Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Ich Lorenz Dietze von Prettin bin vom
Ratt zu Prettin geschickt worden, das ich
zu Grimma in der Fürsten Schule an
der stelle, die ihrer Stadt linder daselbst
haben, studiren soll. Wenn ich nun
kann angenommen werden, will ich allen
picis ankeren, das ich mich fromm, ge-
horsam und gottesfürchtigk vnd im ter-
nen vleißigk erzeige.

[Spaltenumbruch]

D^o I^MrsMus vise^o s xrstinonsis
nüssus sum g, konsulo xrstinsQ-
sis Kos s^o in soolÄS g.Ä xriuoiizsw
ssrirnius vos Susa xusroruiri Qs.K<zue
Kio looo swälam. ^nao runo xos-
sura susoixi intörprstador stuäiuui
quoä sZc> ins Korns se xlot-is se w
äisoors oxsrÄ xrasdsrs.


[Ende Spaltensatz]

Mit Recht bemerkt Flathe hierzu: "Daß der Aspirant auf diese Leistung
zurückgewiesen wurde, wird uns weniger Wunder nehmen als daß auf Ver¬
ordnung der Behörde ihm die Stelle noch ein halbes Jahr offen gehalten
werden sollte."

Weit später erst als die Aufnahmeprüfungen wurden hinlängliche Garan¬
tien für die akademische Reife der Abgehenden gefordert. Von Anfang an
war nur bestimmt, daß der Schüler, welcher im Alter von 12 -- 15 Jahren
eintrat, in der Regel 6 Jahre auf der Schule zubringen sollte. Aber häufig
wird über eigenmächtige Verkürzung dieser Aufenthaltszeit geklagt, und es werden
wohl auch die Landesuniversitäten in Kenntniß davon gesetzt, damit sie dem Unbe¬
fugter Studenten die Inskription versagen. Später scheint diese Unsitte mehr
und mehr verschwunden zu sein, aber die unbedingte Forderung eines Abitu¬
rientenexamens wird erst seit 1829 geltend gemacht.

In Bezug auf das Maß des Lernstoffes spricht schon die Schulordnung
von 1580 die vernünftige Anschauung aus, daß die Jugend wie ein Krug mit
einem engen Mundloch sei, welches überlaufe, wenn zuviel aufgegossen werde,
und betreffs der Faßlichkeit des Unterrichts stellt bereits der alte Rektor
Fabricius (1546--71) den Kanon auf, daß der, welcher Knaben unterweisen
wolle, selbst gleichsam ein Knabe werden und zu dem kindlichen Standpunkte
herabsteigen müsse. Doch wurden in Wirklichkeit wenigstens die sprachlichen
Anforderungen ziemlich hoch geschraubt, so daß es der Rektor Martins 1726
in einem Gutachten dem Oberkonsistorium zur Erwägung anheimgibt, ob die
griechische Sprache wohl wirklich soweit "zu poussiren" sei, daß prosaische und
Poetische Arbeiten in derselben angefertigt und öffentlich vorgetragen würden,
oder ob man sich nicht vielleicht mit einem ordentlichen Verständniß der grie¬
chischen Klassiker begnügen könne. Die Leistungen mögen wohl auch hier den
Anforderungen durchaus nicht allgemein entsprochen haben, wie wir aus den
Klagen des Rektors Wille (1667) ersehen, welcher den Verfall der Schule
namentlich auch aus dem Zudrang so vieler unfähiger Köpfe erklärt. Sehr


[Beginn Spaltensatz]

Ich Lorenz Dietze von Prettin bin vom
Ratt zu Prettin geschickt worden, das ich
zu Grimma in der Fürsten Schule an
der stelle, die ihrer Stadt linder daselbst
haben, studiren soll. Wenn ich nun
kann angenommen werden, will ich allen
picis ankeren, das ich mich fromm, ge-
horsam und gottesfürchtigk vnd im ter-
nen vleißigk erzeige.

[Spaltenumbruch]

D^o I^MrsMus vise^o s xrstinonsis
nüssus sum g, konsulo xrstinsQ-
sis Kos s^o in soolÄS g.Ä xriuoiizsw
ssrirnius vos Susa xusroruiri Qs.K<zue
Kio looo swälam. ^nao runo xos-
sura susoixi intörprstador stuäiuui
quoä sZc> ins Korns se xlot-is se w
äisoors oxsrÄ xrasdsrs.


[Ende Spaltensatz]

Mit Recht bemerkt Flathe hierzu: „Daß der Aspirant auf diese Leistung
zurückgewiesen wurde, wird uns weniger Wunder nehmen als daß auf Ver¬
ordnung der Behörde ihm die Stelle noch ein halbes Jahr offen gehalten
werden sollte."

