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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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der Bismarck'schen Lebensweise verbunden zu sein. Der Speisezettel, den Herzog
Moritz seinen Pflegebefohlenen in der Schulordnung aufstellte, klingt außer¬
ordentlich reichlich. Mit einer Hausmannskost von einem Gericht ist es nie¬
mals gethan. Wenn wir aber erfahren, wie diese Speiseordnung doch meist
nur auf dem Papiere stand, während in Wirklichkeit recht oft Schmalhans
Küchenmeister zu Se. Afra war, und wenn wir gar schon aus dem 16. Jahr¬
hundert Klagen vernehmen, daß "in der Speise Gewürmb und andere abscheu¬
liche Dinge gefunden werden", so ergibt sich, daß doch auch auf diesem Gebiete
heute beträchtliche Fortschritte zu verzeichnen sind.

Mit besonders zartem Verständniß ist der deutsche Durst bei Lehrern und
Schülern in den alten Schulordnungen vorausgesetzt und bedacht; wir werden
in dieser Beziehung lebhaft daran erinnert, daß wir der Zeit der alten Ger¬
manen, die immer "noch eins tranken", heutzutage doch einen kleinen Schritt
ferner gerückt sind. Das Bier durfte, abgesehen vom Frühstück, bei keiner
Mahlzeit fehlen, und während die Quantität desselben bei den Nebenmahlzeiten
eine beschränkte war, sollte bei den Hauptmahlzeiten soviel gegeben werden, als
"von rothen" sei. An den Bratentagen wurde sogar Wein zu Tische verab¬
reicht. Die Lehrer aber, welche, auch wenn sie verheirathet waren, sich an
den Schultisch gewiesen sahen, hielten außerdem energisch auf ihr Recht, auch
in ihre Wohnung noch einen labenden Trunk Bieres geliefert zu bekommen.
Freilich tönt auch aus jener guten, alten Zeit die leidige Kunde von schnöder
Bierverwässerung herauf. Rektor und Knaben haben bemerkt, "daß die Frau,
so Bier aufträgt, täglich zwei oder drei Wasserkannen voll Wasser in den
Keller getragen, aber nie keins wieder herauf". Erst 1841 wurde den Bier¬
klagen abgeholfen, freilich nach der radikalen Kurmethode des Doktor Eisenbart:
indem gar keins mehr auf den Tisch gebracht wurde. Zur Entschädigung dafür
wurde den Schülern ein Vergnttgnngsfonds gegründet, aus dessen Mitteln die
Kosten schon so manches frohen Tages bestritten worden sind.

Doch genug von der Pflege des Leibes. Lassen wir uns jetzt von dem
Schulglöckchen "Bertha", welches die Schüler 1863 zum Erscitze des alten, schad¬
haft gewordenen gestiftet und nach der Gattin des damaligen Rektors Franke
genannt haben, zu einem kurzen Hospitium beim Unterricht der verschiedenen
Zeitalter einladen.

Die Fürstenschule ist eine Tochter des Humanismus und der Reformation.
Darum überwiegt in ihrem Lehrplane von vornherein der Unterricht in der
Religion und in den alten Sprachen. Wenigstens im Lateinischen mußte schon
frühzeitig der für die Schule angemeldete Knabe eine Art Aufnahmeexamen
bestehen. Höchst ergötzlich ist das von Flathe uns mitgetheilte Specimen, auf
welches im Jahre 1601 ein Aspirant in Grimma dnrchfiel. Es lautet:


der Bismarck'schen Lebensweise verbunden zu sein. Der Speisezettel, den Herzog
Moritz seinen Pflegebefohlenen in der Schulordnung aufstellte, klingt außer¬
ordentlich reichlich. Mit einer Hausmannskost von einem Gericht ist es nie¬
mals gethan. Wenn wir aber erfahren, wie diese Speiseordnung doch meist
nur auf dem Papiere stand, während in Wirklichkeit recht oft Schmalhans
Küchenmeister zu Se. Afra war, und wenn wir gar schon aus dem 16. Jahr¬
hundert Klagen vernehmen, daß „in der Speise Gewürmb und andere abscheu¬
liche Dinge gefunden werden", so ergibt sich, daß doch auch auf diesem Gebiete
heute beträchtliche Fortschritte zu verzeichnen sind.

Mit besonders zartem Verständniß ist der deutsche Durst bei Lehrern und
Schülern in den alten Schulordnungen vorausgesetzt und bedacht; wir werden
in dieser Beziehung lebhaft daran erinnert, daß wir der Zeit der alten Ger¬
manen, die immer „noch eins tranken", heutzutage doch einen kleinen Schritt
ferner gerückt sind. Das Bier durfte, abgesehen vom Frühstück, bei keiner
Mahlzeit fehlen, und während die Quantität desselben bei den Nebenmahlzeiten
eine beschränkte war, sollte bei den Hauptmahlzeiten soviel gegeben werden, als
„von rothen" sei. An den Bratentagen wurde sogar Wein zu Tische verab¬
reicht. Die Lehrer aber, welche, auch wenn sie verheirathet waren, sich an
den Schultisch gewiesen sahen, hielten außerdem energisch auf ihr Recht, auch
in ihre Wohnung noch einen labenden Trunk Bieres geliefert zu bekommen.
Freilich tönt auch aus jener guten, alten Zeit die leidige Kunde von schnöder
Bierverwässerung herauf. Rektor und Knaben haben bemerkt, „daß die Frau,
so Bier aufträgt, täglich zwei oder drei Wasserkannen voll Wasser in den
Keller getragen, aber nie keins wieder herauf". Erst 1841 wurde den Bier¬
klagen abgeholfen, freilich nach der radikalen Kurmethode des Doktor Eisenbart:
indem gar keins mehr auf den Tisch gebracht wurde. Zur Entschädigung dafür
wurde den Schülern ein Vergnttgnngsfonds gegründet, aus dessen Mitteln die
Kosten schon so manches frohen Tages bestritten worden sind.

