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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Der Aationalheld Aumäniens.

Ein gut geschriebenes Buch über Rumäniens größte historische Persön¬
lichkeit aus der Feder eines mit Land und Leuten vertrauten Mannes darf in
der Gegenwart, die das freie Rumänien in die Reihe der selbständigen europäi¬
schen Staaten hat eintreten sehen, sicher auf entgegenkommendes Interesse zählen.
Die Völker "hinten weit in der Türkei" sind durch den letzten Krieg ziemlich
laut in den Vordergrund getreten, und ihr Schicksal ist, wie sich die Dinge
auch weiter entwickeln mögen, ein europäisches Interesse geworden. Daß
namentlich die Rumänen im Kriege sich besser gezeigt haben, als ihr Ruf bis¬
her gewesen ist, wird der Einsichtige nicht verkennen, und die innigere Ver¬
bindung, die das gemeinsam Erlebte und Erstrittene zwischen dem deutschen
Fürsten und seinem Volke angebahnt hat, läßt auch eine ersprießliche Stabili-
rung der neueren Verhältnisse erhoffen.

Aber es ist nicht erst der letzte Krieg gewesen, der den Verfasser des er¬
wähnten Buches, W. Se. Teutschländer, einen geborenen Siebenbürgen und
evangelischen Pfarrer der deutschen Gemeinde in Bucarest, zum Geschichtschreiber
Michaels des Tapfern (1593--1601), des rumänischen Nationalhelden, gemacht
hat; nach der Vorrede war sein Buch zu Anfange des Krieges im wesentlichen
schon fertig. Es bildet ein Gegenstück zu dem bald nach 1848 geschriebenen,
aber erst 1877 veröffentlichten rumänischen Buche von Nikolaus Balcescu:
"Geschichte der Rumänen unter dem Woewoden Michael dem Tapfern", in
welchem Michael mit aller Gluth patriotischer Begeisterung als der Nationalheld
Rumäniens gefeiert wird. Dem heißblütigen Patrioten, der sein Buch fern
vom Vaterlande und erfüllt von Sehnsucht darnach schrieb, tritt jetzt der ruhige,
einst in Droysens Schule gebildete deutsche Forscher zur Seite. Doch ist ihm
deshalb der Held keine fremde und fernliegende Persönlichkeit, für die er sich
etwa nur ein wissenschaftliches Interesse angeeignet hat; seine siebenbürgische
Heimat und sein neues rumänisches Vaterland lassen ihn milderten und mit¬
fühlen mit seinem Helden, und so durchzieht warmes Leben die ganze Darstellung.


Grenzboten IV. 1879. 13
Der Aationalheld Aumäniens.

Ein gut geschriebenes Buch über Rumäniens größte historische Persön¬
lichkeit aus der Feder eines mit Land und Leuten vertrauten Mannes darf in
der Gegenwart, die das freie Rumänien in die Reihe der selbständigen europäi¬
schen Staaten hat eintreten sehen, sicher auf entgegenkommendes Interesse zählen.
Die Völker „hinten weit in der Türkei" sind durch den letzten Krieg ziemlich
laut in den Vordergrund getreten, und ihr Schicksal ist, wie sich die Dinge
auch weiter entwickeln mögen, ein europäisches Interesse geworden. Daß
namentlich die Rumänen im Kriege sich besser gezeigt haben, als ihr Ruf bis¬
her gewesen ist, wird der Einsichtige nicht verkennen, und die innigere Ver¬
bindung, die das gemeinsam Erlebte und Erstrittene zwischen dem deutschen
Fürsten und seinem Volke angebahnt hat, läßt auch eine ersprießliche Stabili-
rung der neueren Verhältnisse erhoffen.

