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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Jahres der Hedschra (1873) ertheilten Fermans Bezug. In letzter Hinsicht stehen
sie voraussichtlich mit einer längeren Folgereihe von Vereinbarungen zwischen der
Psorte und den europäischen Mächten in Verbindung, die heute noch nicht fest¬
gestellt worden sind, um deren endgiltige Fixirung es sich aber im Laufe der
nächsten Monate handeln dürfte. Auch die erwähnten Dekrete sind das Resultat
einer langdauernden Verhandlung gewesen, einer Verhandlung, bei der die
vorerwähnte Meinungsverschiedenheit zwischen dem osmanischen Monarchen und
seinem Premier sich mehr als einmal geltend machte und verzögernd auf den
endlichen Abschluß einwirkte.

Um die Widerstände richtig zu beurtheilen, aus welche der wohl gleich
anfänglich gefaßte Plan Khereddin Pascha's stieß, mittelst der Absetzung des
Vizekvnigs die Gelegenheit zum strafferen Anziehen der Aegypten mit der
Pforte vereinigenden Bande zu schaffen, wird man sich die Natur des Terrains
zu vergegenwärtigen haben, aus dem der Großwesir sich zu bewegen hatte.
Nicht umsonst waren für den Ex-Khedive lange Jahre hindurch bedeutende
Quoten derjenigen Summen, die er für seine ungemessenen Verschwendungen
durch im Auslande abgeschlossene Anleihen disponibel zu machen verstanden,
nach Konstantinopel gesendet worden. Durch diese klingenden al^rMsutg. a,et
KoiniQizin hatte Ismail Pascha sich in den höheren türkischen Beamtenkreisen,
vor allem im Ministerium selber und ganz im Besonderen unter den den
Sultan umgebenden Vertrauten eiuen starken, ergebenen und dienstwilligen
Anhang geschaffen. Das Werkzeug, dessen er sich an oberster Stelle zu diesem
Zwecke bedient hatte, war der dnrch ihn unermeßlich reich gewordene, in Stambul
für einen Krösus geltende, vielgenannte Armenier Abraham Pascha gewesen.
Mit einem bedeutenden Geschick für seine zum Theil sehr delikaten Aufträge
verband dieser eine ausgebreitete Personalkenntniß. Seine Beziehungen waren
sehr weitreichende, und in einer an Ministerwechseln reichen Zeit hat er es
wunderbar verstanden, nicht nnr unausgesetzt Fühlung mit den rasch auf ein¬
ander folgenden Kabinetten zu halten, sondern auch auf die Dauer einen festen
Fuß auf dem wankenden Boden des Serails selbst sich zu wahren. Namentlich
in dem engeren, den verstorbenen Sultan Abd ni Assis umgebenden Vertrauten¬
kreise hatte der mit vollen Händen nach allen Seiten hin Gold ausstreuende
Kehaya (Geschäftsführer) Ismail Pascha's seiner Zeit sehr viel gegolten. Es
kann nicht überraschen, daß dieser korruptive Einfluß Abraham Pascha's sich auch
auf die hiesige Lokalpresse, die türkische uicht minder wie die europäische, über¬
trug. Wie es scheint, hatte er es namentlich auf die nach England hin
verbreiteten Blätter, den liLvarrt Hsralci und den ehemaligen LtlMdc".ü
(jetzigen Nadir) abgesehen. Je nachdem er mehr oder weniger Fonds zur
Verfügung hatte, wußte er bald seiue Geltung zu steigern, bald erlitt sie Ein-


Jahres der Hedschra (1873) ertheilten Fermans Bezug. In letzter Hinsicht stehen
sie voraussichtlich mit einer längeren Folgereihe von Vereinbarungen zwischen der
Psorte und den europäischen Mächten in Verbindung, die heute noch nicht fest¬
gestellt worden sind, um deren endgiltige Fixirung es sich aber im Laufe der
nächsten Monate handeln dürfte. Auch die erwähnten Dekrete sind das Resultat
einer langdauernden Verhandlung gewesen, einer Verhandlung, bei der die
vorerwähnte Meinungsverschiedenheit zwischen dem osmanischen Monarchen und
seinem Premier sich mehr als einmal geltend machte und verzögernd auf den
endlichen Abschluß einwirkte.

Um die Widerstände richtig zu beurtheilen, aus welche der wohl gleich
anfänglich gefaßte Plan Khereddin Pascha's stieß, mittelst der Absetzung des
Vizekvnigs die Gelegenheit zum strafferen Anziehen der Aegypten mit der
Pforte vereinigenden Bande zu schaffen, wird man sich die Natur des Terrains
zu vergegenwärtigen haben, aus dem der Großwesir sich zu bewegen hatte.
Nicht umsonst waren für den Ex-Khedive lange Jahre hindurch bedeutende
Quoten derjenigen Summen, die er für seine ungemessenen Verschwendungen
durch im Auslande abgeschlossene Anleihen disponibel zu machen verstanden,
nach Konstantinopel gesendet worden. Durch diese klingenden al^rMsutg. a,et
KoiniQizin hatte Ismail Pascha sich in den höheren türkischen Beamtenkreisen,
vor allem im Ministerium selber und ganz im Besonderen unter den den
Sultan umgebenden Vertrauten eiuen starken, ergebenen und dienstwilligen
Anhang geschaffen. Das Werkzeug, dessen er sich an oberster Stelle zu diesem
Zwecke bedient hatte, war der dnrch ihn unermeßlich reich gewordene, in Stambul
für einen Krösus geltende, vielgenannte Armenier Abraham Pascha gewesen.
Mit einem bedeutenden Geschick für seine zum Theil sehr delikaten Aufträge
verband dieser eine ausgebreitete Personalkenntniß. Seine Beziehungen waren
sehr weitreichende, und in einer an Ministerwechseln reichen Zeit hat er es
wunderbar verstanden, nicht nnr unausgesetzt Fühlung mit den rasch auf ein¬
ander folgenden Kabinetten zu halten, sondern auch auf die Dauer einen festen
Fuß auf dem wankenden Boden des Serails selbst sich zu wahren. Namentlich
in dem engeren, den verstorbenen Sultan Abd ni Assis umgebenden Vertrauten¬
kreise hatte der mit vollen Händen nach allen Seiten hin Gold ausstreuende
Kehaya (Geschäftsführer) Ismail Pascha's seiner Zeit sehr viel gegolten. Es
kann nicht überraschen, daß dieser korruptive Einfluß Abraham Pascha's sich auch
auf die hiesige Lokalpresse, die türkische uicht minder wie die europäische, über¬
trug. Wie es scheint, hatte er es namentlich auf die nach England hin
verbreiteten Blätter, den liLvarrt Hsralci und den ehemaligen LtlMdc».ü
(jetzigen Nadir) abgesehen. Je nachdem er mehr oder weniger Fonds zur
Verfügung hatte, wußte er bald seiue Geltung zu steigern, bald erlitt sie Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/96>, abgerufen am 27.11.2024.