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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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wendig war, ziemlich mißlich stand. Seine Taktik scheint darauf berechnet ge¬
wesen zu sein, die naturgemäße Entwickelung der Dinge, welcher er sein Programm
angepaßt hatte, für dieses und sür sich selber arbeiten zu lassen. Inzwischen
strebte die von dem Vizekönig gewonnene und seinen Winken gehorchende Partei
im Ministerium und im Jildis-Kiosk mit aller Entschiedenheit und im klarsten
Bewußtsein dessen, worauf es in ihrem eignen Interesse vor allem ankam, auf
den Sturz des Großwesirs hin. Die Minen wider ihn waren geladen. Allem
Anschein nach sollten sie in dem Augenblick springen, wo, wie man hoffte,
auf Grund der Verschiedenheit des durch Khereddin und das Londoner Kabinet
damals verfolgte" Zieles sich eine Kälte und vielleicht ein Mißverhältnis; zwischen
beiden erzeugen würde. Indeß war, um einem solchen Verhängnis? vorzubeugen,
die Haltung des osmanischen Premiers von allem Anfang an meisterhaft be¬
rechnet worden. Dazu kam, daß für die beiden Lords an der Spitze der
britischen Regierung, auch wenn bei weiterem Festhalten derselben an dem in
Betreff Aegypten's zur Anwendung gebrachten Nichtaktions-Prinzip eine Differenz
zwischen ihnen und dem Großwesir sich herausgebildet haben sollte, dennoch
letzterer um der Unterstützung willen, die er den türkische:: Refvrmprojekten der¬
selbe::, allerdings mehr scheinbar als thatsächlich, zugewendet hatte, zu sehr xsrsong.
Arata war, als daß jene nicht hätten Bedenken dawider hegen sollen, eine
Gelegenheit für seine Gegner, um ihn zu stürzen, herbeizuführen. Immerhin
darf es für Khereddin als eine äußerst günstige Wendung der Umstände an¬
gesehen werden, daß England schließlich -- wie man mit Recht annimmt, durch
das entschlossene Auftreten der deutschen Politik dazu bestimmt -- sein Zauder-
system zugleich mit den Bedenken wider die Absetzung Ismail Pascha's aufgab
und damit den auf die letztere als auf eine unausweichbare Nothwendigkeit
hinauslaufenden Anschauungen der anderen Mächte sich anschloß.

Im Gründe genommen hatte sich die Sachlage, wie im Besonderen für den
leitenden, in dieser Angelegenheit aber durch besondere Umstände seither zur
Passivität verurtheilten türkischen Staatsmann, so im Allgemeinen, wesentlich um¬
gestaltet. Die Gründe, welche, von dem bereits erwähnten abgesehen, England
im Einzelnen bestimmt haben, die bis dahin innegehaltene Richtlinie auf¬
zugeben, werden erst später klar werden. Auch darüber, was sich, im Anschluß
an den vorgegangenen Wandel und durch denselben beeinflußt, im Schooße des
türkischen Kabinettes und in dem engeren, den Sultan im Jildis-Kiosk umgebenden
Vertrautenkreise begab, breitet sich gegenwärtig noch'ein nnaufgehelltes Dunkel.
Es ist eben nicht türkische Art, sich durch politische Überraschungen verblüffen
zu lassen. Dem stehen das orientalische Phlegma, die Langsamkeit der Gedanken¬
bewegung und die auch heute noch, namentlich über europäische Dinge, fort¬
dauernde Unwissenheit entgegen. Was Khereddin Pascha selber betrifft, so muß


wendig war, ziemlich mißlich stand. Seine Taktik scheint darauf berechnet ge¬
wesen zu sein, die naturgemäße Entwickelung der Dinge, welcher er sein Programm
angepaßt hatte, für dieses und sür sich selber arbeiten zu lassen. Inzwischen
strebte die von dem Vizekönig gewonnene und seinen Winken gehorchende Partei
im Ministerium und im Jildis-Kiosk mit aller Entschiedenheit und im klarsten
Bewußtsein dessen, worauf es in ihrem eignen Interesse vor allem ankam, auf
den Sturz des Großwesirs hin. Die Minen wider ihn waren geladen. Allem
Anschein nach sollten sie in dem Augenblick springen, wo, wie man hoffte,
auf Grund der Verschiedenheit des durch Khereddin und das Londoner Kabinet
damals verfolgte» Zieles sich eine Kälte und vielleicht ein Mißverhältnis; zwischen
beiden erzeugen würde. Indeß war, um einem solchen Verhängnis? vorzubeugen,
die Haltung des osmanischen Premiers von allem Anfang an meisterhaft be¬
rechnet worden. Dazu kam, daß für die beiden Lords an der Spitze der
britischen Regierung, auch wenn bei weiterem Festhalten derselben an dem in
Betreff Aegypten's zur Anwendung gebrachten Nichtaktions-Prinzip eine Differenz
zwischen ihnen und dem Großwesir sich herausgebildet haben sollte, dennoch
letzterer um der Unterstützung willen, die er den türkische:: Refvrmprojekten der¬
selbe::, allerdings mehr scheinbar als thatsächlich, zugewendet hatte, zu sehr xsrsong.
Arata war, als daß jene nicht hätten Bedenken dawider hegen sollen, eine
Gelegenheit für seine Gegner, um ihn zu stürzen, herbeizuführen. Immerhin
darf es für Khereddin als eine äußerst günstige Wendung der Umstände an¬
gesehen werden, daß England schließlich — wie man mit Recht annimmt, durch
das entschlossene Auftreten der deutschen Politik dazu bestimmt — sein Zauder-
system zugleich mit den Bedenken wider die Absetzung Ismail Pascha's aufgab
und damit den auf die letztere als auf eine unausweichbare Nothwendigkeit
hinauslaufenden Anschauungen der anderen Mächte sich anschloß.

Im Gründe genommen hatte sich die Sachlage, wie im Besonderen für den
leitenden, in dieser Angelegenheit aber durch besondere Umstände seither zur
Passivität verurtheilten türkischen Staatsmann, so im Allgemeinen, wesentlich um¬
gestaltet. Die Gründe, welche, von dem bereits erwähnten abgesehen, England
im Einzelnen bestimmt haben, die bis dahin innegehaltene Richtlinie auf¬
zugeben, werden erst später klar werden. Auch darüber, was sich, im Anschluß
an den vorgegangenen Wandel und durch denselben beeinflußt, im Schooße des
türkischen Kabinettes und in dem engeren, den Sultan im Jildis-Kiosk umgebenden
Vertrautenkreise begab, breitet sich gegenwärtig noch'ein nnaufgehelltes Dunkel.
Es ist eben nicht türkische Art, sich durch politische Überraschungen verblüffen
zu lassen. Dem stehen das orientalische Phlegma, die Langsamkeit der Gedanken¬
bewegung und die auch heute noch, namentlich über europäische Dinge, fort¬
dauernde Unwissenheit entgegen. Was Khereddin Pascha selber betrifft, so muß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/98>, abgerufen am 27.11.2024.