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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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so prägt sich südlich von dem ebengenannten Gebirge dieser Charakter nur noch
in der Ms-bona-Ebene aus. Südlich von dieser nehmen selbst die kiesigen
Ebenen, welche die Niederungen, in denen sich Brunnen finden, von einander
trennen, allmählich einen anderen Charakter an, werden gewellt, sind mit nicht
ganz unfruchtbaren, sandigen oder thonigen Ablagerungen durchsetzt und zeigen
in den letzteren eine, wenn auch spärliche, so doch allmählich reicher werdende
Vegetation. Der Gesteinscharakter dagegen bleibt derselbe wie in den nörd¬
lichen Theilen der Wüste: tafelförmige Erhebungen mit pyramidal abfallenden
Seitenwandungen besetzen in der geringen Höhe von 50 bis 100 Mir. hie und da
die Ebene; flache, kaum flußbettähnliche Thäler senken sich von ihnen nach
Osten und Südosten und bringen dieselben Gräser und Kräuter hervor, die
sich auch in Fezzän finden.

Der Oasenkomplex Kawar, ein von Nord nach Süd gewundenes Thal
von 80 Ka. Länge und 8 bis 10 Ka. Breite, zeigte sich in seinem nördlichsten
Theile am 26. Mai den erfreuten Blicken der Reisenden. Bü Alschci legte in
Erwartung eines besonders festlichen Empfangs eine überaus glänzende Uniform
an. Auf einen solchen durfte er deshalb rechnen, weil er es gewesen war,
der die Bewohner der Oase von den räuberischen Einfällen und Plünderungs¬
zügen der Araberstämme aus der Umgebung der großen Syrte befreit hatte.
Und in der That, die dem Tubustamme angehörigen Bewohner ermangelten
nicht, ihre Dankbarkeit in ihrer Weise zu zeigen. Hier war es zum ersten Male
auf der ganzen Reise, wo die Frauen das Wohlgefallen des Deutschen erregten,
denn sie erinnerten nicht, wie es sonst in der Wüste der Fall ist, durch allzu¬
bestimmte Gesichtszüge und den Mangel jeglicher Formenfülle allzusehr an den
männlichen Typus, sondern die Mischung von Tubu- und Negerblut hatte hier
zu der ursprünglichen sehnigten und Geschmeidigkeit eine gewisse Weichheit und
Anmuth hinzugefügt. Der Aufenthalt des ganzen Zuges in den elf einzelnen
Ortschaften Kawärs, deren südlichste, Bilma, am bekanntesten ist, dehnte sich
bis zum 9. Juni aus und bot unserm Landsmanne nicht blos Ruhe und Er¬
holung, sondern auch vielfache Gelegenheit zu Beobachtungen über Land und
Leute. Zunächst genoß er hier die zweifelhafte Frende, seinen kargen und hab¬
gierigen Gastfreund aus dem Tubulande, Arami, wiederzusehen, hatte aber auch
dafür die Genugthuung, im überlegenen Gefühle völliger Sicherheit die in
milderer Form auftretenden Versuche desselben, Geschenke zu erpressen, zurück¬
weisen und seiner deshalb ausgesprochenen Drohungen lachen zu können. Dank
seiner vornehmen Begleitung zeigten sich die Tububewohner KawZ,rs Nachtigal
gegenüber sehr gastfreundlich und brachten ihm wie seinen Leuten reichliche
Portionen von Weizenbrod, Reispudding mit Meluchiasauce und getrocknetem
Kameelfleisch; doch wurde ihm nicht der Durchgangszoll erspart, den der


so prägt sich südlich von dem ebengenannten Gebirge dieser Charakter nur noch
in der Ms-bona-Ebene aus. Südlich von dieser nehmen selbst die kiesigen
Ebenen, welche die Niederungen, in denen sich Brunnen finden, von einander
trennen, allmählich einen anderen Charakter an, werden gewellt, sind mit nicht
ganz unfruchtbaren, sandigen oder thonigen Ablagerungen durchsetzt und zeigen
in den letzteren eine, wenn auch spärliche, so doch allmählich reicher werdende
Vegetation. Der Gesteinscharakter dagegen bleibt derselbe wie in den nörd¬
lichen Theilen der Wüste: tafelförmige Erhebungen mit pyramidal abfallenden
Seitenwandungen besetzen in der geringen Höhe von 50 bis 100 Mir. hie und da
die Ebene; flache, kaum flußbettähnliche Thäler senken sich von ihnen nach
Osten und Südosten und bringen dieselben Gräser und Kräuter hervor, die
sich auch in Fezzän finden.

Der Oasenkomplex Kawar, ein von Nord nach Süd gewundenes Thal
von 80 Ka. Länge und 8 bis 10 Ka. Breite, zeigte sich in seinem nördlichsten
Theile am 26. Mai den erfreuten Blicken der Reisenden. Bü Alschci legte in
Erwartung eines besonders festlichen Empfangs eine überaus glänzende Uniform
an. Auf einen solchen durfte er deshalb rechnen, weil er es gewesen war,
der die Bewohner der Oase von den räuberischen Einfällen und Plünderungs¬
zügen der Araberstämme aus der Umgebung der großen Syrte befreit hatte.
Und in der That, die dem Tubustamme angehörigen Bewohner ermangelten
nicht, ihre Dankbarkeit in ihrer Weise zu zeigen. Hier war es zum ersten Male
auf der ganzen Reise, wo die Frauen das Wohlgefallen des Deutschen erregten,
denn sie erinnerten nicht, wie es sonst in der Wüste der Fall ist, durch allzu¬
bestimmte Gesichtszüge und den Mangel jeglicher Formenfülle allzusehr an den
männlichen Typus, sondern die Mischung von Tubu- und Negerblut hatte hier
zu der ursprünglichen sehnigten und Geschmeidigkeit eine gewisse Weichheit und
Anmuth hinzugefügt. Der Aufenthalt des ganzen Zuges in den elf einzelnen
Ortschaften Kawärs, deren südlichste, Bilma, am bekanntesten ist, dehnte sich
bis zum 9. Juni aus und bot unserm Landsmanne nicht blos Ruhe und Er¬
holung, sondern auch vielfache Gelegenheit zu Beobachtungen über Land und
Leute. Zunächst genoß er hier die zweifelhafte Frende, seinen kargen und hab¬
gierigen Gastfreund aus dem Tubulande, Arami, wiederzusehen, hatte aber auch
dafür die Genugthuung, im überlegenen Gefühle völliger Sicherheit die in
milderer Form auftretenden Versuche desselben, Geschenke zu erpressen, zurück¬
weisen und seiner deshalb ausgesprochenen Drohungen lachen zu können. Dank
seiner vornehmen Begleitung zeigten sich die Tububewohner KawZ,rs Nachtigal
gegenüber sehr gastfreundlich und brachten ihm wie seinen Leuten reichliche
Portionen von Weizenbrod, Reispudding mit Meluchiasauce und getrocknetem
Kameelfleisch; doch wurde ihm nicht der Durchgangszoll erspart, den der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/206>, abgerufen am 23.07.2024.