Doch genug von der Pflege des Leibes. Lassen wir uns jetzt von dem
Schulglöckchen „Bertha", welches die Schüler 1863 zum Erscitze des alten, schad¬
haft gewordenen gestiftet und nach der Gattin des damaligen Rektors Franke
genannt haben, zu einem kurzen Hospitium beim Unterricht der verschiedenen
Zeitalter einladen.

Die Fürstenschule ist eine Tochter des Humanismus und der Reformation.
Darum überwiegt in ihrem Lehrplane von vornherein der Unterricht in der
Religion und in den alten Sprachen. Wenigstens im Lateinischen mußte schon
frühzeitig der für die Schule angemeldete Knabe eine Art Aufnahmeexamen
bestehen. Höchst ergötzlich ist das von Flathe uns mitgetheilte Specimen, auf
welches im Jahre 1601 ein Aspirant in Grimma dnrchfiel. Es lautet:


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[0194] der Bismarck'schen Lebensweise verbunden zu sein. Der Speisezettel, den Herzog Moritz seinen Pflegebefohlenen in der Schulordnung aufstellte, klingt außer¬ ordentlich reichlich. Mit einer Hausmannskost von einem Gericht ist es nie¬ mals gethan. Wenn wir aber erfahren, wie diese Speiseordnung doch meist nur auf dem Papiere stand, während in Wirklichkeit recht oft Schmalhans Küchenmeister zu Se. Afra war, und wenn wir gar schon aus dem 16. Jahr¬ hundert Klagen vernehmen, daß „in der Speise Gewürmb und andere abscheu¬ liche Dinge gefunden werden", so ergibt sich, daß doch auch auf diesem Gebiete heute beträchtliche Fortschritte zu verzeichnen sind. Mit besonders zartem Verständniß ist der deutsche Durst bei Lehrern und Schülern in den alten Schulordnungen vorausgesetzt und bedacht; wir werden in dieser Beziehung lebhaft daran erinnert, daß wir der Zeit der alten Ger¬ manen, die immer „noch eins tranken", heutzutage doch einen kleinen Schritt ferner gerückt sind. Das Bier durfte, abgesehen vom Frühstück, bei keiner Mahlzeit fehlen, und während die Quantität desselben bei den Nebenmahlzeiten eine beschränkte war, sollte bei den Hauptmahlzeiten soviel gegeben werden, als „von rothen" sei. An den Bratentagen wurde sogar Wein zu Tische verab¬ reicht. Die Lehrer aber, welche, auch wenn sie verheirathet waren, sich an den Schultisch gewiesen sahen, hielten außerdem energisch auf ihr Recht, auch in ihre Wohnung noch einen labenden Trunk Bieres geliefert zu bekommen. Freilich tönt auch aus jener guten, alten Zeit die leidige Kunde von schnöder Bierverwässerung herauf. Rektor und Knaben haben bemerkt, „daß die Frau, so Bier aufträgt, täglich zwei oder drei Wasserkannen voll Wasser in den Keller getragen, aber nie keins wieder herauf". Erst 1841 wurde den Bier¬ klagen abgeholfen, freilich nach der radikalen Kurmethode des Doktor Eisenbart: indem gar keins mehr auf den Tisch gebracht wurde. Zur Entschädigung dafür wurde den Schülern ein Vergnttgnngsfonds gegründet, aus dessen Mitteln die Kosten schon so manches frohen Tages bestritten worden sind. Doch genug von der Pflege des Leibes. Lassen wir uns jetzt von dem Schulglöckchen „Bertha", welches die Schüler 1863 zum Erscitze des alten, schad¬ haft gewordenen gestiftet und nach der Gattin des damaligen Rektors Franke genannt haben, zu einem kurzen Hospitium beim Unterricht der verschiedenen Zeitalter einladen. Die Fürstenschule ist eine Tochter des Humanismus und der Reformation. Darum überwiegt in ihrem Lehrplane von vornherein der Unterricht in der Religion und in den alten Sprachen. Wenigstens im Lateinischen mußte schon frühzeitig der für die Schule angemeldete Knabe eine Art Aufnahmeexamen bestehen. Höchst ergötzlich ist das von Flathe uns mitgetheilte Specimen, auf welches im Jahre 1601 ein Aspirant in Grimma dnrchfiel. Es lautet:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/194>, abgerufen am 23.07.2024.