Weit später erst als die Aufnahmeprüfungen wurden hinlängliche Garan¬
tien für die akademische Reife der Abgehenden gefordert. Von Anfang an
war nur bestimmt, daß der Schüler, welcher im Alter von 12 — 15 Jahren
eintrat, in der Regel 6 Jahre auf der Schule zubringen sollte. Aber häufig
wird über eigenmächtige Verkürzung dieser Aufenthaltszeit geklagt, und es werden
wohl auch die Landesuniversitäten in Kenntniß davon gesetzt, damit sie dem Unbe¬
fugter Studenten die Inskription versagen. Später scheint diese Unsitte mehr
und mehr verschwunden zu sein, aber die unbedingte Forderung eines Abitu¬
rientenexamens wird erst seit 1829 geltend gemacht.

In Bezug auf das Maß des Lernstoffes spricht schon die Schulordnung
von 1580 die vernünftige Anschauung aus, daß die Jugend wie ein Krug mit
einem engen Mundloch sei, welches überlaufe, wenn zuviel aufgegossen werde,
und betreffs der Faßlichkeit des Unterrichts stellt bereits der alte Rektor
Fabricius (1546—71) den Kanon auf, daß der, welcher Knaben unterweisen
wolle, selbst gleichsam ein Knabe werden und zu dem kindlichen Standpunkte
herabsteigen müsse. Doch wurden in Wirklichkeit wenigstens die sprachlichen
Anforderungen ziemlich hoch geschraubt, so daß es der Rektor Martins 1726
in einem Gutachten dem Oberkonsistorium zur Erwägung anheimgibt, ob die
griechische Sprache wohl wirklich soweit „zu poussiren" sei, daß prosaische und
Poetische Arbeiten in derselben angefertigt und öffentlich vorgetragen würden,
oder ob man sich nicht vielleicht mit einem ordentlichen Verständniß der grie¬
chischen Klassiker begnügen könne. Die Leistungen mögen wohl auch hier den
Anforderungen durchaus nicht allgemein entsprochen haben, wie wir aus den
Klagen des Rektors Wille (1667) ersehen, welcher den Verfall der Schule
namentlich auch aus dem Zudrang so vieler unfähiger Köpfe erklärt. Sehr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143250"/>
          <quote>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_584"> Ich Lorenz Dietze von Prettin bin vom<lb/>
Ratt zu Prettin geschickt worden, das ich<lb/>
zu Grimma in der Fürsten Schule an<lb/>
der stelle, die ihrer Stadt linder daselbst<lb/>
haben, studiren soll. Wenn ich nun<lb/>
kann angenommen werden, will ich allen<lb/>
picis ankeren, das ich mich fromm, ge-<lb/>
horsam und gottesfürchtigk vnd im ter-<lb/>
nen vleißigk erzeige.</p>
            <cb/>
            <p xml:id="ID_585"> D^o I^MrsMus vise^o s xrstinonsis<lb/>
nüssus sum g, konsulo xrstinsQ-<lb/>
sis Kos s^o in soolÄS g.Ä xriuoiizsw<lb/>
ssrirnius vos Susa xusroruiri Qs.K&lt;zue<lb/>
Kio looo swälam. ^nao runo xos-<lb/>
sura susoixi intörprstador stuäiuui<lb/>
quoä sZc&gt; ins Korns se xlot-is se w<lb/>
äisoors oxsrÄ xrasdsrs.</p><lb/><lb/><lb/><lb/><lb/>
            <cb type="end"/>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_586"> Mit Recht bemerkt Flathe hierzu: &#x201E;Daß der Aspirant auf diese Leistung<lb/>
zurückgewiesen wurde, wird uns weniger Wunder nehmen als daß auf Ver¬<lb/>
ordnung der Behörde ihm die Stelle noch ein halbes Jahr offen gehalten<lb/>
werden sollte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_587"> Weit später erst als die Aufnahmeprüfungen wurden hinlängliche Garan¬<lb/>
tien für die akademische Reife der Abgehenden gefordert. Von Anfang an<lb/>
war nur bestimmt, daß der Schüler, welcher im Alter von 12 &#x2014; 15 Jahren<lb/>
eintrat, in der Regel 6 Jahre auf der Schule zubringen sollte. Aber häufig<lb/>
wird über eigenmächtige Verkürzung dieser Aufenthaltszeit geklagt, und es werden<lb/>
wohl auch die Landesuniversitäten in Kenntniß davon gesetzt, damit sie dem Unbe¬<lb/>
fugter Studenten die Inskription versagen. Später scheint diese Unsitte mehr<lb/>
und mehr verschwunden zu sein, aber die unbedingte Forderung eines Abitu¬<lb/>
rientenexamens wird erst seit 1829 geltend gemacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_588" next="#ID_589"> In Bezug auf das Maß des Lernstoffes spricht schon die Schulordnung<lb/>
von 1580 die vernünftige Anschauung aus, daß die Jugend wie ein Krug mit<lb/>
