Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Er besaß in Folge dessen das Vertrauen des Reichskanzlers wie "venige, und
seine Arbeitskraft wird im Auswärtigen Amte sehr schwer zu ersetzen sein.

Bernhard Ernst v. Bülow gehörte dem mecklenburgischen Zweige des
weitverbreiteten Adelsgeschlechts an, dessen Namen er trug. Am 2. August 1815
geboren, also bei seinem Ableben einige Monate jünger als Fürst Bismarck,
widmete er sich in Berlin, Göttingen und Kiel dem Studium der Rechte und
trat dann, vierundzwanzig Jahre alt, in den dünischen Staatsdienst, wo er eine
Zeit lang als Legationsrath thätig war. In dieser Stellung entwarf er 1846
den bekannten "Öffnen ^Lrief" des Königs Christian VIII., der als Haupt¬
ursache der Schleswig-holsteinischen Erhebung anzusehen ist. Als in Folge der
letzteren der Krieg zwischen Deutschland und Dänemark ausbrach, nahm er in
Kopenhagen zwar seinen Abschied, aber der Versuch Fritz Reventlows, ihn für
den Dienst unter der provisorischen Regierung in Kiel zu gewinnen, schlug
fehl, und schon 1849 wirkte Bülow als diplomatischer Unterhändler wieder
für Dänemark, wo er der Partei der Gesammtstaatsmänner angehörte. 1852
wurde er zum Bundestagsgesandter für Holstein und Lauenburg ernannt. In
dieser Eigenschaft wurde er mit Bismarck bekannt, der schon damals seine
Fähigkeit und seinen Charakter hochachten lernte. 1862 verließ Bülow Frank-
furt und den dänischen Staatsdienst und kehrte nach Mecklenburg zurück, um
als Staatsminister Chef der Regierung in Strelitz zu werden. 1866 wurde
er mecklenburgischer Gesandter in Berlin und Mitglied des Bundesrathes, in
welcher Stellung er dem Kanzler wieder näher trat, der ihn von neuem schätzen
lernte und ihn, nachdem durch den Rücktritt des Staatssekretärs v. Thile der
wichtige und vielbegehrte Posten eines Adlatus in auswärtigen Angelegenheiten
erledigt worden und wegen Mangels an geeignetem Ersatz circa anderthalb
Jahre nur provisorisch besetzt gewesen war, für den Reichsdienst gewann. 1874
zum Staatssekretär ernannt, erhielt er im Juni 1876 den Rang eines preußi¬
schen Staatsministers. 1875 begleitete er den Kaiser auf dessen Reise nach
Italien, und 1878 war er als zweiter Bevollmächtigter des Deutschen Reiches
Mitglied des Berliner Kongresses, der nach dem russisch-türkischen Kriege für
Europa den Frieden vermittelte.

Der Hingeschiedene Staatssekretär wird, ich wiederhole es aus voller Ueber-
Zeugung, sehr schwer zu ersetzen sein. Damit aber kein Mißverständniß ent¬
stehe, bemerke ich, daß ich mich rückhaltlos den Ausführungen gewisser Blätter,
namentlich der "Weser-Zeitung", anschließe, die vor Ueberschätzung oder sonst
unrichtiger Würdigung des Verlustes warnen, welchen das Auswärtige Amt
durch den Tod Bülows erlitten hat. Dasselbe ist stramm organisirt und hat
nur auszuführen, was ihm vom Chef an- und aufgegeben wird, mag es dabei
im Innern des Einzelnen aussehen, wie es will. Die Räthe haben nicht zu


Er besaß in Folge dessen das Vertrauen des Reichskanzlers wie »venige, und
seine Arbeitskraft wird im Auswärtigen Amte sehr schwer zu ersetzen sein.

