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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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glückte zum Theil. Zwar gelang ihm die Eroberung von Habesch, die von
1872 bis 1876 versucht wurde, nicht, er.erlebte vielmehr wiederholt empfind¬
liche Niederlagen. Dafür aber wurde 1874 Darfur mit Waffengewalt nieder¬
geworfen und Aegypten einverleibt. Es gewann den Anschein, als solle letzteres
sich zur herrschenden Macht im nordöstlichen Afrika erheben.

Nur Eins bildete eine immer größer und bedrohlicher werdende Schwierig¬
keit: die aegyptischen Finanzen waren durch die heillose Verschwendung des
Chediw und seiner Verwaltung, sowie durch leichtsinniges Schuldenmachen trotz
der unbarmherzigsten Aufsaugung des Landes und seiner unglücklichen Be¬
wohner in eine von Jahr zu Jahr ärger und unheilbarer werdende Unordnung
gerathen. Das nächste Mittel, das man dagegen ergriff, verfing eine Weile.
Der Vizekönig und sein Premier Urbar Pascha stellten sich, als wollten sie
Aegypten europaisiren, sie begünstigten die Einführung fränkischer Sitte, sie
thaten liberal, und sie täuschten wirklich eine Zeit lang das Ausland, sodaß
es weitere Anleihen gewährte. Versprachen sie doch hohe Zinsen, und hatte
doch Aegypten 1866 eine Verfassung und ein Parlament erhalten, das eine Art
Kontrole der Verwendung des Landeseinkommens versprach. Ein großer Theil
der europäischen Presse war durch diese Scheinmanöver und vielleicht auch
durch Solideres gewonnen, und die Börsen warfen immer neue Summen in
den unergründlichen Schlund der finanziellen Mißwirthschaft des schlauen
Aegypters.

So lange diese Anleihen reichten, lebte Ismail ohne Sorgen weiter. Aber
mit dem Jahre 1876 mußte er innewerden, daß es mit ihm zu Ende ging,
wenn er nicht die wahren Mittel ergriff, sich und sein Land zu retten: Ordnung,
Sparsamkeit und Ehrlichkeit. Die aber waren am Hofe des Chediw und unter
den Aegyptern überhaupt nicht zu finden. Die Konversion der schwebenden
und die Unifikation der verzinslichen Staatsschuld, sowie das zu dringender
Nothwendigkeit gewordene Abkommen des Vizekönigs mit dessen Privatgläu¬
bigern -- seine persönlichen Schulden sollen zusammen sich auf nicht weniger
als 15 Millionen Pfund Sterling, deutsch: 300 Millionen Mark belaufen --
ließen sich nur dann bewerkstelligen, wenn die aegyptische Regierung in die
Niedersetzung einer mit sehr weitreichenden Vollmachten ausgestatteten europäi¬
schen Finanzverwaltung willigte und dieser die Erlaubniß ertheilte, eine Masse
von werthvollen Staatslündereien, die Ismail sich widerrechtlich angeeignet
hatte, wieder in die Hände des Staates zu bringen, so daß diesem deren Ertrag
gesichert war. Ungern und sicher mit Hintergedanken fügte sich der Chediw in
dieses unbequeme, aber einzig und allein eine gründliche Besserung der Finanzen
versprechende Arrangement, nachdem er schon im Jahre vorher seine sämmtlichen
Suezkanal-Aktien für 4 Millionen Pfund Sterling an die englische Regierung


glückte zum Theil. Zwar gelang ihm die Eroberung von Habesch, die von
1872 bis 1876 versucht wurde, nicht, er.erlebte vielmehr wiederholt empfind¬
liche Niederlagen. Dafür aber wurde 1874 Darfur mit Waffengewalt nieder¬
geworfen und Aegypten einverleibt. Es gewann den Anschein, als solle letzteres
sich zur herrschenden Macht im nordöstlichen Afrika erheben.

Nur Eins bildete eine immer größer und bedrohlicher werdende Schwierig¬
keit: die aegyptischen Finanzen waren durch die heillose Verschwendung des
Chediw und seiner Verwaltung, sowie durch leichtsinniges Schuldenmachen trotz
der unbarmherzigsten Aufsaugung des Landes und seiner unglücklichen Be¬
wohner in eine von Jahr zu Jahr ärger und unheilbarer werdende Unordnung
gerathen. Das nächste Mittel, das man dagegen ergriff, verfing eine Weile.
Der Vizekönig und sein Premier Urbar Pascha stellten sich, als wollten sie
Aegypten europaisiren, sie begünstigten die Einführung fränkischer Sitte, sie
thaten liberal, und sie täuschten wirklich eine Zeit lang das Ausland, sodaß
es weitere Anleihen gewährte. Versprachen sie doch hohe Zinsen, und hatte
doch Aegypten 1866 eine Verfassung und ein Parlament erhalten, das eine Art
Kontrole der Verwendung des Landeseinkommens versprach. Ein großer Theil
der europäischen Presse war durch diese Scheinmanöver und vielleicht auch
durch Solideres gewonnen, und die Börsen warfen immer neue Summen in
den unergründlichen Schlund der finanziellen Mißwirthschaft des schlauen
Aegypters.

So lange diese Anleihen reichten, lebte Ismail ohne Sorgen weiter. Aber
mit dem Jahre 1876 mußte er innewerden, daß es mit ihm zu Ende ging,
wenn er nicht die wahren Mittel ergriff, sich und sein Land zu retten: Ordnung,
Sparsamkeit und Ehrlichkeit. Die aber waren am Hofe des Chediw und unter
den Aegyptern überhaupt nicht zu finden. Die Konversion der schwebenden
und die Unifikation der verzinslichen Staatsschuld, sowie das zu dringender
Nothwendigkeit gewordene Abkommen des Vizekönigs mit dessen Privatgläu¬
bigern — seine persönlichen Schulden sollen zusammen sich auf nicht weniger
als 15 Millionen Pfund Sterling, deutsch: 300 Millionen Mark belaufen —
ließen sich nur dann bewerkstelligen, wenn die aegyptische Regierung in die
Niedersetzung einer mit sehr weitreichenden Vollmachten ausgestatteten europäi¬
schen Finanzverwaltung willigte und dieser die Erlaubniß ertheilte, eine Masse
von werthvollen Staatslündereien, die Ismail sich widerrechtlich angeeignet
hatte, wieder in die Hände des Staates zu bringen, so daß diesem deren Ertrag
gesichert war. Ungern und sicher mit Hintergedanken fügte sich der Chediw in
dieses unbequeme, aber einzig und allein eine gründliche Besserung der Finanzen
versprechende Arrangement, nachdem er schon im Jahre vorher seine sämmtlichen
Suezkanal-Aktien für 4 Millionen Pfund Sterling an die englische Regierung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/9>, abgerufen am 27.11.2024.