einem engen Mundloch sei, welches überlaufe, wenn zuviel aufgegossen werde,<lb/>
und betreffs der Faßlichkeit des Unterrichts stellt bereits der alte Rektor<lb/>
Fabricius (1546&#x2014;71) den Kanon auf, daß der, welcher Knaben unterweisen<lb/>
wolle, selbst gleichsam ein Knabe werden und zu dem kindlichen Standpunkte<lb/>
herabsteigen müsse. Doch wurden in Wirklichkeit wenigstens die sprachlichen<lb/>
Anforderungen ziemlich hoch geschraubt, so daß es der Rektor Martins 1726<lb/>
in einem Gutachten dem Oberkonsistorium zur Erwägung anheimgibt, ob die<lb/>
griechische Sprache wohl wirklich soweit &#x201E;zu poussiren" sei, daß prosaische und<lb/>
Poetische Arbeiten in derselben angefertigt und öffentlich vorgetragen würden,<lb/>
oder ob man sich nicht vielleicht mit einem ordentlichen Verständniß der grie¬<lb/>
chischen Klassiker begnügen könne. Die Leistungen mögen wohl auch hier den<lb/>
Anforderungen durchaus nicht allgemein entsprochen haben, wie wir aus den<lb/>
Klagen des Rektors Wille (1667) ersehen, welcher den Verfall der Schule<lb/>
namentlich auch aus dem Zudrang so vieler unfähiger Köpfe erklärt. Sehr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] Ich Lorenz Dietze von Prettin bin vom Ratt zu Prettin geschickt worden, das ich zu Grimma in der Fürsten Schule an der stelle, die ihrer Stadt linder daselbst haben, studiren soll. Wenn ich nun kann angenommen werden, will ich allen picis ankeren, das ich mich fromm, ge- horsam und gottesfürchtigk vnd im ter- nen vleißigk erzeige. D^o I^MrsMus vise^o s xrstinonsis nüssus sum g, konsulo xrstinsQ- sis Kos s^o in soolÄS g.Ä xriuoiizsw ssrirnius vos Susa xusroruiri Qs.K<zue Kio looo swälam. ^nao runo xos- sura susoixi intörprstador stuäiuui quoä sZc> ins Korns se xlot-is se w äisoors oxsrÄ xrasdsrs. Mit Recht bemerkt Flathe hierzu: „Daß der Aspirant auf diese Leistung zurückgewiesen wurde, wird uns weniger Wunder nehmen als daß auf Ver¬ ordnung der Behörde ihm die Stelle noch ein halbes Jahr offen gehalten werden sollte." Weit später erst als die Aufnahmeprüfungen wurden hinlängliche Garan¬ tien für die akademische Reife der Abgehenden gefordert. Von Anfang an war nur bestimmt, daß der Schüler, welcher im Alter von 12 — 15 Jahren eintrat, in der Regel 6 Jahre auf der Schule zubringen sollte. Aber häufig wird über eigenmächtige Verkürzung dieser Aufenthaltszeit geklagt, und es werden wohl auch die Landesuniversitäten in Kenntniß davon gesetzt, damit sie dem Unbe¬ fugter Studenten die Inskription versagen. Später scheint diese Unsitte mehr und mehr verschwunden zu sein, aber die unbedingte Forderung eines Abitu¬ rientenexamens wird erst seit 1829 geltend gemacht. In Bezug auf das Maß des Lernstoffes spricht schon die Schulordnung von 1580 die vernünftige Anschauung aus, daß die Jugend wie ein Krug mit einem engen Mundloch sei, welches überlaufe, wenn zuviel aufgegossen werde, und betreffs der Faßlichkeit des Unterrichts stellt bereits der alte Rektor Fabricius (1546—71) den Kanon auf, daß der, welcher Knaben unterweisen wolle, selbst gleichsam ein Knabe werden und zu dem kindlichen Standpunkte herabsteigen müsse. Doch wurden in Wirklichkeit wenigstens die sprachlichen Anforderungen ziemlich hoch geschraubt, so daß es der Rektor Martins 1726 in einem Gutachten dem Oberkonsistorium zur Erwägung anheimgibt, ob die griechische Sprache wohl wirklich soweit „zu poussiren" sei, daß prosaische und Poetische Arbeiten in derselben angefertigt und öffentlich vorgetragen würden, oder ob man sich nicht vielleicht mit einem ordentlichen Verständniß der grie¬ chischen Klassiker begnügen könne. Die Leistungen mögen wohl auch hier den Anforderungen durchaus nicht allgemein entsprochen haben, wie wir aus den Klagen des Rektors Wille (1667) ersehen, welcher den Verfall der Schule namentlich auch aus dem Zudrang so vieler unfähiger Köpfe erklärt. Sehr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/195
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/195>, abgerufen am 01.10.2024.