Aber es ist nicht erst der letzte Krieg gewesen, der den Verfasser des er¬
wähnten Buches, W. Se. Teutschländer, einen geborenen Siebenbürgen und
evangelischen Pfarrer der deutschen Gemeinde in Bucarest, zum Geschichtschreiber
Michaels des Tapfern (1593—1601), des rumänischen Nationalhelden, gemacht
hat; nach der Vorrede war sein Buch zu Anfange des Krieges im wesentlichen
schon fertig. Es bildet ein Gegenstück zu dem bald nach 1848 geschriebenen,
aber erst 1877 veröffentlichten rumänischen Buche von Nikolaus Balcescu:
„Geschichte der Rumänen unter dem Woewoden Michael dem Tapfern", in
welchem Michael mit aller Gluth patriotischer Begeisterung als der Nationalheld
Rumäniens gefeiert wird. Dem heißblütigen Patrioten, der sein Buch fern
vom Vaterlande und erfüllt von Sehnsucht darnach schrieb, tritt jetzt der ruhige,
einst in Droysens Schule gebildete deutsche Forscher zur Seite. Doch ist ihm
deshalb der Held keine fremde und fernliegende Persönlichkeit, für die er sich
etwa nur ein wissenschaftliches Interesse angeeignet hat; seine siebenbürgische
Heimat und sein neues rumänisches Vaterland lassen ihn milderten und mit¬
fühlen mit seinem Helden, und so durchzieht warmes Leben die ganze Darstellung.


Grenzboten IV. 1879. 13
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[0137] Der Aationalheld Aumäniens. Ein gut geschriebenes Buch über Rumäniens größte historische Persön¬ lichkeit aus der Feder eines mit Land und Leuten vertrauten Mannes darf in der Gegenwart, die das freie Rumänien in die Reihe der selbständigen europäi¬ schen Staaten hat eintreten sehen, sicher auf entgegenkommendes Interesse zählen. Die Völker „hinten weit in der Türkei" sind durch den letzten Krieg ziemlich laut in den Vordergrund getreten, und ihr Schicksal ist, wie sich die Dinge auch weiter entwickeln mögen, ein europäisches Interesse geworden. Daß namentlich die Rumänen im Kriege sich besser gezeigt haben, als ihr Ruf bis¬ her gewesen ist, wird der Einsichtige nicht verkennen, und die innigere Ver¬ bindung, die das gemeinsam Erlebte und Erstrittene zwischen dem deutschen Fürsten und seinem Volke angebahnt hat, läßt auch eine ersprießliche Stabili- rung der neueren Verhältnisse erhoffen. Aber es ist nicht erst der letzte Krieg gewesen, der den Verfasser des er¬ wähnten Buches, W. Se. Teutschländer, einen geborenen Siebenbürgen und evangelischen Pfarrer der deutschen Gemeinde in Bucarest, zum Geschichtschreiber Michaels des Tapfern (1593—1601), des rumänischen Nationalhelden, gemacht hat; nach der Vorrede war sein Buch zu Anfange des Krieges im wesentlichen schon fertig. Es bildet ein Gegenstück zu dem bald nach 1848 geschriebenen, aber erst 1877 veröffentlichten rumänischen Buche von Nikolaus Balcescu: „Geschichte der Rumänen unter dem Woewoden Michael dem Tapfern", in welchem Michael mit aller Gluth patriotischer Begeisterung als der Nationalheld Rumäniens gefeiert wird. Dem heißblütigen Patrioten, der sein Buch fern vom Vaterlande und erfüllt von Sehnsucht darnach schrieb, tritt jetzt der ruhige, einst in Droysens Schule gebildete deutsche Forscher zur Seite. Doch ist ihm deshalb der Held keine fremde und fernliegende Persönlichkeit, für die er sich etwa nur ein wissenschaftliches Interesse angeeignet hat; seine siebenbürgische Heimat und sein neues rumänisches Vaterland lassen ihn milderten und mit¬ fühlen mit seinem Helden, und so durchzieht warmes Leben die ganze Darstellung. Grenzboten IV. 1879. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/137>, abgerufen am 23.07.2024.