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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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ordnete er sich in Erwartung besserer Zukunft mit guter Miene dem Sieben¬
bürgen unter. Seine Hoffnung ging auf eine Verbindung mit Kaiser Rudolf II.,
und diese kam schnell genug zu Stande, da 1598 Sigmund Mthory sein
Fürstenthum in die Hände des Kaisers resignirte. So wurde Michael Rudolfs
Vasall. Bald war er so mächtig, daß auch die Pforte von Konstantinopel aus
ihn zu gewinnen trachtete; und nun beginnt er, sich ein Schaukelsystem zwischen
dem christlichen und dem mohammedanischen Kaiser einzurichten, um, von beiden
unterstützt, seine eigne Machtstellung zu erweitern. Auf die Erwerbung der
Moldau, deren im Interesse Polens eingesetzter Fürst keinen rechten Anhang
im Volke besaß, hatte er bereits sein Augenmerk gerichtet. Da bot sich ihm
noch früher die Gelegenheit in Siebenbürgen dar. Der wetterwendische Sig¬
mund BÄhory benutzte wenige Monate nach seiner freiwilligen Thronentsagung
die Unzufriedenheit der Siebenbürgen mit dem Kaiser, der die versprochene
Sendung des Erzherzogs Maximilian ins Land immer hinausschob, um sein
Fürstenthum wieder einzunehmen, überließ es jedoch, bald von neuem der Regie¬
rung müde, seinem Vetter, dem ehrgeizigen Kardinal Andreas B-Uhory. Dessen
Stellung aber war von vornherein unhaltbar. Dem ungarischen Adel galt er
als Eindringling, der sächsischen Nation war er als katholischer Kirchenfürst
verdächtig, dem Kaiser war er schon deshalb unerträglich, weil er zu Polen
neigte. So brauchte er Michaels Freundschaft als eine Stütze seiner Herrschaft.
Offen verband sich Michael mit ihm, aber heimlich rüstete er zu seinem Sturze.
Halb und halb im EinVerständniß mit dem Kaiser überfiel er plötzlich Sieben¬
bürgen und erwarb in der heißen Schlacht bei Schellenberg unweit Hermann¬
stadt die Herrschaft über das Land. Ein kurzer und leichter Feldzug brachte
im nächsten Jahre, 1600, auch die Moldau in seine Gewalt. So war er Herr
des ganzen Gebietes, auf dem die rumänische Nation saß, und der rumänische
Patriot sieht darin die Wiederherstellung des alten Dcieiens und die Errich¬
tung eines rumänischen Nationalreiches. "Ist Siebenbürgen," sagt Baleescn
in seinem rumänischen Buche, "Siebenbürgen, dessen Bevölkerung zum größten
Theile (!) Rumänen, nicht ein rumänisches Land? Durfte dies ganze Land,
welches nach natürlichem und menschlichem Rechte den Rumänen gehört, unter
der Herrschaft der Ungarn gelassen werden, insbesondere da auch die Bewohner
> anderer Nationalität ihn riefen? ... Einst wird kommen der Tag., wo die
glorreichen Geschicke, welche er für die Nation erträumt, sich vollständig er¬
füllen werden." Schwerlich gingen Michaels Träume soweit wie die Balcescu's.
Selbst zugegeben, daß er im dunklen Drange der nationalen Idee gehandelt
habe, bewußt war er sich ihrer schwerlich, und für die Begründung einer
dauernden Herrschaft in den drei Ländern, namentlich aber in Siebenbürgen,
scheinen ihm ebenso die Fähigkeiten des Staatsmannes wie die Gunst der poli-


ordnete er sich in Erwartung besserer Zukunft mit guter Miene dem Sieben¬
bürgen unter. Seine Hoffnung ging auf eine Verbindung mit Kaiser Rudolf II.,
und diese kam schnell genug zu Stande, da 1598 Sigmund Mthory sein
Fürstenthum in die Hände des Kaisers resignirte. So wurde Michael Rudolfs
Vasall. Bald war er so mächtig, daß auch die Pforte von Konstantinopel aus
ihn zu gewinnen trachtete; und nun beginnt er, sich ein Schaukelsystem zwischen
dem christlichen und dem mohammedanischen Kaiser einzurichten, um, von beiden
unterstützt, seine eigne Machtstellung zu erweitern. Auf die Erwerbung der
Moldau, deren im Interesse Polens eingesetzter Fürst keinen rechten Anhang
im Volke besaß, hatte er bereits sein Augenmerk gerichtet. Da bot sich ihm
noch früher die Gelegenheit in Siebenbürgen dar. Der wetterwendische Sig¬
mund BÄhory benutzte wenige Monate nach seiner freiwilligen Thronentsagung
die Unzufriedenheit der Siebenbürgen mit dem Kaiser, der die versprochene
Sendung des Erzherzogs Maximilian ins Land immer hinausschob, um sein
Fürstenthum wieder einzunehmen, überließ es jedoch, bald von neuem der Regie¬
rung müde, seinem Vetter, dem ehrgeizigen Kardinal Andreas B-Uhory. Dessen
Stellung aber war von vornherein unhaltbar. Dem ungarischen Adel galt er
als Eindringling, der sächsischen Nation war er als katholischer Kirchenfürst
verdächtig, dem Kaiser war er schon deshalb unerträglich, weil er zu Polen
neigte. So brauchte er Michaels Freundschaft als eine Stütze seiner Herrschaft.
Offen verband sich Michael mit ihm, aber heimlich rüstete er zu seinem Sturze.
Halb und halb im EinVerständniß mit dem Kaiser überfiel er plötzlich Sieben¬
bürgen und erwarb in der heißen Schlacht bei Schellenberg unweit Hermann¬
stadt die Herrschaft über das Land. Ein kurzer und leichter Feldzug brachte
im nächsten Jahre, 1600, auch die Moldau in seine Gewalt. So war er Herr
des ganzen Gebietes, auf dem die rumänische Nation saß, und der rumänische
Patriot sieht darin die Wiederherstellung des alten Dcieiens und die Errich¬
tung eines rumänischen Nationalreiches. „Ist Siebenbürgen," sagt Baleescn
in seinem rumänischen Buche, „Siebenbürgen, dessen Bevölkerung zum größten
Theile (!) Rumänen, nicht ein rumänisches Land? Durfte dies ganze Land,
welches nach natürlichem und menschlichem Rechte den Rumänen gehört, unter
der Herrschaft der Ungarn gelassen werden, insbesondere da auch die Bewohner
> anderer Nationalität ihn riefen? ... Einst wird kommen der Tag., wo die
glorreichen Geschicke, welche er für die Nation erträumt, sich vollständig er¬
füllen werden." Schwerlich gingen Michaels Träume soweit wie die Balcescu's.
Selbst zugegeben, daß er im dunklen Drange der nationalen Idee gehandelt
habe, bewußt war er sich ihrer schwerlich, und für die Begründung einer
dauernden Herrschaft in den drei Ländern, namentlich aber in Siebenbürgen,
scheinen ihm ebenso die Fähigkeiten des Staatsmannes wie die Gunst der poli-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/139>, abgerufen am 23.07.2024.