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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Gefahr für das Publikum. Die Richter, vor die man dann und wann solche
Uebelthäter brachte, "ließen sich abfinden".

So entwickelte sich in und um London auch die Zunft der Diebe und
Räuber in erschreckender Weise. Dieselben waren, wie Smollet 1730 berichtete,
jetzt verwegener und wilder als je vorher. 1744 richteten der Mayor und
die Aldermen von London eine Adresse an den König, worin sie angaben,
daß "unterschiedliche Verbindungen böswilliger Personen, mit -eisenbeschlagenen
Stöcken, Pistolen, Hirschfängern und andern gefährlichen Waffen versehen, nicht
nur Privatwege und Durchgänge, sondern anch die öffentlichen Straßen und
Plätze unsicher machen und die frechsten Unthaten an den Personen getreuer Unter¬
thanen verüben, indem sie dieselben häufig sogar zu solchen Stunden berauben
und verwunden, die vordem als sicher galten". "Man ist genöthigt," schrieb
Horace Walpole 1751, "sogar bei Hellem Tage so zu reisen, als ob man in
die Schlacht ginge." Die Strafen waren gräßlich, trafen aber meist nur die
weniger bedeutenden und unerfahrenen Raubgesellen. Die andern wußten die
Behörden dadurch einzuschüchtern, daß sie, wenn ein Versuch, sie zu verhaften,
gemacht wurde, Lärm schlugen, worauf ihnen ihre Genossen bewaffnet zu Hilfe
eilten. Als das achtzehnte Jahrhundert schon weit vorgerückt war, kam es
noch vor, daß Räuber, auf deren Ergreifung große Belohnungen gesetzt waren,
noch vor Dunkelwerden, unbehelligt, von einer Rotte ihrer Spießgesellen um¬
geben, mitten durch eine halb erschrockene, halb neugierige Menge durch die
Straßen von London ritten. Etwas besser wurde es damit, nachdem man
1736 angefangen hatte, für eine bessere Beleuchtung der Stadt zu sorgen. Aber
erst 1757, als der Romandichter Fielding, damals Polizeirichter, und sein
Bruder für Ersetzung der unbrauchbaren Nachtwächter durch eine tüchtige
Polizei thätig gewesen waren, konnte Brower schreiben, daß "das herrschende
Uebel des Straßenraubes so gut wie unterdrückt sei"; die Landstraßen aber
wurden auch später noch durch Räuber unsicher gemacht. Die Schwäche des
Gesetzes zeigte sich auch in der Menge von Tumulten, die in allen Theilen
des Königreichs stattfanden. In Edinburgh ermordete der Pöbel den Kapitän
Porteous, der auf eine Rotte Anführer hatte schießen lassen und dafür zum
Tode verurtheilt, aber begnadigt worden war. Die Malzsteuer, die Gin-Akte,
die Schlagbäume, die Methodistenpredigteu riefen furchtbare Aufstände hervor,
der Franzosenhaß machte sich 1738 und 1741^ durch wüthende Ruhestörungen
Luft, als französische Schauspieler in Londoner Theatern aufzutreten versuchten.
Der Schmuggel, von der Sympathie des Volkes getragen, nahm einen beson¬
ders verwegenen Charakter an. In Hampshire war unter Georg dem Ersten
eine Bande von Wilddieben, die "Waltham Blocks", so zahlreich und so dreist,
daß mau es für nöthig fand, ein eignes, höchst blutiges Gesetz gegen sie zu


Grenzboten IV. 1879. 20

Gefahr für das Publikum. Die Richter, vor die man dann und wann solche
Uebelthäter brachte, „ließen sich abfinden".