Bernhard Ernst v. Bülow gehörte dem mecklenburgischen Zweige des
weitverbreiteten Adelsgeschlechts an, dessen Namen er trug. Am 2. August 1815
geboren, also bei seinem Ableben einige Monate jünger als Fürst Bismarck,
widmete er sich in Berlin, Göttingen und Kiel dem Studium der Rechte und
trat dann, vierundzwanzig Jahre alt, in den dünischen Staatsdienst, wo er eine
Zeit lang als Legationsrath thätig war. In dieser Stellung entwarf er 1846
den bekannten „Öffnen ^Lrief" des Königs Christian VIII., der als Haupt¬
ursache der Schleswig-holsteinischen Erhebung anzusehen ist. Als in Folge der
letzteren der Krieg zwischen Deutschland und Dänemark ausbrach, nahm er in
Kopenhagen zwar seinen Abschied, aber der Versuch Fritz Reventlows, ihn für
den Dienst unter der provisorischen Regierung in Kiel zu gewinnen, schlug
fehl, und schon 1849 wirkte Bülow als diplomatischer Unterhändler wieder
für Dänemark, wo er der Partei der Gesammtstaatsmänner angehörte. 1852
wurde er zum Bundestagsgesandter für Holstein und Lauenburg ernannt. In
dieser Eigenschaft wurde er mit Bismarck bekannt, der schon damals seine
Fähigkeit und seinen Charakter hochachten lernte. 1862 verließ Bülow Frank-
furt und den dänischen Staatsdienst und kehrte nach Mecklenburg zurück, um
als Staatsminister Chef der Regierung in Strelitz zu werden. 1866 wurde
er mecklenburgischer Gesandter in Berlin und Mitglied des Bundesrathes, in
welcher Stellung er dem Kanzler wieder näher trat, der ihn von neuem schätzen
lernte und ihn, nachdem durch den Rücktritt des Staatssekretärs v. Thile der
wichtige und vielbegehrte Posten eines Adlatus in auswärtigen Angelegenheiten
erledigt worden und wegen Mangels an geeignetem Ersatz circa anderthalb
Jahre nur provisorisch besetzt gewesen war, für den Reichsdienst gewann. 1874
zum Staatssekretär ernannt, erhielt er im Juni 1876 den Rang eines preußi¬
schen Staatsministers. 1875 begleitete er den Kaiser auf dessen Reise nach
Italien, und 1878 war er als zweiter Bevollmächtigter des Deutschen Reiches
Mitglied des Berliner Kongresses, der nach dem russisch-türkischen Kriege für
Europa den Frieden vermittelte.

Der Hingeschiedene Staatssekretär wird, ich wiederhole es aus voller Ueber-
Zeugung, sehr schwer zu ersetzen sein. Damit aber kein Mißverständniß ent¬
stehe, bemerke ich, daß ich mich rückhaltlos den Ausführungen gewisser Blätter,
namentlich der „Weser-Zeitung", anschließe, die vor Ueberschätzung oder sonst
unrichtiger Würdigung des Verlustes warnen, welchen das Auswärtige Amt
durch den Tod Bülows erlitten hat. Dasselbe ist stramm organisirt und hat
nur auszuführen, was ihm vom Chef an- und aufgegeben wird, mag es dabei
im Innern des Einzelnen aussehen, wie es will. Die Räthe haben nicht zu


