Renaissance aus dem sächsischen Erzgebirge, 187S. Tf. 2—4 (Totalansicht und Portalwände, in Lichtdruck). — Neuerdings sind durch die Verwaltung des K. Gypsmuseums in Dresden vorzügliche Abgüsse von sämmtlichen Skulpturen der Pforte hergestellt worden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/231
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/231>, abgerufen am 23.07.2024.