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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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dazu beitrug, sein Leben zu einem unglücklichen zu machen. Erst 1753 wurde
diesem Unwesen durch eine Parlamentsakte ein Ziel gesetzt, nach welcher der
Trauung ein dreimaliges Aufgebot in der Pfarrkirche vorausgehen oder ein mit
Einwilligung der Eltern zu ertheilender Dispens beigebracht werden und die
Ceremonie in der Kirche stattfinden mußte. Alle Ehen, bei denen diese Be¬
dingungen nicht erfüllt worden, sollten null und nichtig und die, welche sie ein¬
gesegnet, der Deportation verfallen sein. Ein Geistlicher, Namens Wilkinson,
machte den Versuch, das alte Verfahren fortzusetzen, und er soll nach Publi¬
kation der Ehe-Akte nicht weniger als 140t) Trauungen noch vollzogen haben.
Dann aber ereilte ihn das Gesetz mit ganzer Strenge, man machte ihm den
Prozeß, und er wurde wirklich deportirt. Nur in Schottland, auf der Insel
Man und ans Guernsey fanden hinfort noch Trauungen nach ehemaliger
Art statt.

Geradezu abscheuerregend war der Zustand der englischen Gefängnisse
bevor das Parlamentsmitglied Oglethorpe die Reform derselben herbeiführte.
Dieser erwirkte 1729 eine Untersuchung des Fleetstreet- und des Marshalsea-
Gefängnisses, deren Ergebnisse allgemeine Entrüstung hervorriefen. Es zeigte
sich, daß die Stelle eines Gouverneurs des Fleck-Gefängnisses regelmüßig zum
Kauf ausgeboten wurde, daß John Huggins sie von dem großen Lord Clarendon
um 5000 Pfund erstanden und sie 1728 um dieselbe Summe an Bambridge
verkauft hatte, und daß diese Leute gewohnt waren, neben den bedeutenden
regelmäßigen Emolumenten ihres Amtes schwere Sporteln von den Gefangenen
einzufordern und sich an denen, welche nicht zahlen konnten, dnrch die ärgste
Brutalität zu rächen. Als Bambridge Gouverneur des Fleck war, wurden
jene auf Monate gefesselt in einen Kerker gesperrt, der über einer Kloake lag,
als Todtenkcnnmer für im Gefängniß gestorbene diente und voll Gestank und
schlechter Luft war. Man steckte Schuldner, welche die Gebühren nicht zahlen
konnten, mit pockenkranken Häftlingen zusammen, gab ihnen nur kärglich zu essen,
sodaß sie fast zu Gerippen abmagerten, und ließ kranke Frauen ohne Betten, ohne
Wartung und ohne angemessene Speisen elend sterben. Es kam vor, daß man
Männer in Ketten von unerträglicher Schwere hinsiechen ließ, ja man folterte
sogar Gefangene durch Anlegung von Daumschrauben. Es scheint, wie unser
Autor sagt, die bestimmte Absicht des Gouverneurs gewesen zu sein, einigen
seiner Gefangenen den Garaus zu machen, entweder weil sie die Gebühren
nicht zahlen konnten, oder weil sie sich irgendwie seinen Groll zugezogen hatten,
oder auch, damit er sich ihrer geringen Habseligkeiten bemächtigen könne. In
Newgate und in einigen Provinzialgefängnissen wurden ungefähr dieselben
Greuel aufgedeckt. In Dublin fand man, daß jeder Gefangene eine Abgabe
zur Beschaffung geistiger Getränke für das Gefängniß zu erlegen hatte, daß


dazu beitrug, sein Leben zu einem unglücklichen zu machen. Erst 1753 wurde
diesem Unwesen durch eine Parlamentsakte ein Ziel gesetzt, nach welcher der
Trauung ein dreimaliges Aufgebot in der Pfarrkirche vorausgehen oder ein mit
Einwilligung der Eltern zu ertheilender Dispens beigebracht werden und die
Ceremonie in der Kirche stattfinden mußte. Alle Ehen, bei denen diese Be¬
dingungen nicht erfüllt worden, sollten null und nichtig und die, welche sie ein¬
gesegnet, der Deportation verfallen sein. Ein Geistlicher, Namens Wilkinson,
machte den Versuch, das alte Verfahren fortzusetzen, und er soll nach Publi¬
kation der Ehe-Akte nicht weniger als 140t) Trauungen noch vollzogen haben.
Dann aber ereilte ihn das Gesetz mit ganzer Strenge, man machte ihm den
Prozeß, und er wurde wirklich deportirt. Nur in Schottland, auf der Insel
Man und ans Guernsey fanden hinfort noch Trauungen nach ehemaliger
Art statt.

Geradezu abscheuerregend war der Zustand der englischen Gefängnisse
bevor das Parlamentsmitglied Oglethorpe die Reform derselben herbeiführte.
Dieser erwirkte 1729 eine Untersuchung des Fleetstreet- und des Marshalsea-
Gefängnisses, deren Ergebnisse allgemeine Entrüstung hervorriefen. Es zeigte
sich, daß die Stelle eines Gouverneurs des Fleck-Gefängnisses regelmüßig zum
Kauf ausgeboten wurde, daß John Huggins sie von dem großen Lord Clarendon
um 5000 Pfund erstanden und sie 1728 um dieselbe Summe an Bambridge
verkauft hatte, und daß diese Leute gewohnt waren, neben den bedeutenden
regelmäßigen Emolumenten ihres Amtes schwere Sporteln von den Gefangenen
einzufordern und sich an denen, welche nicht zahlen konnten, dnrch die ärgste
Brutalität zu rächen. Als Bambridge Gouverneur des Fleck war, wurden
jene auf Monate gefesselt in einen Kerker gesperrt, der über einer Kloake lag,
als Todtenkcnnmer für im Gefängniß gestorbene diente und voll Gestank und
schlechter Luft war. Man steckte Schuldner, welche die Gebühren nicht zahlen
konnten, mit pockenkranken Häftlingen zusammen, gab ihnen nur kärglich zu essen,
sodaß sie fast zu Gerippen abmagerten, und ließ kranke Frauen ohne Betten, ohne
Wartung und ohne angemessene Speisen elend sterben. Es kam vor, daß man
Männer in Ketten von unerträglicher Schwere hinsiechen ließ, ja man folterte
sogar Gefangene durch Anlegung von Daumschrauben. Es scheint, wie unser
Autor sagt, die bestimmte Absicht des Gouverneurs gewesen zu sein, einigen
seiner Gefangenen den Garaus zu machen, entweder weil sie die Gebühren
nicht zahlen konnten, oder weil sie sich irgendwie seinen Groll zugezogen hatten,
oder auch, damit er sich ihrer geringen Habseligkeiten bemächtigen könne. In
Newgate und in einigen Provinzialgefängnissen wurden ungefähr dieselben
Greuel aufgedeckt. In Dublin fand man, daß jeder Gefangene eine Abgabe
zur Beschaffung geistiger Getränke für das Gefängniß zu erlegen hatte, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/155>, abgerufen am 06.07.2024.