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143268"/>
          <p xml:id="ID_632" prev="#ID_631"> Er besaß in Folge dessen das Vertrauen des Reichskanzlers wie »venige, und<lb/>
seine Arbeitskraft wird im Auswärtigen Amte sehr schwer zu ersetzen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_633"> Bernhard Ernst v. Bülow gehörte dem mecklenburgischen Zweige des<lb/>
weitverbreiteten Adelsgeschlechts an, dessen Namen er trug. Am 2. August 1815<lb/>
geboren, also bei seinem Ableben einige Monate jünger als Fürst Bismarck,<lb/>
widmete er sich in Berlin, Göttingen und Kiel dem Studium der Rechte und<lb/>
trat dann, vierundzwanzig Jahre alt, in den dünischen Staatsdienst, wo er eine<lb/>
Zeit lang als Legationsrath thätig war. In dieser Stellung entwarf er 1846<lb/>
den bekannten &#x201E;Öffnen ^Lrief" des Königs Christian VIII., der als Haupt¬<lb/>
ursache der Schleswig-holsteinischen Erhebung anzusehen ist. Als in Folge der<lb/>
letzteren der Krieg zwischen Deutschland und Dänemark ausbrach, nahm er in<lb/>
Kopenhagen zwar seinen Abschied, aber der Versuch Fritz Reventlows, ihn für<lb/>
den Dienst unter der provisorischen Regierung in Kiel zu gewinnen, schlug<lb/>
fehl, und schon 1849 wirkte Bülow als diplomatischer Unterhändler wieder<lb/>
für Dänemark, wo er der Partei der Gesammtstaatsmänner angehörte. 1852<lb/>
wurde er zum Bundestagsgesandter für Holstein und Lauenburg ernannt. In<lb/>
dieser Eigenschaft wurde er mit Bismarck bekannt, der schon damals seine<lb/>
Fähigkeit und seinen Charakter hochachten lernte. 1862 verließ Bülow Frank-<lb/>
furt und den dänischen Staatsdienst und kehrte nach Mecklenburg zurück, um<lb/>
als Staatsminister Chef der Regierung in Strelitz zu werden. 1866 wurde<lb/>
er mecklenburgischer Gesandter in Berlin und Mitglied des Bundesrathes, in<lb/>
welcher Stellung er dem Kanzler wieder näher trat, der ihn von neuem schätzen<lb/>
lernte und ihn, nachdem durch den Rücktritt des Staatssekretärs v. Thile der<lb/>
wichtige und vielbegehrte Posten eines Adlatus in auswärtigen Angelegenheiten<lb/>
erledigt worden und wegen Mangels an geeignetem Ersatz circa anderthalb<lb/>
Jahre nur provisorisch besetzt gewesen war, für den Reichsdienst gewann. 1874<lb/>
zum Staatssekretär ernannt, erhielt er im Juni 1876 den Rang eines preußi¬<lb/>
schen Staatsministers. 1875 begleitete er den Kaiser auf dessen Reise nach<lb/>
Italien, und 1878 war er als zweiter Bevollmächtigter des Deutschen Reiches<lb/>
Mitglied des Berliner Kongresses, der nach dem russisch-türkischen Kriege für<lb/>
Europa den Frieden vermittelte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_634" next="#ID_635"> Der Hingeschiedene Staatssekretär wird, ich wiederhole es aus voller Ueber-<lb/>
Zeugung, sehr schwer zu ersetzen sein. Damit aber kein Mißverständniß ent¬<lb/>
stehe, bemerke ich, daß ich mich rückhaltlos den Ausführungen gewisser Blätter,<lb/>
namentlich der &#x201E;Weser-Zeitung", anschließe, die vor Ueberschätzung oder sonst<lb/>
unrichtiger Würdigung des Verlustes warnen, welchen das Auswärtige Amt<lb/>
durch den Tod Bülows erlitten hat. Dasselbe ist stramm organisirt und hat<lb/>
nur auszuführen, was ihm vom Chef an- und aufgegeben wird, mag es dabei<lb/>
im Innern des Einzelnen aussehen, wie es will. Die Räthe haben nicht zu</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] Er besaß in Folge dessen das Vertrauen des Reichskanzlers wie »venige, und seine Arbeitskraft wird im Auswärtigen Amte sehr schwer zu ersetzen sein. Bernhard Ernst v. Bülow gehörte dem mecklenburgischen Zweige des weitverbreiteten Adelsgeschlechts an, dessen Namen er trug. Am 2. August 1815 geboren, also bei seinem Ableben einige Monate jünger als Fürst Bismarck, widmete er sich in Berlin, Göttingen und Kiel dem Studium der Rechte und trat dann, vierundzwanzig Jahre alt, in den dünischen Staatsdienst, wo er eine Zeit lang als Legationsrath thätig war. In dieser Stellung entwarf er 1846 den bekannten „Öffnen ^Lrief" des Königs Christian VIII., der als Haupt¬ ursache der Schleswig-holsteinischen Erhebung anzusehen ist. Als in Folge der letzteren der Krieg zwischen Deutschland und Dänemark ausbrach, nahm er in Kopenhagen zwar seinen Abschied, aber der Versuch Fritz Reventlows, ihn für den Dienst unter der provisorischen Regierung in Kiel zu gewinnen, schlug fehl, und schon 1849 wirkte Bülow als diplomatischer Unterhändler wieder für Dänemark, wo er der Partei der Gesammtstaatsmänner angehörte. 1852 wurde er zum Bundestagsgesandter für Holstein und Lauenburg ernannt. In dieser Eigenschaft wurde er mit Bismarck bekannt, der schon damals seine Fähigkeit und seinen Charakter hochachten lernte. 1862 verließ Bülow Frank- furt und den dänischen Staatsdienst und kehrte nach Mecklenburg zurück, um als Staatsminister Chef der Regierung in Strelitz zu werden. 1866 wurde er mecklenburgischer Gesandter in Berlin und Mitglied des Bundesrathes, in welcher Stellung er dem Kanzler wieder näher trat, der ihn von neuem schätzen lernte und ihn, nachdem durch den Rücktritt des Staatssekretärs v. Thile der wichtige und vielbegehrte Posten eines Adlatus in auswärtigen Angelegenheiten erledigt worden und wegen Mangels an geeignetem Ersatz circa anderthalb Jahre nur provisorisch besetzt gewesen war, für den Reichsdienst gewann. 1874 zum Staatssekretär ernannt, erhielt er im Juni 1876 den Rang eines preußi¬ schen Staatsministers. 1875 begleitete er den Kaiser auf dessen Reise nach Italien, und 1878 war er als zweiter Bevollmächtigter des Deutschen Reiches Mitglied des Berliner Kongresses, der nach dem russisch-türkischen Kriege für Europa den Frieden vermittelte. Der Hingeschiedene Staatssekretär wird, ich wiederhole es aus voller Ueber- Zeugung, sehr schwer zu ersetzen sein. Damit aber kein Mißverständniß ent¬ stehe, bemerke ich, daß ich mich rückhaltlos den Ausführungen gewisser Blätter, namentlich der „Weser-Zeitung", anschließe, die vor Ueberschätzung oder sonst unrichtiger Würdigung des Verlustes warnen, welchen das Auswärtige Amt durch den Tod Bülows erlitten hat. Dasselbe ist stramm organisirt und hat nur auszuführen, was ihm vom Chef an- und aufgegeben wird, mag es dabei im Innern des Einzelnen aussehen, wie es will. Die Räthe haben nicht zu

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/213>, abgerufen am 23.07.2024.