So entwickelte sich in und um London auch die Zunft der Diebe und
Räuber in erschreckender Weise. Dieselben waren, wie Smollet 1730 berichtete,
jetzt verwegener und wilder als je vorher. 1744 richteten der Mayor und
die Aldermen von London eine Adresse an den König, worin sie angaben,
daß „unterschiedliche Verbindungen böswilliger Personen, mit -eisenbeschlagenen
Stöcken, Pistolen, Hirschfängern und andern gefährlichen Waffen versehen, nicht
nur Privatwege und Durchgänge, sondern anch die öffentlichen Straßen und
Plätze unsicher machen und die frechsten Unthaten an den Personen getreuer Unter¬
thanen verüben, indem sie dieselben häufig sogar zu solchen Stunden berauben
und verwunden, die vordem als sicher galten". „Man ist genöthigt," schrieb
Horace Walpole 1751, „sogar bei Hellem Tage so zu reisen, als ob man in
die Schlacht ginge." Die Strafen waren gräßlich, trafen aber meist nur die
weniger bedeutenden und unerfahrenen Raubgesellen. Die andern wußten die
Behörden dadurch einzuschüchtern, daß sie, wenn ein Versuch, sie zu verhaften,
gemacht wurde, Lärm schlugen, worauf ihnen ihre Genossen bewaffnet zu Hilfe
eilten. Als das achtzehnte Jahrhundert schon weit vorgerückt war, kam es
noch vor, daß Räuber, auf deren Ergreifung große Belohnungen gesetzt waren,
noch vor Dunkelwerden, unbehelligt, von einer Rotte ihrer Spießgesellen um¬
geben, mitten durch eine halb erschrockene, halb neugierige Menge durch die
Straßen von London ritten. Etwas besser wurde es damit, nachdem man
1736 angefangen hatte, für eine bessere Beleuchtung der Stadt zu sorgen. Aber
erst 1757, als der Romandichter Fielding, damals Polizeirichter, und sein
Bruder für Ersetzung der unbrauchbaren Nachtwächter durch eine tüchtige
Polizei thätig gewesen waren, konnte Brower schreiben, daß „das herrschende
Uebel des Straßenraubes so gut wie unterdrückt sei"; die Landstraßen aber
wurden auch später noch durch Räuber unsicher gemacht. Die Schwäche des
Gesetzes zeigte sich auch in der Menge von Tumulten, die in allen Theilen
des Königreichs stattfanden. In Edinburgh ermordete der Pöbel den Kapitän
Porteous, der auf eine Rotte Anführer hatte schießen lassen und dafür zum
Tode verurtheilt, aber begnadigt worden war. Die Malzsteuer, die Gin-Akte,
die Schlagbäume, die Methodistenpredigteu riefen furchtbare Aufstände hervor,
der Franzosenhaß machte sich 1738 und 1741^ durch wüthende Ruhestörungen
Luft, als französische Schauspieler in Londoner Theatern aufzutreten versuchten.
Der Schmuggel, von der Sympathie des Volkes getragen, nahm einen beson¬
ders verwegenen Charakter an. In Hampshire war unter Georg dem Ersten
eine Bande von Wilddieben, die „Waltham Blocks", so zahlreich und so dreist,
daß mau es für nöthig fand, ein eignes, höchst blutiges Gesetz gegen sie zu


Grenzboten IV. 1879. 20
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[0153] Gefahr für das Publikum. Die Richter, vor die man dann und wann solche Uebelthäter brachte, „ließen sich abfinden". So entwickelte sich in und um London auch die Zunft der Diebe und Räuber in erschreckender Weise. Dieselben waren, wie Smollet 1730 berichtete, jetzt verwegener und wilder als je vorher. 1744 richteten der Mayor und die Aldermen von London eine Adresse an den König, worin sie angaben, daß „unterschiedliche Verbindungen böswilliger Personen, mit -eisenbeschlagenen Stöcken, Pistolen, Hirschfängern und andern gefährlichen Waffen versehen, nicht nur Privatwege und Durchgänge, sondern anch die öffentlichen Straßen und Plätze unsicher machen und die frechsten Unthaten an den Personen getreuer Unter¬ thanen verüben, indem sie dieselben häufig sogar zu solchen Stunden berauben und verwunden, die vordem als sicher galten". „Man ist genöthigt," schrieb Horace Walpole 1751, „sogar bei Hellem Tage so zu reisen, als ob man in die Schlacht ginge." Die Strafen waren gräßlich, trafen aber meist nur die weniger bedeutenden und unerfahrenen Raubgesellen. Die andern wußten die Behörden dadurch einzuschüchtern, daß sie, wenn ein Versuch, sie zu verhaften, gemacht wurde, Lärm schlugen, worauf ihnen ihre Genossen bewaffnet zu Hilfe eilten. Als das achtzehnte Jahrhundert schon weit vorgerückt war, kam es noch vor, daß Räuber, auf deren Ergreifung große Belohnungen gesetzt waren, noch vor Dunkelwerden, unbehelligt, von einer Rotte ihrer Spießgesellen um¬ geben, mitten durch eine halb erschrockene, halb neugierige Menge durch die Straßen von London ritten. Etwas besser wurde es damit, nachdem man 1736 angefangen hatte, für eine bessere Beleuchtung der Stadt zu sorgen. Aber erst 1757, als der Romandichter Fielding, damals Polizeirichter, und sein Bruder für Ersetzung der unbrauchbaren Nachtwächter durch eine tüchtige Polizei thätig gewesen waren, konnte Brower schreiben, daß „das herrschende Uebel des Straßenraubes so gut wie unterdrückt sei"; die Landstraßen aber wurden auch später noch durch Räuber unsicher gemacht. Die Schwäche des Gesetzes zeigte sich auch in der Menge von Tumulten, die in allen Theilen des Königreichs stattfanden. In Edinburgh ermordete der Pöbel den Kapitän Porteous, der auf eine Rotte Anführer hatte schießen lassen und dafür zum Tode verurtheilt, aber begnadigt worden war. Die Malzsteuer, die Gin-Akte, die Schlagbäume, die Methodistenpredigteu riefen furchtbare Aufstände hervor, der Franzosenhaß machte sich 1738 und 1741^ durch wüthende Ruhestörungen Luft, als französische Schauspieler in Londoner Theatern aufzutreten versuchten. Der Schmuggel, von der Sympathie des Volkes getragen, nahm einen beson¬ ders verwegenen Charakter an. In Hampshire war unter Georg dem Ersten eine Bande von Wilddieben, die „Waltham Blocks", so zahlreich und so dreist, daß mau es für nöthig fand, ein eignes, höchst blutiges Gesetz gegen sie zu Grenzboten IV. 1879. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/153>, abgerufen am 06.07.2024.